KREDITWÜRDIG

Rekordjahr für Corporate Green Bonds

Von Christine Bredehöft und Torsten Hähn *) Börsen-Zeitung, 10.10.2019 Die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit dominieren aktuell die öffentliche Debatte und strahlen auch auf den Kapitalmarkt aus. Zunehmend präsent sind hier die Formel ESG...

Rekordjahr für Corporate Green Bonds

Von Christine Bredehöft und Torsten Hähn *)Die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit dominieren aktuell die öffentliche Debatte und strahlen auch auf den Kapitalmarkt aus. Zunehmend präsent sind hier die Formel ESG (Environmental, Social, Governance) und Begriffe wie grüne bzw. soziale oder nachhaltige Anleihen. ESG und Green Bonds sind Teil einer neueren und zunehmend populäreren Sichtweise auf den Finanzmarkt, welche eine höhere Verantwortung des Kapitalmarktes für umweltbezogene und gesellschaftliche Themen erkennt.Mit Blick auf die “Beziehung” zwischen ESG als umfassendem Rahmen für Nachhaltigkeit und Green Bonds als einem Instrument, um Mittel für nachhaltige Zwecke zu generieren, ist das Spektrum an Betrachtungsweisen vielfältig. Eine Darstellung aus der Anlegerperspektive führt zu der Differenzierung zwischen ESG als einer weiteren Komponente zur Beurteilung von Emittenten und von Green Bonds als einer Investitionsalternative. ESG blickt also auf Konzepte, Aktivitäten – aber auch Problempunkte – von Wertpapieremittenten im Hinblick auf Ökologie, gesellschaftliches Handeln und Unternehmensführung im weiteren Sinne. Beispielhaft genannt seien Fragen nach einer Umwelt- und Klimastrategie, nach dem Beitrag zu den nachhaltigen Entwicklungszielen der UN, nach der Beachtung sozialer Aspekte bei der Lieferantenauswahl oder nach Erfahrungshintergrund, Zusammensetzung und Unabhängigkeit des kontrollierenden Aufsichtsgremiums. Viele Faktoren berücksichtigtDementsprechend berücksichtigt ein ESG-Ansatz viele Faktoren, die jenseits der klassischen Indikatoren und Kennzahlen liegen. Dieser Ansatz gewinnt an Relevanz und wird mit der These verknüpft, dass Unternehmen von einer stärkeren Ausrichtung nach ESG-Kriterien auch wirtschaftlich profitieren, sprich eine höhere Kreditwürdigkeit im herkömmlichen Sinne aufweisen. So liegt es auf der Hand, dass falsch gesetzte Anreizstrukturen eher Fehlentscheidungen begünstigen oder dass das schlechte Management von Umwelt- und Produktrisiken die Reputation schädigen und Kompensationszahlungen auslösen kann.Wann Bonds tatsächlich grün sind, ist eine Kernfrage in diesem Marktsegment. Auf der einen Seite soll kein beengendes Korsett für Emittenten und Anleger geschnürt werden. Auf der anderen Seite sollen Anleihen, die vor allem auf dem Etikett – und weniger in der Realität – grün sind (sogenanntes Greenwashing) verhindert werden. Der Schlüssel zur Beantwortung der Frage liegt in erster Linie darin, wie die mit der Anleihe aufgenommenen Mittel verwendet werden. Green Bonds dienen der Finanzierung oder Refinanzierung von neuen bzw. schon existierenden Projekten im Bereich Umwelt- und Klimaschutz. Anleihen, deren Mittelaufnahme sozialen Zwecken dient, werden als Social Bonds bezeichnet. Für Anleihen, die eine Mischung aus ökologischen und sozialen Projekten finanzieren, ist regelmäßig die Bezeichnung Sustainability Bond zu lesen.Bei der Festlegung, welches beispielsweise geeignete ökologische Projekte sind, wird sich eine gewisse definitorische Breite kaum vermeiden lassen. Dennoch sind Standardisierungsansätze erforderlich, um über Vereinheitlichung und Transparenz die Glaubwürdigkeit und Expansion des Green-Bond-Marktes zu fördern. Bereits etabliert am Markt sind hier die Green Bond Principles der International Capital Market Association (ICMA). Mit hohen Ambitionen versehen ist der im Wortlaut strikter erscheinende EU Green-Bond-Standard, der bislang aber lediglich einen Vorschlag der eingesetzten technischen Expertengruppe für nachhaltige Finanzierung an die EU-Kommission darstellt. Beide Standards legen unter anderem fest, was unter geeigneten grünen Projekten zu verstehen ist. Dabei geht der vorgeschlagene EU-Standard über den Umweg der ebenfalls von der Expertenkommission entworfenen EU-Taxonomie. Die Erlöse aus Green-Bond-Emissionen müssen beispielsweise der Finanzierung von Maßnahmen zur Abschwächung des Klimawandels, zur Anpassung an den Klimawandel, zum nachhaltigen Wassermanagement oder zum Schutz von Ökosystemen dienen. Starke BewegungDer Markt für in Euro denominierte nachhaltige Corporate Bonds war 2019 stark in Bewegung. Mit einem Volumen von 21,4 Mrd. Euro wurde in diesem Jahr ein neuer Rekordwert aufgestellt (nach Daten von Dealogic per 30.9.2019). Nachhaltige Anleihen bilden mit rund 6,5 % aller begebenen Unternehmensbonds zwar nach wie vor nur eine – wenngleich wachsende – Nische, doch wurde der bisherige Topwert von 17,3 Mrd. Euro aus 2017 im laufenden Jahr bereits nach drei Quartalen übertroffen. Mit knapp 96 % stellen die Green Bonds zur Finanzierung von ökologischen Projekten dabei fast den kompletten Anteil aller Nachhaltigkeitsanleihen. Analog zu “klassischen” Unternehmensanleihen richtet sich die Sicherheit eines Green Bonds nach der Solidität des Unternehmens. Der Blick auf die vergebenen Ratings ist daher auch hier relevant. Mit einem Anteil von über 80 % stammt der mit Abstand größte Block der Emissionen dabei von Unternehmen aus dem Investment-Grade-Segment. Emittenten aus dem spekulativen Rating-Bereich oder ganz ohne Rating sind nur selten in diesem Markt präsent.Der Großteil der in Euro begebenen nachhaltigen Anleihen stammt von Unternehmen aus der Eurozone. Der Anteil liegt hier seit Jahresbeginn bei rund 88 %, während im gesamten Euro-Corporate Bondmarkt knapp 42 % des Volumens von Unternehmen mit Sitz außerhalb der Eurozone stammt. Italienische Konzerne führen das Ranking 2019 bislang an, gefolgt von französischen, deutschen und niederländischen Emittenten. Versorger stellen den mit Abstand größten Sektor bei den ESG-Bonds dar. Hier werden die Bonds zum Beispiel für die Finanzierung des Ausbaus von erneuerbaren Energien genutzt. Bis Ende September wurden von Versorgern bereits 13,8 Mrd. Euro an ESG-Bonds platziert. Mit großem Abstand folgen auf Platz zwei und drei der wichtigsten Emittentenbranchen im laufenden Jahr die Transport- und Telekommunikationsunternehmen mit aktuell 2,9 Mrd. Euro bzw. 1,8 Mrd. Euro Emissionsvolumen. Grüne Hybride im BlickMit Blick auf die Versorger fällt die Besonderheit auf, dass die Kombination aus “Nachhaltig” und “Nachrangig” recht populär ist. Gleich vier Energiekonzerne begaben in diesem Jahr grüne Hybridanleihen im Volumen von insgesamt 3,8 Mrd. Euro. Generell ist es so, dass zumindest 2019 der Anteil an Nachranganleihen unter den emittierten nachhaltigen Bonds höher ausfällt als im Corporate-Gesamtmarkt. Mit dem Rekordjahr 2019 beschreiten grüne Unternehmensanleihen weiter den Weg zu einer gewichtigeren Rolle am Corporate-Bond-Markt. Angesichts der immer präsenter werdenden Klima- und Umweltschutzfragen dürfte dieser Trend auch künftig Bestand haben. *) Christine Bredehöft und Torsten Hähn sind als Analysten bei der DZ Bank tätig.