Energiemärkte

Nervosität an den Märkten für Öl und Erdgas steigt

In dem Krieg zwischen Hamas und der israelischen Armee droht eine Eskalation und Ausweitung des Kriegs auf Länder wie den Iran, was dramatische Folgen für das weltweite Angebot an den Energieträgern Rohöl und LNG-Flüssiggas haben könnte.

Nervosität an den Märkten für Öl und Erdgas steigt

Nervosität am Ölmarkt steigt

Ausweitung des Nahost-Kriegs könnte dramatische Folgen für die Preise haben

In dem Krieg zwischen Hamas und der israelischen Armee droht eine Eskalation und Ausweitung des Kriegs auf Länder wie den Iran, was dramatische Folgen für das weltweite Angebot an den Energieträgern Rohöl und LNG-Flüssiggas haben könnte. Die Preise für Öl und Gas reagieren bereits spürbar auf die Gefahren.

ku Frankfurt

An den Energiemärkten herrscht derzeit eine erhebliche Unsicherheit wegen des neuen Nahost-Kriegs. Denn nach Ansicht vieler Marktteilnehmer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Konfrontation auf weitere Staaten in der Region ausweitet, höher als die Chance, dass sich der Konflikt eindämmen lässt. Während es aktuell keine messbaren Auswirkungen auf das Angebot der Energieträger Rohöl und Erdgas gibt, würde eine Ausweitung des Krieges unweigerlich deutliche Auswirkungen auf die Energieversorgung des Westens und damit das Preisniveau an den Märkten haben – was im Extremfall auch starke Auswirkungen auf die Volkswirtschaften der Industrieländer haben könnte.

Der Preis der wichtigsten Rohölsorte Brent Crude, der Anfang Oktober vor dem Ausbruch des Kriegs bis auf rund 84 Dollar gefallen war, hat am Montag wieder ein Niveau von mehr als 91 Dollar erreicht. In der Spitze wurden 91,20 Dollar gesehen. Nach Ansicht vieler Marktteilnehmer steigt die Wahrscheinlichkeit dafür, dass mit dem Iran ein wichtiger Öllieferant in den Krieg einbezogen wird. Sollte die iranische Ölförderung beispielsweise durch Kriegseinwirkung ausfallen, würden dem Markt 3,2 Mill. Barrel pro Tag (bpd) entzogen. Unter Berücksichtigung der Förderkürzungen Saudi-Arabiens und Russlands würde die Versorgungslücke am Markt von derzeit 2 bis 3 Mill. bpd auf 6 Mill. bpd wachsen. Dies wäre ein Mangel von ungefähr 6% der Nachfrage, die dann aus den Lagerbeständen entnommen werden müssten. Diese sind allerdings in den Industrieländern keineswegs gut gefüllt.

Der in dieser Hinsicht kritische Moment könnte bereits in wenigen Tagen eintreten. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat eine Bodenoffensive der israelischen Armee im Gazastreifen so nachdrücklich in Aussicht gestellt, dass es ihm schwerfallen dürfte, einen Rückzieher zu machen. Die amerikanische Nachrichten-Website Axios und die israelische Walla News haben zudem gemeldet, die iranische Regierung habe über die Vereinten Nationen Israel die Nachricht zukommen lassen, dass der Iran auf Seiten der Palästinenser in den Krieg eintreten werde, wenn Israel eine Bodenoffensive starte.

Der Iran wiederum ist eng mit der libanesisch-schiitischen Miliz Hisbollah liiert, die in ihren öffentlichen Mitteilungen ebenfalls die Bereitschaft hat erkennen lassen, in den Krieg einzutreten. Die Kampfkraft der Hisbollah wird auf ein Vielfaches derjenigen der Hamas-Miliz aus dem Gazastreifen geschätzt. Allein das Hisbollah-Arsenal von rund 200.000 meist ferngelenkten ballistischen Raketen könnte Israel an den Rand des Abgrunds bringen. Beim letzten Waffengang der israelischen Armee mit der Hisbollah im Jahr 2006 gelang es der Miliz im Südlibanon, den israelischen Streitkräften eine Niederlage beizubringen. Seither hat die Hisbollah ihre militärischen Fähigkeiten stark ausgebaut.

Einbeziehung der USA

Eine solche Konfrontation würde unweigerlich die USA auf den Plan rufen, die bereits einen Flugzeugträger 50 km vor der Küste Israels in Position haben und einen weiteren Flugzeugträgerverband heranführen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Flugzeugträger im Zeitalter überschallschneller Anti-Schiff-Raketen wenig mehr als leichte Ziele sind. Der Iran, und damit möglicherweise auch die Hisbollah, verfügt über derartige Raketen. Dies würde unweigerlich eine direkte militärische Konfrontation der USA mit dem Iran zur Folge haben, in deren Rahmen Öltransporte durch die Meeresenge von Hormus unmöglich würden – schon weil es die Versicherungsbedingungen für Tanker nicht zulassen, durch Kriegsgebiete zu fahren. Damit würden aber 20% des weltweiten Ölangebots ausfallen, was den Ölpreis leicht über die Marke von 200 Dollar hieven könnte.

Der Krieg könnte aber noch weitere Kreise ziehen. Der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian besucht derzeit fast alle arabischen Länder der Region und der Iran koordiniert sich neuerdings eng mit dem Opec-Schwergewicht Saudi-Arabien. Damit rückt sogar ein Ölboykott des Westens wie im Jahr 1973 im Rahmen des Jom-Kippur-Kriegs in den Bereich des Möglichen.

Betroffen ist aber nicht nur Öl, sondern auch Erdgas, denn nicht weniger als ein Drittel des weltweiten verflüssigten Erdgases (LNG) wird durch die Meeresenge von Hormus verschifft. Und auch hier besteht die Gefahr eines Boykotts: Der Emir von Katar soll bei seinem jüngsten Besuch in Berlin damit gedroht haben, bei einer Fortsetzung der israelischen Bombenkampagne im Gazastreifen die katarischen Gaslieferungen an die EU einzustellen.

Die Sorgen der Marktteilnehmer manifestieren sich bereits in den Preisen für Erdgas am europäischen Spotmarkt. Wurde der Monatskontrakt für den niederländischen Übergabepunkt TTF im Juni zeitweilig zu rund 23 Euro je Megawattstunde gehandelt, wurde dieser Tage ein Niveau von mehr als 55 Euro erreicht.

Die Folgen für die Weltwirtschaft könnten erheblich sein. Bloomberg Economics geht in einem Szenario davon aus, dass dem weltweiten Bruttoinlandsprodukt im Extremfall 1 Bill. Dollar verloren gehen würden. Europa würde noch stärker in die Rezession fallen, die globale Inflation würde angeheizt und bei einem Ölpreis jenseits von 200 Dollar droht ein rasches Ende des Petrodollar und damit eine Gefahr für das amerikanisch dominierte Weltfinanzsystem.

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