GELD ODER BRIEF

Royal Bank of Scotland kein "Finger-weg"-Titel

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 3.5.2019 Die Royal Bank of Scotland (RBS) hat für 2018 eine überraschend hohe Sonderdividende gezahlt, nachdem das Institut das zweite Jahr in Folge mit schwarzen Zahlen abgeschlossen hat. Vorangegangen...

Royal Bank of Scotland kein "Finger-weg"-Titel

Von Andreas Hippin, LondonDie Royal Bank of Scotland (RBS) hat für 2018 eine überraschend hohe Sonderdividende gezahlt, nachdem das Institut das zweite Jahr in Folge mit schwarzen Zahlen abgeschlossen hat. Vorangegangen waren neun verlustreiche Jahre. Die Skandale der Vergangenheit sind weitgehend abgearbeitet. Das nachlassende Wirtschaftswachstum in Großbritannien spiegelt sich bislang nur in stagnierenden Erträgen wider. Die Wertberichtigungen auf Problemkredite sind äußerst niedrig. Der scheidende Chief Executive Ross McEwan hat in die Digitalisierung investiert. Trotzdem will sich keine rechte Begeisterung für die Aktie einstellen.Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Einer liegt auf der Hand. Man stelle fest, “dass die anhaltenden Auswirkungen der Brexit-Ungewissheit auf die Wirtschaft und die damit verbundene Verzögerung von Unternehmensentscheidungen zur Kreditaufnahme ein Ertragswachstum auf kurze Sicht wohl schwieriger machen”, hieß es bei Bekanntgabe der Geschäftszahlen des Auftaktquartals. Mehrheit in StaatshandZudem lastet ein enormer Aktienüberhang auf dem Kurs, der sich aus der seit nunmehr einem Jahrzehnt bestehenden Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand ergibt. Sie existiert noch, weil die britischen Steuerzahler bei einem Abverkauf Buchverluste aus der Finanzkrise realisieren müssten. Dafür steht kein Schatzkanzler gerne gerade. Als der Staat vor einem Jahrzehnt 46 Mrd. Pfund einschoss, um die RBS über Wasser zu halten, zahlte er im Schnitt 502 Pence je Aktie. Derzeit ist sie an der Börse für weniger als die Hälfte zu haben.Geht es nach UK Government Investments (UKGI), von der die Staatsbeteiligung von derzeit noch 62,3 % verwaltet wird, müsste die öffentliche Hand einen Preis von 440 Pence je Aktie erzielen, um auf ihre Kosten zu kommen. Das National Audit Office (NAO) notiert in seiner Auswertung des ersten Anteilsverkaufs, den George Osborne, der Vorgänger von Schatzkanzler Philip Hammond, im August 2015 durchboxte, dass gar ein Preis von 625 Pence erzielt werden müsste, um eine schwarze Null zu erreichen. Es hatte auch die Finanzierungskosten mitberücksichtigt, die dem Steuerzahler für die Rettung des Instituts während der Finanzkrise entstanden. Bis 2023/24 will die Regierung die Staatsbeteiligung komplett verkauft haben.Eine vergleichsweise elegante Lösung des Problems wäre ein Rückkauf durch die RBS. Deren Aktionäre hatten auf der Hauptversammlung in der vergangenen Woche den Rückkauf von bis zu 4,99 % ihrer ausstehenden Aktien vom Schatzamt genehmigt. Die Bank will die Aktien einziehen. Nach Rechnung von Joseph Dickerson, Bankanalyst der US-Investmentbank Jefferies, könnte der Rückkauf von jeweils 5 % der ausstehenden Aktien im laufenden und im kommenden Jahr die Bewertung um 62 Pence steigen lassen. Er verwies auf das “AIG Template”, auf das die RBS zurückgreifen könnte. Der US-Versicherer hatte in den Jahren 2011 bis 2012 überschüssiges Kapital dazu genutzt, 36 % seiner ausstehenden Aktien vom US-Schatzamt zurückzukaufen. Von 26 bei Bloomberg erfassten Empfehlungen lauten 14 auf “Kaufen”, zehn auf “Halten” und nur zwei auf “Verkaufen”Mit der Rettung des Instituts vor dem Untergang – ess hatte sich an der Übernahme der niederländischen ABN Amro verhoben – hatte Alistair Darling von der Labour-Partei die Hoffnung verbunden, dass die einst größte Bank der Insel ihre Aufgaben für das Funktio nieren der Volkswirtschaft wahrnimmt. Der damalige Gouverneur der Notenbank, Mervyn King, hätte die vollständige Verstaatlichung der RBS und deren Zerschlagung in eine “Good Bank” und eine “Bad Bank” vorgezogen. In den Jahren danach folgte ein Bankenskandal dem anderen. Das Geschäftsgebaren der Abwicklungssparte der RBS gegenüber ihren mittelständischen Firmenkunden hat den Ruf des Instituts nachhaltig beschädigt. Es zeigt zudem, dass man nur schwer sagen kann, wann die Vergangenheitsbewältigung abgeschlossen sein wird, denn wenn Themen wie der Verkauf nutzloser Restschuldversicherungen abgearbeitet sind, tun sich neue Löcher auf. Das schlechte Image wirkt sich auf die Ertragsentwicklung aus. Das Volumen der vom Firmenkundengeschäft ausgereichten Kredite ging in den ersten drei Monaten 2019 im Vergleich zum Schlussquartal 2018 um 2,4 % zurück. Während die bereinigten Kosten im Commercial Banking im Vorjahresvergleich um 5,1 % stiegen, sanken die Erträge um 6,6 %.Wer die Aktie heute kauft, muss nicht an die Strategie des Instituts oder seine Führung glauben und jahrelang an den Papieren festhalten. Mancher wird auf Rückkäufe und steigende Dividenden spekulieren. Der Spielraum des Managements für die Aktionärsbeglückung ist größer geworden. Anderen wird die aus Sicht mancher Analysten “attraktive” Bewertung reichen. Der UBS-Bankenexperte Jason Napier kommt, bereinigt um Überschusskapital, für 2020 auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 7,1, was den entsprechenden Werten für Barclays und Lloyds Banking Group entspreche. Der Kurs entspricht dem 0,9-fachen Nettoinventarwert ohne immaterielle Vermögenswerte (tNAV). Dafür bekommt man eine Eigenkapitalrendite von 10,6 % in Aussicht gestellt. Dickerson ist optimistisch für die Entwicklung von Ausschüttungen und Rentabilität, rechnet aber nach den Zahlen für das Auftaktquartal nicht damit, dass seine Kollegen ihre Schätzungen für das Vorsteuerergebnis der RBS nach oben nehmen werden. Starker Magen erforderlichErfolg misst sich am Ziel. Es handelt sich um alles andere als eine “Finger weg!”-Aktie, vor allem wenn man in Aktien investiert, um ein regelmäßiges Einkommen zu erzielen. Anleger brauchen aber einen starken Magen, denn sowohl ein chaotischer Brexit als auch neue regulatorische Kapitalanforderungen könnten dafür sorgen, dass am Ende weit weniger als erwartet an sie ausgeschüttet wird.