Pulverfass Persischer Golf
Die Region rund um den Persischen Golf, unverzichtbar für die weltweite Energieversorgung, ist und bleibt ein Pulverfass: In der Nacht zum Freitag wurde ein iranischer Öltanker im Roten Meer vor der saudi-arabischen Küste mit zwei Raketen angegriffen und in Brand gesetzt. Der Brent-Ölpreis reagierte prompt mit einem Sprung nach oben (vgl. Grafik).Damit nimmt die Kriegsgefahr in der Region wieder zu – worauf der Angriff offensichtlich auch abzielte. Zuletzt hatte sich in dieser Hinsicht die Lage deutlich beruhigt. Zwar hatte die US-Administration nach den jemenitischen Angriffen auf saudische Ölanlagen wieder mehrfach mit einem Angriff auf den Iran gedroht. Die glaubhaften Hinweise der iranischen Regierung, man werde sich in diesem Fall mit militärischen Mitteln effektiv wehren, sorgten dann jedoch für eine Beruhigung der Gemüter. Vom saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman war sogar in einem Fernsehinterview die für ihn höchst ungewöhnliche Äußerung zu vernehmen, man müsse im Konflikt mit dem Iran eine friedliche Lösung anstreben. Industrie in der RezessionIn der Folge fiel der Brent-Ölpreis wieder deutlich zurück. Dazu trug bei, dass die globalen Konjunkturdaten und Frühindikatoren klar darauf hinweisen, dass sich zumindest die verarbeitende Industrie in allen wichtigen Weltregionen bereits in der Rezession befindet. Der US-Handelskrieg gegen China, dessen umfassende friedliche Beilegung trotz einer Teileinigung noch in der Ferne liegt, hat das Potenzial, die konjunkturelle Lage erheblich zu verschärfen – zumal man nicht unbedingt das Gefühl hat, dass die führenden Akteure in Washington genügend ökonomischen Sachverstand besitzen, um zu überblicken, welche Schäden auch der US-Wirtschaft im Fall einer weiteren Eskalation drohen.Käme es beim Ölpreis nur auf das Spiel von sich weiter abschwächender Nachfrage und einem zumindest außerhalb der Opec steigenden Angebot an, so müsste der Ölpreis weiter sinken. Wir erinnern uns an Brent-Preisniveaus von zeitweise unter 30 Dollar Anfang 2016, zu welchen allerdings auch die damalige Uneinigkeit und Untätigkeit der Opec beitrug.Zu einem solchen Preisrückgang wird es aber aktuell unter anderem wegen der Markteingriffe der Opec und ihrer Verbündeten nicht kommen. Insbesondere Saudi-Arabien ist wegen des immer noch geplanten Aramco-Börsengangs auf einen relativ hohen Ölpreis angewiesen. Dieser Börsengang der staatlichen Ölgesellschaft ist auch einer der Gründe, die gegen eine Täterschaft der Saudis beim Terroranschlag auf den iranischen Tanker sprechen. Die saudische Führung ist – die jemenitischen Angriffe auf die Ölanlagen haben ihr das noch einmal verdeutlicht – auf ein ruhiges Umfeld für das IPO angewiesen.Damit stellt sich die Frage, wer hinter dem Anschlag steckt und ob dieser geeignet ist, die Lage im Golf und damit auch den Ölpreis explodieren zu lassen. Es spricht einiges für die vom Iran verbreitete Vermutung, dass die israelische Regierung hinter der Attacke stehen könnte. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu fürchtet einen schwindenden Einfluss seines Landes im Nahen Osten durch den Aufstieg des Iran zur wichtigsten regionalen Macht. Er drängt den Verbündeten USA daher schon lange zu einem Angriff auf den Iran nach dem Muster des Kriegs gegen Saddam Hussein. Würde sich die iranische Regierung zu einer militärischen Reaktion auf die jüngste Provokation hinreißen lassen, hätte er vielleicht sein Ziel erreicht. Danach sieht es allerdings derzeit nicht aus. Es bemühen sich aktuell alle Beteiligten in der Region, die Lage unter Kontrolle zu halten.Es gibt nur eine Situation, die zu einer weitreichenden Konfrontation führen würde: Sollte der Iran wegen der Sanktionen und sonstiger Maßnahmen keinerlei Öl mehr exportieren können, wird er auch andere Ölproduzenten daran hindern, ihr Öl durch die Straße von Hormus zu verschiffen. Dazu wird es aber wohl nicht kommen – wegen der großen Erfahrungen der Iraner in der Umgehung westlicher Sanktionen und aufgrund der tatkräftigen Unterstützung Russlands und Chinas, für die der Iran ein zentraler Knotenpunkt auf der Neuen Seidenstraße ist. Und Israel verfügt allein nicht ansatzweise über die militärischen Mittel, eine Blockade des Iran durchzusetzen.Sollte sich an dieser geopolitischen Gemengelage nichts ändern – mögliche Ansatzpunkte hierfür wären ein US-Präsident, der häufig seine Meinung ändert, oder auch ein Machtwechsel in Washington -, ist ein starker Anstieg des Ölpreises derzeit nicht zu erwarten.