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Ringen um mehr Sicherheit für Clearinghäuser

Von Wolf Brandes, Frankfurt Börsen-Zeitung, 13.8.2020 Gleich auf drei Ebenen wird die Diskussion über eine Regulierung bei CCPs geführt. CCPs steht für Central Counterparties oder zentrale Gegenparteien. Diese auch Clearinghäuser genannten...

Ringen um mehr Sicherheit für Clearinghäuser

Von Wolf Brandes, FrankfurtGleich auf drei Ebenen wird die Diskussion über eine Regulierung bei CCPs geführt. CCPs steht für Central Counterparties oder zentrale Gegenparteien. Diese auch Clearinghäuser genannten Einheiten sind zumeist bei Börsenbetreibern angesiedelt. Als zentrale Netzknoten ist die Sicherheit der CCPs extrem wichtig für das Funktionieren der Finanzmärkte. Weil aber die Regulierung auf europäischer Ebene nicht vorangekommen war, verabschiedete die Bundesregierung im Frühjahr ein Gesetz, das unter anderem die Einrichtung eines Ausfallfonds vorsieht, der von den CCP-Kunden wie Banken finanziert werden soll.Drei Monate nach Inkrafttreten des deutschen Gesetzes einigte sich Ende Juni der Europäische Rat auf Abwicklungs- und Sanierungsregelungen, die jetzt in einer Verordnung umgesetzt werden müssen. Die Clearinghäuser sollen künftig Sanierungspläne ausarbeiten für den Fall, dass es zu einer Schieflage kommt. Ziel: Steuerzahler dürfen nicht mit Umstrukturierung oder Abwicklung belastet werden. Parallel zum europäischen Prozess hatte das Financial Stability Board (FSB) Anfang Mai eine Konsultation zu Leitlinien für die CCP-Abwicklung angesetzt, bei der Marktteilnehmer bis Ende Juli ihre Stellungnahmen abgeben konnten. Das FSB wurde auf Initiative der G20-Staaten gegründet und spricht für das globale Finanzsystem Empfehlungen aus.Stark beachtet wurde die Stellungnahme des Systemic Risk Council (SRC). Dieses in den USA angesiedelte Expertengremium befasst sich mit regulatorischen Fragen und globalen systemischen Risiken. Nach dessen Ansicht ist der vom FSB vorgeschlagene Leitfaden “nicht zweckmäßig”, wie es der SRC-Vorsitzende und ehemalige englische Zentralbanker Paul Tucker formuliert. Den Eigentümern der CCPs, also zumeist den Börsen, fehle es an den Anreizen, um Misserfolge zu verhindern, sagte er. Uneinigkeit um MarginCCPs tragen das Erfüllungsrisiko der jeweiligen Geschäfte und müssen die Ausfallrisiken begrenzen. Um die Folgen des Ausfalls einzelner Teilnehmer des CCPs für die Abwicklung von Transaktionen auffangen zu können, sichern sie sich ab. Gerungen wird darum, wie das derzeitige Vorgehen verbessert werden kann und wer dafür zahlt. Üblich ist eine Einschusszahlung (Initial Margin) eines Clearingmitglieds als Sicherheitsleistung. Dabei stellt sich jedoch die Frage, wie hoch die Margin sein muss, um optimale Sicherheit zu gewährleisten. Für Europa wird vermutet, dass der Wettbewerb durch viele CCPs ist stärker ist als in den USA. “Es kann einen Anreiz geben, über geringere Sicherheitsanforderungen Marktanteile zu gewinnen. Das könnte lange Zeit unbemerkt bleiben”, beschreibt Jan Pieter Krahnen, Professor für Kreditwirtschaft und Finanzierung an der Universität Frankfurt, den Mechanismus.Neben der Frage der Anreize wird in der Diskussion thematisiert, wie aussagekräftig Stresstests sind. Zuletzt hatte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) die Ergebnisse ihres Stresstests veröffentlicht. “CCPs sind das Herzstück des Finanzsystems, und der Ausfall einer CCP hat das Potenzial, ein ernsthaftes systemisches Risiko in der gesamten EU zu verursachen”, sagte Steven Maijoor, Chef der ESMA. Diese Widerstandsfähigkeit sei auch während der Corona-Pandemie unter Beweis gestellt worden. Vonseiten der Wissenschaft kommt dazu eine andere Meinung: “Wir brauchen im Bereich der CCPs integrierte Stresstests, die auch die Interdependenzen erfassen. Was die ESMA im Bereich der CCP-Stresstests derzeit macht, ist daher zu wenig”, so Krahnen. Es könne nicht darum gehen, lediglich die Stabilität einer einzelnen CCP zu bewerten, sondern es gehe um die systemische Abhängigkeit zwischen den CCPs.Die 16 von der ESMA getesteten CCPs, darunter in Deutschland Eurex Clearing und European Commodity Clearing, werden von ihren nationalen Aufsichtsbehörden überwacht. Das sei angemessen, da eine nationale Aufsicht den Markt besser kenne und beispielsweise die BaFin um ein Vielfaches höhere Ressourcen habe als die ESMA, so Marktteilnehmer.Die Gegenposition fordert eine einheitliche Aufsicht über alle CCPs, die auch die Algorithmen zur Berechnung der Höhe notwendiger Sicherheiten überwacht. “Wenn die Aufsicht aber national ist und bleibt, dann besteht die Gefahr einer Nähe zum Überwachten”, argumentiert Krahnen, der auch Mitglied im SRC ist. Verglichen mit dem Aufsichtsthema sei aus seiner Sicht die Diskussion um den Ausfallfonds bei CCPs zweitrangig. CCPs können im Hinblick auf die Regulierung nicht einfach mit Banken verglichen werden. So seien zum Beispiel die Überlegungen für einen Bail-in bei CCPs nicht zielführend. Wer CCPs wie Banken behandeln wolle, “der ist leider auf einem Holzweg”. Mit dem Ruf nach mehr Eigenkapital könne man als Staat oder Aufsicht das systemische Risiko einer CCP nicht kontrollieren.Bei CCPs geht es anders als bei vielen Banken nicht um ein mittelgroßes Marktrisiko. Wenn eine CCP stressbelastet wird, dann stark. Wenn eine CCP zusammenbricht, ist der Schaden groß und eine staatliche Rettung unausweichlich. Was die Systemrelevanz betrifft, gilt bei CCPs noch mehr als bei großen Banken: too big to fail.