DEVISENWOCHE

Recep Tayyip Trump?

Von Ulrich Leuchtmann *) Börsen-Zeitung, 16.10.2018 US-Präsident Donald Trump übt laute und massive Kritik an der Geldpolitik der US-Notenbank (Fed). Deren graduelle Zinserhöhungen passen ihm nicht. Die Fed wäre "verrückt" und "außer Kontrolle". Er...

Recep Tayyip Trump?

Von Ulrich Leuchtmann *)US-Präsident Donald Trump übt laute und massive Kritik an der Geldpolitik der US-Notenbank (Fed). Deren graduelle Zinserhöhungen passen ihm nicht. Die Fed wäre “verrückt” und “außer Kontrolle”. Er hätte lieber niedrige Zinsen und wüsste besser, wie Geldpolitik geht. So war von ihm letzte Woche zu hören, als er die Korrektur an den Aktienmärkten der Fed anlastete.Wohin die Einmischung von Regierungen in die Geldpolitik führen kann, haben wir erst kürzlich am Beispiel der Türkei erlebt. Die – vorsichtig ausgedrückt – unkonventionellen geldpolitischen Vorstellungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und seine Drohung, sich in die Geldpolitik einzumischen, führten Anfang August zu einem Absturz der Lira, der erst durch eine massive Zinserhöhung der türkischen Zentralbank gestoppt werden konnte und jüngst zu einem Einstieg in Preiskontrollen führte. Wie unabhängig ist die Fed?Solch ein Desaster dürfte dem Dollar auf absehbare Zeit erspart bleiben. Die US-Notenbanker haben bislang äußerst entspannt auf Trumps Anfeindungen reagiert (die ja nicht erst letzte Woche begannen). Fed-Chairman Jerome Powell hat bereits im August in seiner Rede auf der Notenbank-Konferenz in Jackson Hole ostentativ präsidiale Kritik ignoriert und angekündigt, den Kurs der graduellen Zinserhöhungen fortzusetzen. Und nach der September-Zinsentscheidung machte er klar, dass die Fed sich nicht von “politischen Faktoren oder ähnlichen Dingen” beeinflussen lassen würde – eine kaum verhüllte Absage an alle Versuche Trumps, die Geldpolitik der US-Notenbank zu beeinflussen. Unmittelbar kann Trump kaum etwas dagegen ausrichten. Denn ja, die Fed ist in dem Sinn “außer Kontrolle”, dass sie in ihren geldpolitischen Entscheidungen unabhängig ist, wie im “Federal Reserve Act” festgelegt ist. Sie benötigt keine Zustimmung der Regierung zu ihrer Geldpolitik und holt sie auch nicht ein.Trump sagte letzte Woche, er wolle Powell nicht feuern. Aus seinem Mund – das haben wir gelernt – ist solch eine Aussage im Allgemeinen nicht viel wert. Doch in diesem Fall ist das anders. Denn er hat kaum eine rechtliche Möglichkeit, Powell oder andere Mitglieder des Gouverneursrates zu entlassen. Der Federal Reserve Act räumt dem Präsidenten zwar prinzipiell solch eine Möglichkeit ein, doch macht die Rechtsprechung des US Supreme Court klar, dass ein Präsident Gouverneure eben nicht deshalb entlassen kann, weil er mit ihrer Politik unzufrieden ist.Allerdings hat der US-Präsident andere Möglichkeiten der Beeinflussung der Fed. (1) Er könnte Powell vom Posten des Chairman entbinden. Ob dieser dann “einfacher” Governeur bleiben würde, ist ungewiss. (2) Von den sieben Gouverneursposten sind derzeit drei unbesetzt. Trump hat das Besetzungsrecht. Klar, seine Nominierungen müssen vom Senat bestätigt werden. Doch machen wir uns nichts vor: Die republikanische Senatsmehrheit ist willfähriger Erfüllungsgehilfe des Weißen Hauses. Würden die Zwischenwahlen am 6. November zu einem Ausbau ihrer derzeit wackeligen Mehrheit führen, wäre der Senat auch für unkonventionelle präsidiale Nominierungen keine wirkliche Hürde mehr. Bislang war Trumps Nominierungspolitik freilich sehr konventionell. Mit Powell als Chairman sowie Richard Clarida und Randal Quarles als Vize-Chairmen hat er konventionelle Geldpolitiker in die US-Notenbank berufen, die dem Konsens der ökonomischen Zunft, der eine unabhängige Notenbank für unabdingbar hält, zustimmen. Und seine nächste Kandidatin, Michelle Bowman, gilt ebenfalls als “Mainstream”. Trumps weiterer Kandidat Marvin Goodfriend ist ein glühender Verfechter der Fed-Unabhängigkeit. Goodfriends Nominierung liegt derzeit mangels Unterstützung durch die Demokraten auf Eis. Doch ist auch sie ein Beispiel dafür, dass der US-Präsident seinen verbalen Drohgebärden bislang keine Taten folgen ließ.Zugegeben, was nicht ist, kann noch werden. Wenn schon eine kurzfristige Aktienmarktschwäche Trump zu derartig scharfer Kritik motiviert, möchte ich nicht wissen, welchen präsidialen Furor die Fed zu erwarten hätte, wenn ihre Geldpolitik wirklich realwirtschaftliche Schmerzen erzeugen würde. Momentan erwartet die Fed, dass sie den Leitzins in diesem Zinserhöhungszyklus nur minimal über das gleichgewichtige Niveau anheben muss. Doch birgt die Handels- und Steuerpolitik der Regierung inflationäre Risiken, die möglicherweise die Fed dazu zwingen könnten, aggressiver zu agieren und deutlichere realwirtschaftliche Belastungen zu erzeugen.Trumps Fed-Kritik ist vielleicht in der Form und Wortwahl ungewöhnlich scharf. Doch ist es völlig normal, dass Regierungen restriktive geldpolitische Schritte kritisieren. Wir Deutschen können uns diesbezüglich nicht aufs hohe Ross setzen. Seit Adenauers Kritik an der Geldpolitik der Bank Deutscher Länder (der Vorgänger-Organisation der Bundesbank) haben Bundesregierungen immer wieder die Bundesbankpolitik öffentlich kritisiert – ohne dass die Fähigkeit der Bundesbank, Inflation zu bekämpfen, sichtbar gelitten hätte. Doch kam die Unangreifbarkeit der Bundesbank nicht von ungefähr. Letztendliche beruhte sie nicht auf dem Bundesbankgesetz, das vom Bundestag jederzeit hätte geändert werden können. Doch wusste jede Bundesregierung, dass die Unabhängigkeit der Bundesbank in der Bevölkerung großen Rückhalt genoss. Sie anzutasten hätte sich keine Bonner Regierung und kein Bundestag erlauben können.Ist das in den USA anders? Oder besteht die Gefahr, dass es sich ändert? Hier liegt die eigentliche geldpolitische Gefahr einer populistischen Regierung. Gelingt es Trump, den gesamtgesellschaftlichen Konsens darüber, dass (a) Geldpolitik technokratisch organisiert sein sollte und (b) dass die jeweilige Zentralbank eine langfristig vernünftige Geldpolitik betreibt, zu erodieren, ist die Unabhängigkeit der Fed in Gefahr. Der Federal Reserve Act könnte jederzeit vom US-Kongress geändert werden. Die Unabhängigkeit der Fed ist – wie die jeder anderen Zentralbank – nur konditional. Risiko für den DollarDass Trump über Zinsentscheidungen der Fed meckert, ist an sich kein Grund für Besorgnis. Daher haben die Dollar-Wechselkurse auch nicht nennenswert reagiert. Die Dollar-Schwäche der vergangenen Woche dürfte eher das Ergebnis der Aktienmarktschwäche gewesen sein. Besorgniserregend wäre allerdings, wenn seine Tiraden ein Umfeld erzeugen würden, in dem der politische Konsens darüber, dass eine Notenbank unabhängig sein sollte, zerbröselt. Dort sind wir noch lange nicht. Aber Trumps populistische Politik scheint viele bisherige Selbstverständlichkeiten infrage zu stellen. Darin liegt die potenzielle Gefahr für die Fed-Unabhängigkeit und damit für den Dollar. Denn eines ist klar: ein Rückfall in den Zustand einer politisierten Fed – wie in den 1970er Jahren – würde nicht nur höhere US-Inflation, sondern auch einen schwächeren Dollar implizieren.—-*) Ulrich Leuchtmann ist Leiter des Devisen-Research der Commerzbank.