Devisenwoche

Risiken ausbalancieren: Der Dollar als Portfolioabsicherung

Die Lage an den globalen Märkten ist von Unsicherheiten geprägt. In den kommenden Monaten und darüber hinaus werden sich viele Anleger auf die Aussichten für den Dollar konzentrieren.

Risiken ausbalancieren: Der Dollar als Portfolioabsicherung

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Risiken ausbalancieren: Der Dollar als Portfolioabsicherung

Von Ian Samson *)

*) Ian Samson ist Portfoliomanager, Fidelity Solutions & Multi Asset.

Mit Blick auf das bevorstehende Jahresende mangelt es derzeit nicht an Unsicherheiten an den weltweiten Märkten, einschließlich der Anlageklassen und Währungen. Die makroökonomischen Rahmenbedingungen scheinen mittelfristig weiterhin schwierig zu sein, während sich die Märkte in diesem Jahr über weite Strecken überraschend widerstandsfähig gezeigt haben – und wenn es um die Positionierung in den wichtigsten Währungen geht, werden sich viele Anleger auf die Aussichten für den Dollar in den kommenden Monaten und darüber hinaus konzentrieren.

Risiken für die Währung

Unserer Meinung nach preist der Dollar die überdurchschnittliche Wirtschaftsleistung Amerikas und das Potenzial einer restriktiven US-Notenbank nun vollständig ein. Dies führt zu Risiken in zweierlei Hinsicht für den Dollar. Dennoch bleibt der Dollar eine der besten Portfolioabsicherungen in einer Zeit, in der selbst Staatsanleihen nur begrenzten Schutz versprechen, und bietet einen positiven Carry. Es gibt also mehrere Gründe, warum Anleger den Dollar in ihrem Portfolio halten sollten.

Die US-Wirtschaft ist trotz des schnellsten Zinserhöhungszyklus der Geschichte bemerkenswert widerstandsfähig geblieben. Obwohl es Fortschritte bei der Senkung der Inflation gibt, liegt sie immer noch weit über den Zielvorgaben der Zentralbanken, und unserer Meinung nach wird sie sich mittelfristig bei über 2% einpendeln. Die Fed hat sich sehr darum bemüht, zu betonen, dass die Zinssätze möglicherweise für einige Zeit hoch bleiben müssen – wir sehen wenig Grund, dieser Ansicht zu widersprechen. Der Spielraum für eine Reihe weiterer Zinserhöhungen ist jedoch sehr gering, auch wenn wir in diesem Jahr noch eine weitere Zinserhöhung sehen könnten.

Die Märkte haben sich auf die Botschaft der Fed, dass die Zinsen länger steigen werden, bereits eingestellt. Die Anleihemärkte haben stark nachgegeben und der Dollar hat im August und September an Wert gewonnen. Dennoch halten wir die Zeit für gekommen, Gewinne mitzunehmen und unsere positive Einschätzung des Dollars aus zwei Gründen auf neutral zurückzustufen. Erstens hat der Dollar im Laufe der vergangenen Monate bereits einen großen Teil der „Higher-for-longer“-Haltung aufgenommen. Obwohl die Fed in diesem Zinserhöhungszyklus möglicherweise noch eine weitere Zinserhöhung vornehmen wird, sind die Aussichten auf eine Reihe zusätzlicher Zinserhöhungen oder eine Überraschung des Marktes durch weitere aggressive Maßnahmen der Fed deutlich gesunken. Der 2-Jahres-Zinssatz in den USA liegt jetzt bei etwa 5,1%, und es besteht eine Grenze, um wie viel höher er steigen könnte. Dies bedeutet, dass sich die Zinsdifferenzen zwischen den USA und anderen großen Volkswirtschaften wahrscheinlich nicht weiter ausweiten werden.

Nicht mehr günstig

Zweitens ist die Positionierung nicht mehr günstig. Die Rally der vergangenen Monate hat die Anleger angezogen, was bedeutet, dass jedes Anzeichen einer zurückhaltenden Haltung der Fed oder einer Schwäche der US-Wirtschaft einen stärkeren Ausverkauf auslösen könnte.

Unserer Meinung nach ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die höheren Zinsen ihre beabsichtigte Wirkung auf das Wachstum entfalten und die jüngste Phase der Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft auf dem Weg ins Jahr 2024 an Schwung verlieren wird. Die Fed muss sich sicher sein, dass der Kampf gegen die Inflation gewonnen ist, was wahrscheinlich durch die Abschwächung auf dem Arbeitsmarkt belegt wird, bevor sie sich mit einer weniger restriktiven Geldpolitik zufriedengibt. Wir sind jedoch der Auffassung: Dieser Zeitpunkt wird kommen. Und wenn er eingetreten ist, könnte dies zu einer Dollarschwäche führen. 

Trotz der gleichgewichtigen Risiken für den Dollar bleibt unsere taktische Sichtweise positiv, da es mehrere Gründe gibt, warum Anleger den Dollar halten sollten. Der Hauptgrund ist, dass der Dollar derzeit eine der attraktivsten Anlagen für Anleger ist, die ihre Portfolios defensiver gestalten wollen. Die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen ist relativ hoch und sogar positiv, seit Inflationsängste die Märkte nach der Pandemie antrieben. Positive Korrelationen bedeuten, dass Anleihen weniger Schutz für Portfolios bieten, wenn Aktien fallen, wie es 2022 der Fall war. Sollten die Inflationsängste wieder zunehmen, dürften sowohl Anleihen als auch Aktien unter Druck geraten. Allerdings würde der Dollar in diesem Szenario wahrscheinlich an Wert gewinnen, so dass er ein nützlicher Portfolio-Diversifikator sein kann. Der andere Grund ist, dass der Dollar im Vergleich zu vielen anderen Währungen einen positiven Carry aufweist, vor allem zum Yen und zu mehreren asiatischen Währungen, aber auch zum Euro.

Konflikt im Nahen Osten

Hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit eines erneuten Inflationsanstiegs sehen wir kurz- und längerfristig erhebliche Risiken. Der anhaltende Konflikt im Nahen Osten hat in den vergangenen Wochen bereits zu einem Anstieg der Ölpreise um rund 8% geführt, und angesichts der Ungewissheit sowohl im Hinblick auf die Dauer als auch auf mögliche weitere Konfliktherde dürften die Risikofaktoren eher nach oben zeigen. Die Energiepreise sind zwar nicht in den aktuellen Werten für die Kerninflation enthalten, wirken sich aber rasch auf die Inflationserwartungen der Verbraucher aus, was sich wiederum in den Lohnforderungen und dem Wachstum niederschlägt. Die Abkopplung von China, die anhaltende Klimaproblematik, mit der alle Volkswirtschaften der Welt konfrontiert sind, und das Arbeitsmarktangebot sind nur einige weitere Gründe, warum die Inflation in den nächsten zehn Jahren höher sein könnte als im vergangenen Jahrzehnt. Dies wird ein wichtiger Faktor sein, den es zu beobachten gilt – mit Auswirkungen auf Währungen und Anlageklassen in den kommenden Monaten und Jahren.

*) Ian Samson ist Portfoliomanager, Fidelity Solutions & Multi Asset.

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