GASTBEITRAG

Risikomanagement mit Zertifikaten

Börsen-Zeitung, 10.10.2017 Durch das anhaltende Niedrigzinsumfeld hat sich das Investitionsverhalten der deutschen Anleger in den vergangenen Jahren stärker dem Aktienmarkt zugewandt. Schließlich versprechen Unternehmensanteile die Chance auf hohe...

Risikomanagement mit Zertifikaten

Durch das anhaltende Niedrigzinsumfeld hat sich das Investitionsverhalten der deutschen Anleger in den vergangenen Jahren stärker dem Aktienmarkt zugewandt. Schließlich versprechen Unternehmensanteile die Chance auf hohe Renditen, welche Anleihen und Tagesgeld derzeit missen lassen. Die Wahl der richtigen Aktie steht für viele selbstentscheidende Anleger und Anlageberater dabei im Fokus, denn nur wer die richtigen Werte im Depot sein Eigen nennt, kann sich über eine positive Rendite freuen. Bei der Entscheidungsfindung hat jeder “Börsianer” seine eigene Vorgehensweise. Die Einen vertrauen auf die Technische Analyse, andere bewerten die Fundamentaldaten des Unternehmens und wieder andere nutzen beide Methoden oder verlassen sich rein auf ihr Bauchgefühl.All diese Methoden beziehen sich dabei zumeist auf die jeweils einzeln betrachtete Aktie und helfen dabei, die Einzelposition im Depot richtig zu bewerten. Doch neben dem Blick auf die Einzelpositionen ist eine Betrachtung der Gesamtheit des Depots unverzichtbar. Ein Blick in die Portfolios der deutschen Anleger zeigt, dass sich besonders nationale bzw. sogar lokale Aktien großer Beliebtheit erfreuen – und das kann gefährlich werden. Denn durch eine starke Konzentration auf nur wenige heimische Einzelwerte verknüpft man seinen Anlageerfolg direkt mit dem Schicksal einzelner Unternehmen. Und gerade bei diesem sogenannten “Local Bias” kann dies weitreichende Folgen haben. Anleger, welche einen Großteil ihres Vermögens in Anteilsscheine ihres Arbeitgebers (oder in dessen wichtigsten Kunden) investieren, riskieren bei einer (regionalen) Krise im Zweifel nicht nur ihren Job, sondern auch ihr Vermögen. Solch ein Anlageverhalten birgt große Risiken, denen sich zu wenige Privatanleger bewusst sind.Ein aktives Risikomanagement sowie die Aufklärung über Risiken gehören daher zu den wichtigsten Kernkompetenzen in der Anlage- und Bankberatung. Welche Möglichkeiten bieten sich also zum Risikomanagement? Der klassische Portfolioaufbau aus den Lehrbüchern, der noch heute an den Universitäten und in der Ausbildung zum Bankkaufmann gelehrt wird, orientiert sich seit nun beinahe 70 Jahren an der Portfoliotheorie nach Markowitz. Und heute wie damals haben die Erkenntnisse seiner Arbeit einen großen Einfluss auf das Risikomanagement. Hierfür bietet die Portfoliotheorie zunächst einmal zwei Möglichkeiten. Da wäre zum einen die sogenannte Portfoliostreuung. Getreu der alten Fußball-Weisheit “Nicht die besten Spieler, sondern die beste Mannschaft gewinnt die Meisterschaft” muss auch ein Portfolio in sich ausgewogen sein. Nur so können die “schwachen Leistungen Einzelner” problemlos kompensiert werden. Das Zauberwort heißt hierbei: Diversifikation. So soll in ein breites Spektrum von – im besten Fall voneinander unabhängigen – Wertpapieren investiert werden. Dadurch lässt sich der Einfluss von Kursschwankungen einzelner Werte auf das Gesamtportfolio reduzieren. Die zweite Alternative stellt die Risikosteuerung über die Aktien- bzw. Assetquote dar. Hier ist das Prinzip recht simpel: Je nachdem, wie groß die Position in risikobehafteten Wertpapieren ist, verändert sich das Gesamtrisiko für das Portfolio. Es wird also eine Risikosteuerung durch Desinvestment vorgenommen. Diversifikation notwendigDoch wie viel Risiko ist ein Anleger bereit zu tragen? Welche Depotschwankungen kann er aushalten und welche Verluste im ungünstigsten Fall hinnehmen? Diese Fragen muss sich jeder Anleger selbst stellen, denn die Zusammensetzung des Portfolios entscheidet letztlich über das Gesamtrisiko, welchem sich der Anleger aussetzt. Bei der Beantwortung der Frage können viele Aspekte eine Rolle spielen, wie etwa eine individuelle Verlustaversion oder eine Referenzpunktabhängigkeit.Doch viele Depots, unabhängig davon, ob sie auf Investmentfonds oder auf Einzelwerten basieren, würden für eine neue Risikoadjustierung, massiven Kapitaleinsatz bzw. eine (transaktions)kostenintensive Umschichtung benötigen – und genau hier können Optionsscheine und Zertifikate Abhilfe schaffen.Die Einsatzmöglichkeiten dieser Wertpapiere sind ausgesprochen vielfältig – sowohl bei einer taktischen, als auch bei einer strategischen Depot- bzw. Risikooptimierung. So lässt sich beispielsweise eine klassische Methode der taktischen Depotoptimierung – ein statischer Hedge – mittels Put-Optionsscheinen problemlos aufbauen. Ein statischer Hedge sichert ein Portfolio zu einem vorher bestimmten Stichtag und einem konkreten Kursniveau ab. Durch eine solche Absicherung lässt sich das Risiko von Marktschwankungen z. B. aufgrund von externen Ereignissen an im Vorfeld bekannten Terminen, wie etwa dem Referendum in Großbritannien oder der Wahl eines G8-Staatsoberhaupts, minimieren.Eine Möglichkeit für eine strategische Depotoptimierung stellt der Einsatz von Anlagezertifikaten dar. Diese bieten aufgrund der Kombination aus Basiswert und Terminmarktinstrument eine Alternative zur direkten Investition in eine Aktie oder einen Index, welche sich dem Risikoprofil des Anlegers anpassen lässt. Sie können daher über einen langfristigen Horizont das Risiko eines Depots individualisieren und effizient steuern. So ermöglichen beispielsweise Discount-Zertifikate einen günstigeren Einstieg in eine Aktie oder Index und somit einen Risikopuffer, ehe ein Kursabsturz in einen Verlust umschlägt. Ein Bonuszertifikat bietet einen fest definierten Einlösungsbetrag bis zu einer bestimmten Barriere und somit selbst bei leicht fallenden Kursen die Möglichkeit auf attraktive Renditen, bei gemindertem Risiko. Weitere, vielfältige Risiko- und Renditestrukturen finden sich in Aktienanleihen oder Express-Zertifikaten. Und auch als Absicherungsinstrumente für Fonds- oder Aktiendepots lassen sich Anlagezertifikate nutzen. Denn mit Hilfe von sogenannten Reverse-Strukturen kann auch von fallenden Kursen profitiert werden, selbstverständlich ebenfalls mit einem Risikopuffer. So ließe sich beispielsweise mit einem Reverse Capped Bonus Zertifikat auf den Dax ein vom “Home Bias” geprägtes Portfolio hinsichtlich fallender Kurse partiell absichern – mit der Möglichkeit bei seitwärtslaufenden oder leicht steigenden Kursen auch mit der Absicherung eine positive Rendite zu erzielen.Im Zuge des Risikomanagements eignen sich Zertifikate daher auch insbesondere für risikoaverse Anleger. Klassische Anlageprodukte wie Aktienanleihen oder Discount-Zertifikate beispielsweise weisen konstruktionsbedingt weniger starke Kursschwankungen als ihre Basiswerte auf. So kann ein Investment in einen sehr volatilen Basiswert über ein Discount-Zertifikat mit reduziertem Risiko vorgenommen werden. Dadurch sind sie, besonders für Anleger, die in der Vergangenheit vorwiegend auf festverzinsliche Wertpapiere gesetzt haben, ein guter Kompromiss zu einem Direktinvestment in den Aktienmarkt. Währungen absichernEbenso eröffnen Zertifikate und Optionsscheine die Möglichkeit, erweiterte Marktrisiken – wie etwa Währungs- oder Zinsrisiken – abzusichern oder gezielt einzugehen. Wenn ein Anleger beispielsweise in amerikanische Aktien investieren möchte, muss er neben den typischen Risiken auch das Währungsrisiko des US-Dollar tragen. Fällt der US-Dollar im Vergleich zum Euro, verliert auch eine US-Aktie aus der Sicht eines europäischen Investors an Wert. Solch ein Risiko könnte dann wiederum durch den Erwerb eines Turbo-Call-Optionsscheins auf den Euro/US-Dollar-Kurs abgesichert werden. Im Gegenzug kann ein solches Produkt aber auch für die ganz bewusst und isoliert für die Erzeugung eines bestimmten Währungsexposure verwendet werden. Emittenten beachtenNeben der risikominimierenden Wirkung von Optionsscheinen und Zertifikaten soll an dieser Stelle auch ein spezifisches Risiko dieser Anlageinstrumente nicht unerwähnt bleiben. Optionsscheine und Zertifikate werden von Banken emittiert und enthalten dadurch ein sogenanntes Emittentenrisiko. Dieses Risiko beschreibt die Möglichkeit, dass der Emittent seine Zahlungsverpflichtungen nicht mehr bedienen kann. Um ein solches Emittentenrisiko quantifizieren zu können, sollten sich Anleger über die Kreditwürdigkeit eines Emittenten informieren. Eine wichtige Informationsquelle ist dabei die Bewertung der Emittenten durch Ratingagenturen, wie etwa Standard & Poor’s, Moody’s oder Fitch Ratings. Die vergebenen Bewertungen drücken die Einschätzung der Agenturen aus, wie gut die Bonität der Emittenten ist. Im Rahmen des Risikomanagements ist dies ein Faktor, der auch in die Anlageentscheidung miteinbezogen werden sollte.Dennoch bleibt die Erkenntnis, dass Zertifikate und Optionsscheine – um zum obigen Bild zurückzukehren – fast jede “Wertpapier-Mannschaft” mit ihren Fähigkeiten bereichern können. Dies gilt möglicherweise insbesondere für Anleger, die heimische Aktien bevorzugen. So kann die Auswechslung einer Aktie gegen ein Anlagezertifikat auf die gleiche Aktie dafür sorgen, dass die Anfälligkeit für unerwünschte Wertverluste verringert wird.—-Christian Köker, Direktor, Derivatives Public Distribution bei HSBC