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Quasistaatsanleihen sind ein Risikofaktor im Bondmarkt

Von Kai Johannsen, Frankfurt Börsen-Zeitung, 24.2.2016 An den internationalen Rentenmärkten ist in den vergangenen Jahren ein Bereich entstanden, der mittlerweile die Aufmerksamkeit einer breiteren Investorenöffentlichkeit erlangt hat, da er das...

Quasistaatsanleihen sind ein Risikofaktor im Bondmarkt

Von Kai Johannsen, FrankfurtAn den internationalen Rentenmärkten ist in den vergangenen Jahren ein Bereich entstanden, der mittlerweile die Aufmerksamkeit einer breiteren Investorenöffentlichkeit erlangt hat, da er das Potenzial entwickeln könnte, die Märkte nicht nur zu verunsichern, sondern auch kräftig durchzuschütteln. Hierbei handelt es sich um die sogenannten Quasistaatsanleihen. Dies sind Bonds, die vorzugsweise von Unternehmen – vorwiegend aus den Schwellenländern (Emerging Markets) – emittiert werden.Es wird zumeist von staatsnahen Adressen gesprochen, die aber nichts mit dem Segment der Agencies (halbstaatliche Emittenten wie etwa eine Förderbank eines Landes) und schon gar nichts mit den supranationalen Emittenten (wie die EU) oder Sub-Sovereigns (Gebietskörperschaften) zu tun haben und deshalb hiervon auch strikt abgegrenzt werden müssen. Es handelt sich um Unternehmen, bei denen der Staat einen hohen Einfluss hat.Üblicherweise wird von einem quasistaatlichen Unternehmen gesprochen, wenn der Staat 50 % oder mehr der Anteile oder der Stimmrechte an dem jeweiligen Unternehmen besitzt. Verständlicherweise gibt es somit auch Firmen, die in vollständigem Staatsbesitz sind, bei denen also 100 % der Anteile in staatlicher Hand sind.Für die Staaten gelten solche staatsnahen Adressen als ein großer Vorteil. Denn die Staaten treten selbst an den Bondmärkten als Emittent auf. Diese Verschuldung, die der Zentralstaat über den Markt aufbaut, findet dann auch Eingang in die einschlägigen Verschuldungskennzahlen des Landes, wie etwa das Debt-to-GDP-Ratio, also die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftskraft, dem Bruttoinlandsprodukt. Dies ermöglicht – zum Beispiel in Krisenzeiten – eine Aussage darüber, ob ein Land noch in der Lage ist, seinem Schuldendienst nachzukommen.Daneben gibt es die Bonds der quasistaatlichen Adressen. Und hier gibt es keine international einheitliche Abgrenzungsdefinition, inwieweit diese Anleihen in die Verschuldungskennziffern aufgenommen werden oder nicht. Das ist in jedem Einzelfall zu prüfen. Ganz unwichtig bei der Ermittlung der Gesamtverschuldung eines Staates, für die er im Krisenfall, also bei einem Kreditereignis wie Zahlungsverzug oder drohendem Zahlungsausfall aufkommen muss, sind diese Daten nicht. 830 Mrd. Dollar VolumenIn den vergangenen Jahren ist dieses Marktsegment sehr stark ge-wachsen. Nach Medienberichten, die sich auf Daten der Investmentbank J. P. Morgan und Bond Radar stützen, ist das ausstehende Volumen dieser Quasistaatsanleihen von etwas über 700 Mrd. Dollar 2014 bis Ende vergangenen Jahres auf mehr 830 Mrd. Dollar angeschwollen.Zum Vergleich: Das Volumen der ausstehenden handelbaren Wertpapiere des Bundes (Geld- und Kapitalmarkttitel) betrug per 17. Februar dieses Jahres 1,14 Bill. Euro. Dabei ist nicht klar, wer die treibende Kraft dahinter ist. Entweder der Staat – besser Zentralstaat -, der Unternehmen Emissionen vorgibt, sie also anweist, Gelder über die Bondmärkte aufzunehmen, um diese später an andere staatliche Stellen “durchzureichen”, oder die Unternehmen agieren vergleichsweise frei und entscheiden selbst über Notwendigkeit des Marktauftritts, Volumina, Laufzeiten, Währungen und dergleichen.Der Markt wächst weiter. Eine bekannte Adresse ist zum Beispiel Pemex, der staatliche Mineralölkonzern Mexikos. Andere Emittenten sind etwa die Industrial & Commercial Bank of China, die Agricultural Bank of China oder Banco Mercantil do Brasil. Die Liste ist lang, sie geht in die Hunderte, wenn nicht Tausende. Die Firmen emittieren sehr häufig in Dollar. Es müssen nicht immer gleich Benchmarks mit 500 Mill. Dollar oder mehr sein, auch kleinvolumige Emissionen kommen in den Markt. Viele Unternehmen besitzen Ratings im spekulativen Bereich, so zum Beispiel von Doppel-B. Diese Charakteristika zeigen entsprechende Statistiken von Banken.Stärkere Emissionsaktivitäten wer-den in diesen Quasistaatsanleihen seit 2012 gesehen. Seit dieser Zeit gingen die quasistaatlichen Unternehmen erst vermehrt an den Markt.Die Erfolge, welche die ersten Unternehmen dann mit ihren Emissionen verbuchen konnten, lockten zügig weitere Adressen an, so dass sich ein schnelles und vor allem volumenstarkes Wachstum in diesem Segment einstellte. Üblicherweise können neue Emittenten nicht gleich in langlaufende Anleihen gehen. Zumeist wird dann das mittlere Laufzeitensegment gewählt, um hier mit einer erfolgreichen Emission dann auch das Investorenvertrauen zu bekommen. Die meisten Emittenten entscheiden sich beim Debüt für fünfjährige Bonds. 2017 als Jahr der WahrheitDamit zeichnet sich auch ab, wann das Segment der Quasistaatsanleihen zu einem größeren Gesprächsthema am Markt werden kann, und zwar 2017, wenn der erste große Schwung an Anleihen, die 2012 in den Markt kamen, fällig wird, also zur Refinanzierung ansteht. Dann wird sich zeigen, welche Adressen nach erfolgreicher Emission auch die erfolgreiche Anschlussfinanzierung oder die Bedienung in Form einer Rückzahlung des Nominals hinbekommen.Zu jener Zeit werden sich viele Anleger auch eine Frage stellen: Was ist die Garantie des Staates, der hinter den quasistaatlichen Unternehmen steht, wert? Hierbei ist wiederum zu unterscheiden, ob es sich um eine explizite oder implizite Garantie handelt oder ob gar nur von einer gewissen Unterstützungswahrscheinlichkeit durch den Staat für das Unternehmen, an dem er beteiligt ist, ausgegangen wird. Wenn es sich bei den Unternehmen um für den Staat strategisch wichtige Adressen handelt, ist von einer derartigen Unterstützung tendenziell auszugehen. Bei kleineren, politisch oder strategisch eher zweit- oder gar drittrangigen Adressen, sollten sich Anleger nicht immer darauf verlassen.Es gibt aber noch einen wichtigeren Punkt. Tendenziell gehen viele Marktteilnehmer nicht von sprunghaft höheren Zinsen aus – nicht im Dollar und auch nicht in vielen anderen Währungsräumen wie dem Euro oder dem Yen. Aber höhere Zinsen, wann immer sie eintreten mögen, können bei solchen Anschlussfinanzierungen der Quasistaatsanleihen zum Problem werden, weil die Staaten sie nicht mehr schultern können, wollen oder es ihnen investorenseitig nicht mehr zugetraut wird.Damit ist es für die Anleger nicht nur wichtig zu wissen, ob die Staaten im Fall der Fälle einspringen, sondern ob sie auch die wirtschaftliche Fähigkeit haben, genau dies zu tun, vor allem wenn sie bei den Schulden des Zentralstaates auch noch mit höheren Zinsen konfrontiert sind, also einer Doppelbelastung gegenüberstehen könnten. Ausfälle sollten einkalkuliert werden.