IM INTERVIEW: HOLGER MERTENS, NIKKO ASSET MANAGEMENT

"Renditevorsprung verflüchtigt"

Der Head Portfolio Manager Credit über chinesische Anleihen und deren Aufnahme in Benchmarks

"Renditevorsprung verflüchtigt"

– Herr Mertens, chinesische Staatsanleihen sollen 2019 in den Bloomberg Barclays Global Aggregate Bond Index aufgenommen werden. Was ist Ihre Einschätzung dazu?China hat etwa den drittgrößten Anleihemarkt der Welt. Nach den Überlegungen von Bloomberg müssen für die Aufnahme in den Index drei Bedingungen erfüllt sein: ein Investment-Grade-Rating, die freie Handelbarkeit und Absicherungsmöglichkeit der Währung sowie ein Wegfall von Kapitalkontrollen.- Ist die freie Handelbarkeit im chinesischen Interbankenmarkt also gegeben?Ja, es gibt seit der weiteren Finanzmarktliberalisierung von 2016 und 2017 keine Anlagequoten im Onshore-Anleihenmarkt mehr. Bloomberg geht daher davon aus, dass die Voraussetzungen erfüllt sind. Früher konnten Bonds ohne eine Internationale Wertpapierkennnummer (ISIN) nicht abgewickelt werden. Solche operativen Hürden sind nun durch den Bond Connect überwunden. Der Abwicklungsmechanismus beruht jetzt auf der Zug-um-Zug-Lieferung, also Delivery versus Payment, was im Sommer durch den Bond Connect zwischen Festlandchina und Hongkong möglich wurde. Das Feedback von den Indexfondsanbietern hat hier sicher auch eine Rolle gespielt. Die ETF-Anbieter sind wichtig, damit es eine Akzeptanz dafür gibt. Steuerliche Aspekte sind noch hinzugekommen, die nun geklärt sein dürften, sowie die Möglichkeit, dass Blockhandel möglich ist, also der Handel großer Stückzahlen für verschiedene Portfolios.- Wie läuft das Aufnahmeprozedere konkret ab?Ab April 2019 sollen chinesische Onshore-Staatsanleihen und Policy-Anleihen mit 27,5 Basispunkten Indexgewicht pro Monat in den Global Aggregate Index aufgenommen werden. Ist das Projekt abgeschlossen, soll der Anteil der Renminbi-Anleihen rund 5,5 % betragen. Dies geht vor allem zulasten des Dollars. Policy-Banken sind die drei chinesischen Banken mit staatlichem Förderauftrag, also die Agricultural Development Bank of China, die China Development Bank und die Export-Import Bank of China. Im chinesischen Onshore-Bondmarkt ist der Anteil ausländischer Investoren seit 2016 bereits von 2 % auf 8 % gestiegen. Wir vermuten, dass dies auf Positionierungen vor der Indexentscheidung zurückzuführen ist. Goldman Sachs schätzt, dass rund 250 Mrd. Dollar an Anlagegeldern aufgrund der Indexaufnahme in den chinesischen Anleihemarkt fließen dürften. Es könnte weitere technische Zuflüsse geben, denn J.P. Morgan erwägt auch einen Einbezug von chinesischen Anleihen in die Indizes, ebenso FTSE Russell.- Wie sieht die Korrelation des chinesischen Anleihemarktes mit anderen Anleihemärkten aus?Generell ist die Korrelation schwach. In diesem Jahr war es eine gegenläufige Bewegung. Es ist eine Region, die unter den G7-Staaten immer noch das höchste Wachstum aufweist und zudem ein höheres Zinsniveau als entwickelte Märkte hat. Inzwischen hat sich der Renditevorsprung gegenüber US-Staatsanleihen weitgehend verflüchtigt. In China sind die Renditen gefallen, in den Industrieländern gestiegen. Umgekehrt hat sich die chinesische Währung etwas abgeschwächt. Wir glauben, dass es weiterhin eine negative Korrelation geben wird. Der Druck der USA auf die chinesische Wirtschaft wird anhalten, was zu einer Wachstumsverlangsamung in China und damit zu weitersinkenden Zinsen führen dürfte. In den USA dürfte die Notenbank für die nächsten zwölf Monate die Zinsen dagegen eher anheben.- Was heißt das für Ihre Strategie?Wir sind positiv für Rates und mögen eine längere Duration. Auf der Währungsseite sind wir neutral positioniert. Es gibt zwar Druck, aber der Wechselkurs wird aktiv von der chinesischen Zentralbank gemanagt. Ich glaube, dass China langfristig keinen kompetitiven Vorteil aus dem Wechselkursmanagement ziehen will. Wichtiger sind der Umbau der Wirtschaft zu einer weniger exportorientierten und stärker dienstleistungsorientierten Wirtschaft und der Abbau der Verschuldung. Dass der Handelskrieg dazukommt, ist eher unglücklich. Es kann sein, dass sich Chinas Schwerpunkt in Geschäftsbeziehungen nach Europa verschiebt, da die USA als weniger verlässlicher Partner erscheinen.- Worauf konzentriert sich Ihr Portfolio im Global Credit Fonds, der rund 20 Mill. Dollar umfasst?Wir haben einen höheren asiatischen Credit-Anteil als Wettbewerber. Es macht wirtschaftlich Sinn, einen hohen Anteil Asien zu haben, da dort 80 % des Wachstums herkommt. Zudem wollen wir nicht entlang des Index investieren, in dem das Gewicht von Ländern mit vielen Schulden besonders groß ist, also etwa der USA. Generell haben asiatische Credits eine im Durchschnitt zwei Jahre kürzere Duration als der US-Markt für eine gleiche Rendite.- Wie sind Sie positioniert?In diesem Jahr sind wir eher defensiver unterwegs, weil wir asienweit ein hohes Anleiheangebot im Investmentgrade-Bereich erwartet haben. Für den asiatischen Markt war es sicher kein gutes Jahr. Unser Schwerpunkt liegt im Hartwährungsbereich. Also in Yen, Euro, Dollar, kanadischer Dollar und australischer Dollar. Im Hongkong-Dollar sind wir nicht investiert. Wir mögen US-Dollar-Anleihen im Real-Estate-Sektor. Konsumtitel spielen sicher auch eine Rolle, die Rohstoffentwicklung ist etwas unsicher, aber es gibt rund 3,5 Millionen Millionäre in China. Der Konsum wird sicher wichtiger, auch der Immobiliensektor sollte unterstützt werden. Zusätzlich finden wir staatsnahe chinesische Unternehmen wie State Grid oder Sinopec interessant.- Wie beurteilen Sie die Qualität und Transparenz der Unternehmensberichte?Bezüglich der Unternehmensführungsstandards ist der chinesische Markt anders zu bewerten als der amerikanische oder europäische. Neben der reinen Kreditanalyse spielt auch die Unterstützung durch den Staat eine wesentliche Rolle. Bei den größeren Single-A-gerateten Unternehmen in Staatsbesitz gab es bisher keine Ausfälle. Wir stützen uns auf eigene Analysen in der Kreditbeurteilung, qualitativ und quantitativ, und schauen darauf, welche Analysen die drei großen Agenturen herausgeben.- Welche Rolle spielen Green Bonds? In diesem Markt ist China ja ein wichtiger Emittent.Es wird in den kommenden Jahren interessant sein zu sehen, ob dieser Nachhaltigkeitseffekt wirklich erbracht worden ist. Wir halten uns an KfW und EIB, da wir diesen Emittenten die beste Beurteilungskraft zugestehen, was die Qualität der grünen Anleihen betrifft. Nun gibt es auch noch Social Bonds. Das ist zwar interessant, macht es aber nicht einfacher.—-Das Interview führte Dietegen Müller.