Rubel dürfte seine Talfahrt beenden

Bisherige Abwertung der russischen Devise würde Folgen eines weiteren Ölpreisrückgangs abfedern

Rubel dürfte seine Talfahrt beenden

Nach einer zweimonatigen drastischen Talfahrt scheint sich der Rubel nun zu stabilisieren. Der flexible Wechselkurs hat geholfen, den externen Schock des abgestürzten Ölpreises abzufedern. Allerdings könnte der Regierung die Abwertung zupass kommen, ermöglicht sie doch, das aufgeblasene Budget zu retten.Von Eduard Steiner, MoskauDas Vertrauen der Russen in die eigene Währung hat noch keine lange Tradition. Mittlerweile aber ist es offenbar doch so stabil, dass es auch von den jüngsten Währungsturbulenzen nicht erschüttert werden kann. Einer aktuellen Umfrage von DW-Trend zufolge genießt der Rubel bei 67 % der Bevölkerung das meiste Vertrauen. Nur 13 % trauen vergleichsweise mehr dem Dollar, lediglich 6 % mehr dem Euro. Auch Analysten gehen eher von einer Stabilisierung aus. Ein Sechstel eingebüßtAngesichts der Schwäche des Rubel in den vergangenen Wochen ist dies bemerkenswert. Binnen zweier Monate hatte der Rubel ein Sechstel seines Wertes verloren. Der abgesackte Ölpreis hatte die Währung nach unten gezogen. Seit April war die Notierung des Energieträgers von zuvor 125 Dollar auf kurzzeitig unter 90 Dollar je Barrel gefallen. Der Dollar schnellte im Juni an die 34-Rubel-Grenze – ein Maximalwert seit 2009. Der Euro kostete plötzlich über 42 Rubel.Dazu trugen auch Makrodaten bei. Untypisch für die Saison stiegen die Wohnungskäufe im Juni um 25 % gegenüber Mai und um 15 % im Jahresvergleich. Das rief die Zentralbank auf den Plan. Zwar blieb die Intervention mäßig, da der Rubel innerhalb der Korridor-Obergrenze blieb, die in dem aus Euro und Dollar bestehenden Währungskorb mit 38,15 Dollar festgelegt worden war, als die Zentralbank nach Beginn der Wirtschaftskrise auf ein flexibles Wechselkurssystem umgestellt hatte. Mit 2,2 Mrd. Dollar aber, die die Zentralbank im Juni verkauft hat, wurde mit dem größten Volumen seit Oktober 2011 interveniert.Zuletzt hat sich der Ölpreis erholt und pendelt nun an der Grenze von 100 Dollar je Barrel. Der Rubel, der dank der Zentralbank-Intervention bis Ende Juni auf 32,81 Rubel je Dollar gedrückt wurde, gab zu Beginn dieser Woche dennoch nach. Erst seit Mittwoch zieht er leicht an. Am Montag lag der Dollar bei 32,68 Rubel, der Euro bei 39,82 Rubel.Für die kommenden Monate prognostiziert Alexej Moissejew, Analyst bei VTB Capital, vor allem Volatilität. Das erweise sich mittlerweile aber nicht mehr als Problem, sondern als Heilmittel, meint Jewgeni Gawrilenkow, Chefökonom bei Troika Dialog: Durch den flexiblen Wechselkurs könne der externe Schock eines fallenden Ölpreises gemildert und das Wachstum aufrechterhalten werden. An den Exportvolumina der Hauptexportprodukte Öl und Gas ändere sich aber auch in der Krise kaum etwas, weshalb absurderweise im Moment die einseitige Abhängigkeit von diesen Produkten sogar ein Vorteil für Russland sei. ManipulationsmöglichkeitDie Moskauer Higher School of Economics geht in einer Analyse überhaupt davon aus, dass die Regierung “ziemlich wahrscheinlich” eine Rubelabwertung zulässt. Dies, um dadurch die Budgeteinnahmen und den nominalen Umfang der beiden Staatsfonds zu erhöhen. Zwar weist Zentralbank-Chef Sergej Ignatiew diese Manipulationsmöglichkeit heftig zurück. Aber allein um das Budget 2013 einzuhalten, müssten die in der Wahlzeit aufgeblasenen Ausgabenposten um zumindest 8,6 Mrd. Euro gekürzt werden, so das Finanzministerium. Hatte Russland 2011 mit einem Haushaltsüberschuss von 21 Mrd. Euro überrascht, so wird für 2012 ein Defizit von 1,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht ausgeschlossen, obwohl auch im ersten Halbjahr ein Überschuss von 6,2 Mrd. Euro erzielt wurde in jenem Budgetteil, der nicht aus Öleinnahmen gespeist wird und derzeit bei etwa 10 % des BIP liegt.Dem Budget 2012 wurden ein Ölpreis von 115 Dollar je Barrel (im ersten Halbjahr waren es durchschnittlich 112,06 Dollar) und ein Rubelkurs von 29,50 Rubel je Dollar zugrunde gelegt. Sollte der Ölpreis im Jahresschnitt aber tatsächlich auf 100 Dollar je Barrel fallen, so würden dem Budget aufgrund der Rubelabwertung letztlich nur 2,5 Mrd. Euro entgehen, rechnet Vizefinanzministerin Tatjana Nesterenko vor. Eine Abwertung stehe in jedem Fall im vierten Quartal bevor, weil zahlreiche Auslandsschulden zu bedienen seien, erklärt Gawrilenkow.Auf eine Verschärfung der Krise ist Russland ungleich besser vorbereitet als 2008, weshalb im Unterschied zu 2009 derzeit nur ein Drittel, sprich 8,8 Mrd. Euro, als Krisenbekämpfungsmaßnahmen vorgesehen sind. Disziplin in der Haushaltsführung will man dadurch erreichen, dass den Berechnungen künftig kein Prognosewert für den Ölpreis, sondern ein Schwellenwert zugrunde gelegt wird, der auf dem durchschnittlichen Ölpreis der letzten zehn Jahre basiert. Dadurch soll das Budgetdefizit bis 2016 beseitigt werden. Schwachpunkt: Die neue Berechnungsregel dürfte erst 2015 in Kraft treten. Leitzins unverändertAm Freitag hat die Zentralbank den Leitzins unverändert gelassen. Zuletzt hatte sie ihn im Dezember des Vorjahres auf 8 % gesenkt. Die neue Politik der Vorgabe einer Zielgröße für die Inflationsrate hatte die Geldentwertung auf ein historisches Minimum gedrückt. Im zweiten Halbjahr nun zieht sie wieder deutlich an. Weil aber auch das Wirtschaftswachstum 2012 mit voraussichtlich unter 4 % nicht besonders stark ist, hat die Zentralbank am Freitag noch keine weitere Zinssenkung durchgeführt.