"Quantitativer Ansatz guter Weg, Fehler zu vermeiden"
Quantitative Verfahren für das Portfoliomanagement sind auf dem Vormarsch. Allerdings sind sie nicht unumstritten. So wird gelegentlich eine Nichtbeachtung fundamentaler Faktoren bemängelt. Zu Unrecht, meint der Vorstandsvorsitzende von Sal. Oppenheim, Wolfgang Leoni, der von den Stärken dieses Ansatzes überzeugt ist.- Herr Leoni, ein Schwerpunkt Ihres Hauses ist quantitatives Portfoliomanagement. Kritiker bemängeln an Quant-Ansätzen häufig eine Nichtbeachtung fundamentaler Faktoren. Was sagen Sie dazu?Es wird in der Tat oft behauptet, quantitatives Anlagemanagement sei nicht fundamental, aber das ist grundfalsch. Wir schauen im Wesentlichen gerade auf Fundamentalfaktoren, die wir allerdings anhand quantitativer Verfahren auswerten.- Worin bestehen denn die Stärken dieses Ansatzes?Wir arbeiten seit fast zwanzig Jahren mit quantitativen Methoden. Nach unserer Überzeugung ist der quantitative Ansatz ein guter Weg, mit aktivem Portfoliomanagement die vielen möglichen Fehler im Anlageverhalten zu vermeiden, die in der Behavioural-Finance-Literatur sehr gut beschrieben werden. Es gibt viele emotionale Komponenten im Anlageverhalten, die Investoren oftmals nicht rational entscheiden lassen. Dadurch werden Fehler gemacht, die in der Regel viel Geld kosten. Um diese Emotionen weitestgehend auszuschalten, braucht man ein diszipliniertes, regelbasiertes Vorgehen – und das gewährleisten quantitative Verfahren.- Wie sieht Ihr Verfahren aus?Wir legen zunächst fest, auf welche Faktoren wir für unsere Anlageentscheidungen überhaupt schauen. Dabei müssen die Variablen theoretisch begründet und ihre Eignung empirisch belegt und langfristig stabil sein. Ich gebe ihn ein Beispiel aus dem Bereich der taktischen Asset Allocation: Wenn Sie sich den Ölpreis in Verbindung mit der Entwicklung des Aktienmarktes ansehen, werden Sie Phasen finden, in denen der Ölpreis einen signifikanten Einfluss auf die Kursentwicklung von Aktien hatte. Diese Phasen können teilweise über Jahre andauern. Andererseits sieht man auch wieder sehr lange Perioden, in denen keinerlei Einfluss zu identifizieren ist.- Was bedeutet das für Ihr quantitatives Prognosemodell?Dass der Ölpreis nicht als Prediktor für den Aktienmarkt geeignet ist, da es keine stabile Beziehung über die Zeit zwischen Ölpreisentwicklung und Aktienmarktverlauf gibt. Nur wenn man in der Lage wäre, das aktuell herrschende Regime perfekt vorauszusagen, wäre eine Prognose dieser Art sinnvoll.- Welche Faktoren haben auf die Aktienmarktentwicklung langfristig einen stabilen Einfluss?Es gibt zum Beispiel eine langfristig stabile Beziehung zwischen Unternehmensgewinnen und Aktienkursen. Daher können Unternehmensgewinne als Kriterium verwendet werden. Wir achten auch auf konjunkturelle Frühindikatoren oder Bewertungsniveaus. Das sind Variablen, auf die es sich nach unserer Erfahrung zu schauen lohnt.- Müssen Sie mit Ihrem Ansatz nicht sehr umfangreiche Datenmassen auswerten?Das ist neben dem Bestreben, Emotionen im Anlageprozess auszuschalten, ein weiterer entscheidender Grund für unsere quantitative Vorgehensweise. Früher war die Datenbeschaffung, der Zugang zu Daten, für den Portfoliomanager ein großes Problem. Heute haben wir einen Informations-Overload, und die Verarbeitung der riesigen Datenmengen ist die Herausforderung. Deshalb wird es immer wichtiger, aus dem “Rauschen” der riesigen Datenmengen die richtigen Signale herauszufiltern, was sich mit quantitativen Verfahren und der hohen Rechenleistung von Computern sehr gut bewerkstelligen lässt. Man kann sehr viele Daten in sehr kurzer Zeit verarbeiten. Im Aktienbereich beispielsweise analysieren wir so jeden Monat mehr als 4 000 Titel weltweit.- Worin bestehen die Vorteile im Vergleich mit dem klassischen Fondsmanagement?Dadurch, dass wir ein regelbasiertes Verfahren haben, wird jede Anlageentscheidung für den Anleger transparent und objektiv nachvollziehbar. Beim herkömmlichen Fondsmanagement spielen dagegen auch subjektive Eindrücke bei der Entscheidungsfindung eine Rolle. Von Vorteil ist auch, dass unser Verfahren sehr kostengünstig ist: Wenn Sie 4 000 Aktien analysieren wollen, brauchen Sie eine Unmenge von Analysten. Wir haben neben einer großen Datenbank lediglich rund zehn Mitarbeiter, die im Bereich Aktien-Einzeltitelselektion für Research/Modellentwicklung und Portfoliomanagement verantwortlich sind.- Wie setzt sich bei der Aktienauswahl Ihr Kriterienkatalog zusammen?Bei Einzelaktien schauen wir auf rund 200 Faktoren, die sich in fünf unterschiedliche Kategorien zusammenfassen lassen. Das sind Bewertungsfaktoren, Faktoren zur Bilanzqualität, Analystensentiment, Gewinnwachstum und Momentumfaktoren. Aus jeder Gruppe wählen wir jeden Monat den Faktor aus, der in jüngster Zeit die Kursentwicklung der Einzeltitel am besten erklären konnte. Anhand dieser identifizierten Faktoren erstellen wir ein Gesamtranking für unser Aktienuniversum, wobei wir noch zusätzlich ein Verfahren einsetzen, das die fünf Faktorkategorien im Zeitablauf unterschiedlich gewichtet.- Mit Ihrem Ansatz findet die “Kontrolle vor Ort”, also der Besuch der Unternehmen beziehungsweise das Gespräch mit dem Management nicht statt. Ist das nicht ein Nachteil?Wir fahren in der Tat nicht zum Vorstandsvorsitzenden oder zum Finanzvorstand und machen sogenannte “One-on-Ones”. Denn das Management darf uns ohnehin nichts sagen, was nicht bereits veröffentlicht worden ist.- Es genügt also die Position einer Aktie in Ihrem Ranking, um im Portfolio aufgenommen zu werden?Das reicht nicht ganz. Bei der Portfoliokonstruktion müssen natürlich auch das Risiko einer Aktie und ihre Interaktion, die Korrelation mit anderen Aktien, explizit beachtet werden. Sonst kann es leicht passieren, dass man beispielsweise zu viele Aktien aus einer Branche hält und sich ein Klumpenrisiko einhandelt. Um aber Diversifikations- und Risikomanagementaspekte strukturiert zu berücksichtigen, ist es wiederum von Vorteil, auf quantitative Verfahren der Portfoliooptimierung zurückzugreifen, die uns erlauben, passgenaue Ertrags-Risiko-Profile für ein Anlegerportfolio zu konstruieren. Letztlich geht es bei der quantitativ gestützten Portfoliokonstruktion immer darum, die bestmögliche risikoadjustierte Performance zu erzielen.- Ergeben sich mit Ihrer Methode im Aktienmanagement Branchenschwerpunkte?Auf der Aktienseite machen wir keine aktive Branchenallokation, weil wir kein quantitatives Modell gefunden haben, das nachweislich einen Mehrwert für unsere Kunden bringt. Dass Branchenallokation sehr schwierig ist, kann man auch daran erkennen, dass in den 90er Jahren viele Sektorfonds aufgelegt wurden, die es zwischenzeitlich nicht mehr gibt. Das gleiche Schicksal erwarte ich auch bei dem neuen Modetrend “Factor Investing”, denn bislang sehe ich nicht, dass es erfolgreiche Ansätze für eine aktive, erfolgreiche Faktorallokation gibt.—-Das Interview führte Christopher Kalbhenn.