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Rendite-Kick durch Hybridanleihen

Von Marco Ryll *) Börsen-Zeitung, 24.1.2013 Gleich zum Jahresstart haben die französischen Versorger Veolia Environnement und EdF Hybridanleihen mit attraktiven Kupons von 4,25 bis 5,375 % emittiert. Auch der österreichische Konzern Telekom Austria...

Rendite-Kick durch Hybridanleihen

Von Marco Ryll *)Gleich zum Jahresstart haben die französischen Versorger Veolia Environnement und EdF Hybridanleihen mit attraktiven Kupons von 4,25 bis 5,375 % emittiert. Auch der österreichische Konzern Telekom Austria kündigte eine Hybridemission an. Was steckt hinter dieser Assetklasse, welche bei bonitätsstarken Emittenten noch derart hohe Renditen verspricht?Bei Hybridanleihen handelt es sich um einen Sammelbegriff für mezzanine Finanzinstrumente, denen aus wirtschaftlicher und rechtlicher Sicht eine Zwitterstellung zwischen klassischem Eigen- und Fremdkapital zukommt. Ihrer im Vergleich zu Senior-Anleihen höheren Rendite stehen einige spezifische Risiken gegenüber. Ihr zentrales Wesensmerkmal ist, dass die steuerliche Behandlung Fremdkapital gleicht. Aus bilanzieller Sicht allerdings können Hybridanleihen – zumindest teilweise – als Eigenkapital angesehen werden. Die Höhe der Anrechnung zum Eigenkapital seitens der Ratingagenturen, bei bankinternen Ratingverfahren und auch nach IFRS hängt von der jeweiligen Ausgestaltung der Anleihebedingungen ab. Inwieweit Hybrid-Bonds eher dem Fremd- oder dem Eigenkapital zuzurechnen sind, wird von den Wertpapiereigenschaften bezüglich Kuponverschiebungen, Kündigungsmöglichkeiten und Nachrangigkeit im Insolvenzfall bestimmt. Im Ermessen des EmittentenHybridanleihen verfügen wie klassische Unternehmensanleihen anfänglich über eine feste Verzinsung, die im jährlichen Turnus bezahlt wird. Diese wandelt sich nach Ablauf der Festzinsphase (i. d. R. nach fünf bis zehn Jahren) häufig in eine variable Verzinsung, sofern der Emittent von seinem Kündigungsrecht nicht Gebrauch macht. Für das Ziel des Emittenten, eine möglichst hohe Anrechnung auf das wirtschaftliche Eigenkapital zu erreichen, ist es erforderlich, die Zinszahlung in das Ermessen des Emittenten zu stellen. Fast alle Hybrid-Bonds verfügen deshalb über optionale oder regelbasierte Kuponverschiebungsrechte des Emittenten. Dies bedeutet, dass sie zu einem späteren Zinstermin nachgeholt werden; teilweise entfallen die Kupons aber auch ganz.Um sich der Eigenkapitaleigenschaft der unbefristeten Kapitalüberlassung anzunähern, sind Hybridanleihen zusätzlich mit einer unendlichen Laufzeit (perpetual) oder sehr langen Laufzeit ausgestattet (i. d. R. mindestens 30 Jahre). Kombiniert wird die endlose oder sehr lange Laufzeit jedoch mit einem Emittentenkündigungsrecht (Call Option) nach zumeist fünf bis zehn Jahren, um dem Investoreninteresse an einer begrenzten Laufzeit entgegenzukommen. Damit das Unternehmen einen ökonomischen Anreiz zur Rückzahlung bereits zum ersten Call-Zeitpunkt hat, erhöht sich der Zinsaufschlag (Spread) häufig nach dem ersten oder zweiten Call-Termin.Hybrid-Bonds stehen als mezzanines Kapital bei einer Insolvenz oder Restrukturierung regelmäßig im Nachrang zu allen weiteren Verbindlichkeiten des Unternehmens und gehen nur dem Eigenkapital in der Rangfolge vor. Bei der Insolvenz von Thomson und Pfleiderer hatten die Hybridinvestoren deshalb sehr hohe Verluste zu beklagen. Ein Bilanzverlust hat hingegen noch keine Auswirkung. Zum Rückzahlungstermin bzw. dem Tag, zu dem die Anleihe gekündigt wurde, bekommt der Investor den eingezahlten Betrag zurück (soweit der Emittent nicht zahlungsunfähig ist).Die strukturellen Risiken der Corporate Hybride (Nachrangigkeit, Möglichkeit der Kuponverschiebung, unsichere Laufzeit) manifestieren sich in der Regel erst bei finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens. Deshalb ist der Wert der Papiere im besonderen Maße von der Einschätzung der Bonität des einzelnen Emittenten sowie vom allgemeinen Level der Risikoprämien abhängig. Die Anlageklasse wird normalerweise zu den riskanteren Investitionsalternativen gerechnet. Aus diesem Grund konnte sie im Sommer 2012 während der erneuten Eskalation der Sovereignkrise nicht von der Suche nach Sicherheit profitieren, obwohl lediglich ein Hybrid-Emittent seinen Sitz in einem Peripherieland hat. Im historischen Vergleich wiesen sie vor der Draghi-Rede Ende Juli noch einen relativ hohen Risikoaufschlag auf. Nach der Aussage des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, alles für den Erhalt der Eurozone zu tun, profitierten sie jedoch überproportional von der einsetzenden Rally. Der Median-Spread (über laufzeitäquivalente Staatsanleihen) der von uns beobachteten Hybride engte sich von über 600 Basispunkten auf ca. 350 Basispunkte ein. Positive StimmungAuch auf den Primärmarkt wirkte sich die positive Stimmung aus. Im Jahr 2012 emittierten im Euroraum einige Unternehmen aus dem Versorgersektor. Auch Anfang diesen Jahres liegen mit Veolia Environnement (ein Papier über 1 Mrd. Euro) und EdF (zwei Euro-Papiere mit unterschiedlichen Laufzeiten über jeweils 1,25 Mrd. Euro) die Versorger vorn. Weitere Neuemissionen in der Assetklasse sind im derzeitigen Umfeld zu erwarten. Insbesondere bei einem Anspringen des M & A-Marktes oder umfangreichen Projektinvestitionen könnten Corporate Hybride eine Renaissance erleben, da sie häufig zur Finanzierung derartiger Transaktionen genutzt werden.Im Vergleich zu Senioranleihen von Investment-Grade-Unternehmen bieten die Bonds eine Zusatzrendite für das strukturelle Risiko, welche wir im historischen Vergleich noch als angemessen erachten. Zum Erreichen ähnlicher Renditen besteht für den Anleger auch die Möglichkeit, in Papiere von High-Yield-Unternehmen zu investieren. Unseres Erachtens ist der Spread-Pick-up bei Hybrid-Kapital von guten Unternehmen in stabilen Sektoren die attraktivere Alternative. Auch gegenüber einem Investment in Aktien zeigt eine Gegenüberstellung der Kupons und Dividenden, dass Hybride meist höher rentieren. In einer Rückwärtsbetrachtung schnitten die von uns beobachteten Anleihen im Schnitt ebenfalls leicht besser ab als die Aktien der Emittenten. Bayer und Henkel im BlickBei der Gesamtbetrachtung der Assetklasse sollte berücksichtigt werden, dass lediglich ein Emittent seinen Sitz in einem Peripherieland hat. Eine direkte Abhängigkeit zur Staatsschuldenkrise, wie sie bei Hybridanleihen von Finanzinstituten stärker zu beobachten ist, besteht somit kaum. Auswirkungen der europäischen Konjunktur auf die Risikosituation der einzelnen Unternehmen bzw. deren Wertpapiere können jedoch nicht ausgeschlossen werden. Aus dem Chemiesektor empfehlen wir derzeit insbesondere die Papiere von Bayer, Henkel und Linde; aus dem Industriesektor den Titel von Siemens. Aufgrund der geringen Restlaufzeit bis zum ersten möglichen Kündigungstermin liegt die erwartete Rendite jedoch unter 3 %. Bei den von uns empfohlenen Versorger-Hybriden von Dong (mit Call 2021), EdF (mit Call 2025), RWE, Suez Environnement und Veolia Environnement liegt dieser Wert teilweise deutlich höher.—-*) Marco Ryll ist Senior Credit Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg.