TECHNISCHE ANALYSE

Relative Stärke in der Coronakrise

Von Petra von Kerssenbrock *) Börsen-Zeitung, 22.7.2020 Das Börsenjahr 2020 ist durch die Coronakrise geprägt. An den weltweiten Aktienmärkten werden die Länder- und die Sektorenindizes in ausgeprägter Form und sehr zeitnah in "Krisengewinner" und...

Relative Stärke in der Coronakrise

Von Petra von Kerssenbrock *) Das Börsenjahr 2020 ist durch die Coronakrise geprägt. An den weltweiten Aktienmärkten werden die Länder- und die Sektorenindizes in ausgeprägter Form und sehr zeitnah in “Krisengewinner” und “-verlierer” unterteilt. Diese Entwicklung lässt sich in der technischen Analyse mittels der “Relativen Stärke/Relativen Schwäche” herausarbeiten, wobei eine – seit der Finanzkrise 2008/2009 nicht mehr zu beobachtende – Konturschärfe auftritt. Für mittelfristige technisch motivierte Investments sollte es nicht überraschen, wenn die “Gewinner-Sektoren” in den “Gewinner-Ländern” ganz oben auf der technischen Kaufliste stehen. Neben dem amerikanischen technologielastigen Nasdaq Composite oder dem Schweizer SMI, der für seinen technisch defensiven Charakter bekannt ist, fallen auch zwei skandinavische Aktienindizes, der dänische OMXC 20 mit seinem Healthcare- und Medizintechnik-Schwerpunkt und der schwedische OMX (mit dem Corona-Sonderweg) positiv auf. Demgegenüber zeigen sowohl der finnische HEX, aber insbesondere der rohstofflastige norwegische OBX eine relative Schwäche im internationalen Index-Vergleich. Technische NeubewertungDer dänische OMX Copenhagen 20 (OMXC 20) ist ein Kursindex, der am 3. Juli 1989 als KFX (Kobenhavns Fondsbors Index) mit einem Basiswert von 100 gestartet war. Er enthält die 20 größten und liquidesten in Kopenhagen gelisteten Titel. Seit dem Oktober 1992 (Start bei ca. 71,0) befindet sich dieser Index in einer intakten Hausse-Bewegung, wobei sich ein idealtypisches Wechselspiel von Aufwärtsbewegungen und trendbestätigenden Konsolidierungen ergab. Im März 2009 startete der OMXC 20 den aktuellen Haussezyklus bei ca. 210,0. Von September 2011 an (Start: 329,0) ergab sich ein Hausse-Trend, der den Index Anfang 2013 über die alten All-Time Highs um 500 und Ende 2015 bis auf Kurse um 1 045 führte.Hier legte die technische Neubewertung eine Pause ein und der Index ging in eine Seitwärtspendelbewegung über. Hierbei bildete sich ein fünfjähriges Aufwärtsdreieck unterhalb der waagerechten, gestaffelten Resistance-Zone 1 045 bis 1 062 heraus. Anfang 2020 war der OMXC 20 mit einem Investment-Kaufsignal angesprungen und dann aber im Rahmen der Corona-Baisse bis auf den Aufwärtstrend des Aufwärtsdreiecks zurückgefallen, die der Index jedoch bestätigen konnte. Mit dem anschließenden Umschlagen führte ein “V”-Recovery den Index nicht nur erneut über die fünfjährige, gestaffelte Resistance-Zone, sondern bereits wieder auf neue All-Time Highs. Damit sollten sich die langfristige Hausse-Bewegung und die technische Neubewertung fortsetzen, wobei sich als technisches Etappenziel ein Niveau um 1 400 andeutet.Der schwedische OMX ist ein nach Marktkapitalisierung gewichteter Kursindex, der die 30 meistgehandelten Aktien der Stockholmer Börse umfasst. Eingeführt wurde er am 30.9.1986 bei 500, wobei der Basiswert mit dem 4:1-Split im April 1998 auf 125,0 festgelegt wurde. Der OMX startete seine langfristige Hausse-Bewegung im November 1987 um 97,0. Nachdem der Index im März 2000 – im Rahmen der TMT-Hausse – seine damaligen All-Time Highs um 1 548 erreicht hatte, war diese Marke lange Jahre eine massive Resistance für den OMX. Diese wurde erst Anfang 2015 überboten, als ein Hausse-Trend (Start: März 2009 um 557,0) den Index auf 1 720 führte.Anschließend ging der OMX in eine Konsolidierung in Form eines knapp fünfjährigen Aufwärtsdreiecks unterhalb der gestaffelten Resistance von 1 685 bis 1 720 über. Zum Jahreswechsel 2019/2020 sprang der OMX bereits mit einem Investment-Kaufsignal an und erreichte im Februar 2020 neue All-Time Highs um 1 906. Die Corona-Baisse drückte den Index zwar kurzfristig unter den Aufwärtstrend des langfristigen Dreiecks bis auf 1 260. Jedoch gelang es dem Index mit dem “V-Recovery” auch wieder über die gestaffelte Resistance 1 682 bis 1 720 zu steigen. Damit deutet sich für 2020 ein erneuter Test der Resistance an All-Time Highs um 1 900 an.Der norwegische OBX (Oslo Bors Index), der die 25 meistgehandelten Aktien der Osloer Börse enthält, startete am 1. Januar 1987. Der Basiswert wurde am 21. April 2006 auf 50 umgerechnet, als der OBX auf eine Performanceindex-Berechnung umgestellt wurde. Aufgrund der Index-Zusammensetzung (hohe Rohstofflastigkeit) weist der OBX im skandinavischen Vergleich ein technisches Eigenleben auf. Der Index startete 2003 seine langfristige Hausse-Bewegung um 83. Ab 2010 (Start um 300) ergab sich ein Hausse-Trend, der den Index im September 2018 auf die aktuellen All-Time Highs um 882 (neuer Resistance) führte. Seither befand sich der OBX in einer mittelfristigen Konsolidierung in Form eines moderaten Dreiecks.Im Rahmen der Corona-Baisse und angesichts des zeitweiligen Rutsches der (US-)Öl-Futures in negatives Territorium fiel der OBX mit einem Verkaufssignal aus diesem Dreieck bis auf Kurse um 552,0. Zwar konnte auch dieser Index in ein “V-Recovery” umschlagen, das den Index aber nur von unten bis an die 200-Tage-Linie geführt hat. Aufgrund dieser technischen Lage deutet sich eine Fortsetzung der relativen Schwäche im skandinavischen und internationalen Aktienindex-Vergleich an. *) Petra von Kerssenbrock ist bei der Commerzbank im Bereich Technische Analyse & Index Research tätig.