KREDITWÜRDIG

Reformen stützen Mexiko und Türkei

Von Mauro Toldo*) Börsen-Zeitung, 23.5.2013 Die Türkei und Mexiko haben in den vergangenen Wochen die Früchte ihrer Reformen geerntet. Sie haben von den Ratingagenturen eine verbesserte Bonitätseinstufung erhalten. Die Türkei wurde am 16. Mai von...

Reformen stützen Mexiko und Türkei

Von Mauro Toldo*)Die Türkei und Mexiko haben in den vergangenen Wochen die Früchte ihrer Reformen geerntet. Sie haben von den Ratingagenturen eine verbesserte Bonitätseinstufung erhalten. Die Türkei wurde am 16. Mai von Moody’s auf “Baa3” heraufgestuft. Nach fast zwanzig Jahren im Junk-Bereich hat das Land am Bosporus von dieser Ratingagentur wieder das Prädikat “Investment Grade” erhalten.Bereits im vergangenen November hatte Fitch den großen Schritt über diese Schwelle gewagt und das Land auf “BBB – ” heraufgestuft. Standard & Poor’s, die als letzte Ratingagentur im Junk-Bereich verharrt, hatte die Türkei Ende März immerhin auf “BB+” heraufgestuft. Mexiko ist am 8. Mai von Fitch auf “BBB+” heraufgestuft worden. Zudem erhielt Mexiko Mitte März noch einen positiven Ratingausblick durch Standard & Poor’s.Wichtig waren die Schritte der Ratingagenturen in zweierlei Hinsicht: Erstens sind diese zwei Länder Schwergewichte des von J.P. Morgan berechneten EMBIG- Index für Emerging-Markets-Anleihen in harter Währung. Zusammen stellen sie ein Fünftel des Index dar. Eine Heraufstufung macht sich damit im gesamten Universum der Emerging-Markets-Anleihen bemerkbar.Zweitens war der positive Trend der Kreditwürdigkeit in beiden Länder aus verschiedenen Gründen in Frage gestellt worden. Doch die Entschlossenheit der Ratingagenturen lässt nun wenig Platz für Zweifel am positiven Bonitätstrend dieser Länder und insgesamt am Trend der gesamten Asset-Klasse. Dies ist aktuell sehr wichtig, um dem Markt neue Impulse zu verleihen, denn der Rating-Trend anderer Schwergewichte ist seitwärts gerichtet. Im Falle Russlands und Venezuelas sehen wir sogar eher das Risiko, dass der Trend nach unten dreht. Brasilien kämpft weiterAuch Brasilien, das frühere “Rating-Wunderkind”, hat mit vielen Problemen zu kämpfen, sodass noch unklar ist, wann es wieder zurück zu nachhaltigem Wachstum finden wird. Mexiko und die Türkei haben diesen Ländern gezeigt, wie der Pfad für eine weitere Bonitätsverbesserung aussieht.Es ist nicht lange her, dass Mexiko von den Finanzmarktanalysten abgeschrieben wurde. Das Land war unfähig, Reformen durchzusetzen. Die Regierung vom damaligen Präsidenten Felipe Calderón verfügte über keine Mehrheit im Parlament. Jegliche Reformvorhaben wurden von der Opposition im Parlament regelrecht blockiert. Die Sicherheitslage hatte sich durch die Drogenkartelle dramatisch verschlechtert. Die Ölproduktion ging kontinuierlich zurück. Die globale Finanzkrise hatte die Lage noch weiter verschlimmert. Alle diese Faktoren führten im Jahre 2009 da-zu, dass zwei Ratingagenturen – Fitch und Standard & Poor’s – die Bonitätseinstufung des krisengebeutelten Mexiko jeweils um eine Stufe senkten.Das Land, das zwölf Jahre zuvor das Ende der siebzigjährigen Hegemonie der “Partei der Institutionalisierten Revolution” (PRI) feierte, sehnte sich nun nach der Rückkehr dieser Partei an die Macht. Ironischerweise versprach diese Partei ein Ende des Reformstillstands, nachdem sie ihn mit ihrer Blockade-Politik selbst zu verantworten hatte. Der Kandidat der PRI und heutige Präsident Mexikos, Enrique Peûa Nieto, hatte eine Erneuerung des Landes versprochen und diese bisher auch geliefert. Obwohl er noch kein halbes Jahr im Amt ist, hat Peûa Nieto mehr Reformen durchgesetzt als Felipe Calderón in seiner gesamten Amtszeit.Dies ist auf vor allem dem “Pakt für Mexiko” zu verdanken: Eine Absichtserklärung der drei größten Parteien für die Wiederaufnahme der Reformen, die Peûa Nieto eingefädelt hatte. Wichtige Erfolge des Paktes sind bisher die Arbeitsmarktreform, um die starren Bedingungen am Arbeitsmarkt zu lockern, die Bildungsreform, um die Qualität des mangelhaften Bildungssektors zu erhöhen, und die Überarbeitung des Kartellrechts, um mehr Wettbewerb im Telekommunikationssektor und Medien zu ermöglichen. Reform des FinanzsektorsZudem wurde jüngst eine Reform des Finanzsektors durchgeführt. Diese hatte das Ziel, mehr Wettbewerb im Bankensektor zu erreichen. Im zweiten Halbjahr stehen die wichtigsten Reformen an. Eine breite Steuerreform, mit einer Vereinfachung des Steuersystems sowie eine Überprüfung der Steuerschlupflöcher und Steuerbegünstigungen. Am wichtigsten ist die Reform des Energiesektors, die eine Öffnung für private und ausländische Investoren in Aussicht stellt. Diese Reform könnte den Ausblick für ausländische Direktinvestitionen deutlich aufhellen.Der junge Präsident scheint unermüdlich in der Durchführung von Reformen. Bisher ist sein Reformeifer nicht an den “Dinosauriern” der Partei gescheitert. Auch Unstimmigkeiten mit der Opposition konnten aus dem Weg geräumt werden, die ansonsten das Scheitern des Paktes zur Folge hätten haben können. Die anstehenden Reformen werden allerdings etwas mehr Energie kosten als die bisherigen Maßnahmen. Wir rechnen mit einer Fortsetzung des Reformpfades in den kommenden Monaten, die den neugewonnenen Ratingtrend untermauern werden.Die Reformbewegung der Türkei hat sich – im Gegensatz zu Mexiko – zuletzt etwas verlangsamt. Allerdings erntet das Land noch die Früchte der Reformen der Vergangenheit. Vor allem hinsichtlich der makroökonomischen Stabilität hat die Türkei deutliche Fortschritte gemacht. Das Land hat große Erfolge beim Schuldenabbau erzielt. Die öffentliche Verschuldung, die noch im Jahre 2001 fast 75% des Bruttoinlandsprodukts betrug, ist kontinuierlich auf zuletzt 35% zurückgegangen. Die größere fiskalische Stabilität hat sich auch auf die Inflationsentwicklung positiv ausgewirkt. Die hohen Inflationsraten gehören nun der Vergangenheit an.Ein großes Manko bleibt allerdings der hohe externe Finanzierungsbedarf, was besonders während der globalen Finanzkrise zum Ausdruck kam: Die Türkei ist aufgrund des hohen Leistungsbilanzdefizits auf externes Kapital angewiesen, und dieses Kapital war zu dieser Zeit Mangelware. Die Regierung von Premierminister Erdogan hat bereits erste Schritte unternommen, um die Sparquote zu erhöhen und die Energieimporte zu reduzieren – zwei ausschlaggebenden Faktoren für den hohen externen Finanzierungsbedarf. Allerdings werden diese Reformen sehr viel Zeit brauchen, um zu wirken.Trotzdem muss man feststellen, dass die Türkei nicht mehr so anfällig für Krisen ist wie in der Vergangenheit, was eine Fortsetzung des positiven Bonitätstrends, zum Beispiel durch eine Heraufstufung durch Standard & Poor’s, rechtfertigen würde. Für eine weitere Bonitätsverbesserung jenseits der Schwelle zum Investment Grade ist es allerdings unserer Einschätzung nach zu früh. Vor allem weil sich die Prioritäten der Regierung zuletzt geändert haben. Premierminister Erdogan hatte auf die wirtschaftliche Abschwächung mit verschiedenen Maßnahmen reagiert, ohne dabei besonders auf die Zusammensetzung des Wachstums zu achten.—-*) Mauro Toldo ist Leiter Emerging Markets/Länderrisikoanalyse im Makro Research der DekaBank.