DER ÖLMARKT NACH DER TRUMP-ENTSCHEIDUNG ZUM IRAN

Rückkehr zu Sanktionen könnte Öl deutlich verteuern

Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA führt zu kräftig steigenden Notierungen bei Brent und WTI - Saudi-Arabien gilt als großer Profiteur

Rückkehr zu Sanktionen könnte Öl deutlich verteuern

Als Folge der Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran durch die USA dürfte der Ölpreis kräftig steigen. Mit Beginn der Wirkung der neuen US-Sanktionen, aber auch langfristig wird die Entscheidung Trumps das Ölangebot verknappen. Gestiegen ist auch die Kriegsgefahr im Nahen Osten. Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtDie Entscheidung des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, aus der Übereinkunft zur Beendigung des iranischen Atomprogramms auszusteigen, hat zu stark steigenden Ölpreisen geführt. Die Notierung der weltweit wichtigsten Rohölsorte Brent Crude erreichte am Donnerstag 78 Dollar. Dies war der höchste Stand seit dreieinhalb Jahren. Der Preis für die wichtigste US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) kletterte bis auf 71,89 Dollar je Barrel.Deutlich gestiegen sind auch die Notierungen der Öl-Futures in Schanghai, deren Handel Ende März aufgenommen worden war. Auffällig war vor allem, dass die Volumina in Schanghai einen neuen Rekordstand erreichten. Gehandelt wurden am Mittwoch rund 113 Mill. Barrel, mehr als doppelt so viel wie am Dienstag. Die Notierung des am stärksten gehandelten Kontraktes per September kletterte bis auf 466,6 Yuan. Trump hatte am Dienstagabend erklärt, sein Land ziehe sich aus dem Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) zurück, der im Juli 2015 zwischen dem Iran, den fünf permanenten Mitgliedern des Weltsicherheitsrates USA, China, Frankreich, Russland, Großbritannien sowie Deutschland und der Europäischen Union geschlossen worden war. In dem Vertrag verpflichtete sich der Iran, sein Atomprogramm unter die Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde zu stellen und keine militärische Nutzung der Kernenergie zu betreiben. Die USA erklärten sich im Gegenzug bereit, weitreichende Wirtschaftssanktionen gegen den Iran zu beenden. Diese Sanktionen hatten vor allem die Ölexporte des Landes hart getroffen. Diese waren um rund 1 bis 1,5 Mill. Barrel pro Tag (bpd) gesunken. Derzeit ist der Iran mit einer Förderung von 3,8 Mill. bpd der drittgrößte Produzent der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec).Nähere Details zu den Sanktionen gibt es zwar noch nicht, es ist aber zu erwarten, dass es neben US-Unternehmen auch europäischen und anderen Konzernen untersagt wird, mit dem Iran Geschäfte zu machen. Unternehmen, die sich nicht daran halten, drohen der Ausschluss aus dem amerikanisch dominierten Weltfinanzsystem sowie die Beschlagnahmung von Vermögensgütern durch die US-Regierung.Damit dürfte der Iran große Probleme bekommen, sein Rohöl in Länder zu verkaufen, die wirtschaftlich stark mit den USA verbunden sind. Allerdings wird erwartet, dass Staaten wie China und Indien weiterhin iranisches Öl abnehmen.Für die Sanktionen soll es Übergangsfristen von 90 bzw. 180 Tagen geben, bis diese ihre volle Wirkung entfalten. Damit vermeidet die US-Regierung starke Marktverwerfungen, wie es sie kürzlich nach Sanktionen gegen den russischen Aluminiumriesen Rusal gab. Angesichts sehr kurzer Übergangsfristen war der Aluminiumpreis stark auf ein Siebenjahreshoch nach oben geschnellt. Die Lage hatte sich erst wieder beruhigt, als das US-Finanzministerium nachträglich eine längere Frist von 180 Tagen gewährte.Beobachter gehen davon aus, dass sich die Konfrontation zwischen dem Iran einerseits und den USA und den Verbündeten Israel und Saudi-Arabien noch weiter verschärfen wird. In diesen Tagen gab es erneut israelische Bombenangriffe auf iranische Truppen in Syrien. Zudem hat US-Präsident Trump bei der Bekanntgabe des Rückzugs der USA aus dem Atomabkommen deutliche Hinweise gegeben, dass seine Administration einen “Regime Change” in dem Land anstrebt. Dem Iran ist es in den vergangenen Jahren gelungen, seine Machtposition im Nahen Osten deutlich auszubauen, was die Vorherrschaft der engen US-Verbündeten Saudi-Arabien und Israel in der Region gefährdet. Vorteile weggefallenVon Seiten der iranischen Regierung gab es noch keine klaren Hinweise, ob das Land sich noch an die Übereinkunft gebunden fühlt. Zwar haben Vertreter der anderen Vertragspartner deutlich gemacht, dass sie an dem Abkommen festhalten. Allerdings sind nun praktisch alle Vorteile für den Iran weggefallen. Zudem muss sich die iranische Führung durch die USA nun noch stärker bedroht fühlen, was die Anreize erhöht, die Entwicklung von Atomwaffen wieder aufzunehmen und das Land mit deren Hilfe quasi uneinnehmbar zu machen. Eine Wiederaufnahme des Atomprogramms würde aber nach Ansicht vieler Experten eine militärische Antwort der USA nach sich ziehen. Sollte es zu einem Krieg der USA, Israels und Saudi-Arabiens gegen den Iran kommen, würde nach Ansicht der meisten Beobachter der Ölpreis noch viel weiter steigen. Viele Analysten rechnen für diesen Fall mit einem dreistelligen Ölpreis. Jon Rigby, Analyst der schweizerischen Großbank UBS, merkt dazu an, dass die vergangenen zwei bis drei Jahre, in denen der Ölpreis politische Risiken quasi nicht eingepreist habe, eine Ausnahmesituation gewesen seien.Aber auch für den Fall, dass es nicht zu einem Krieg kommen sollte, dürften die Folgen für den Ölmarkt deutlich spürbar sein. So sprechen die Rohstoffanalysten der Commerzbank von einer ” folgenschweren Entscheidung” Trumps. So hätten in der Zeit bis Anfang 2016 durch die damaligen Sanktionen bis zu 1 Mill. bpd an iranischem Öl gefehlt. Knapp die Hälfte davon sei aber auf einen kompletten Einfuhrstopp der Europäischen Union (EU) entfallen. “Dazu dürfte es diesmal nicht kommen, da die USA das Abkommen einseitig und gegen den Willen der meisten anderen Länder aufgekündigt haben”, schreibt Eugen Weinberg, Rohstoffexperte der Commerzbank. Rigby zeigt sich ebenfalls skeptisch, dass die Sanktionen diesmal dieselbe mengenmäßige Wirkung zeigen, da die USA aktuell allein handelten.Weinberg weist aber darauf hin, dass kurzfristig weitere Ausfälle drohen, die den Ölpreis weiter steigen lassen könnten. Dies gelte insbesondere für den staatlichen venezolanischen Ölkonzern PDVSA. So hat der US-Konzern ConocoPhillips nach einem Schiedsspruch der Internationalen Handelskammer ICC mehrere Einrichtungen von PDVSA in der Karibik beschlagnahmen lassen. Darunter befinden sich Öllager, Ölterminals und eine Raffinerie. Über die Karibik wickele Venezuela etwa ein Viertel seiner Ölexporte ab, was nun nicht mehr möglich sei. Die Nachrichtenagentur Reuters spricht sogar davon, dass bis zu ein Drittel der Ölexporte Venezuelas betroffen sein könnte.Eine geänderte Prognose für den Ölpreis geben die Experten der Commerzbank noch nicht ab. Jan Edelmann von der HSH Nordbank geht aber davon aus, dass der Brent-Ölpreis über die Marke von 80 Dollar je Barrel klettern wird (vgl. Interview auf dieser Seite). Edelmann erwartet, dass iranische Ölexporte von etwa 600 000 bpd nach Europa von den Sanktionen betroffen sein werden. Andere Schätzungen beziffern die möglichen Ausfälle für den Weltmarkt auf 200 000 bis 500 000 bpd. Veraltete InfrastrukturEdelmann und andere Analysten verweisen noch auf ein weiteres Problem. Die iranische Ölinfrastruktur befindet sich aufgrund der Sanktionen der vergangenen Jahre in einem schlechten Zustand. Will das Land seine Förderung ausbauen oder auch nur halten, sind umfangreiche Investitionen und Lieferungen von Ölausrüstungen sowie entsprechende Finanzierungen notwendig. Der Iran hat den Betrieb von 40 Ölfeldern ausgeschrieben und um internationale Angebote ersucht. Nun ist damit zu rechnen, dass das Interesse internationaler Ölkonzerne spürbar nachlässt. Damit könnte die geplante Modernisierung der iranischen Ölfelder ins Stocken geraten oder sich stark verlangsamen. Das wiederum könnte das Ölangebot der Opec in den kommenden Jahren verknappen. Dasselbe gilt für die venezolanische Ölindustrie, die ebenfalls unter US-Sanktionen leidet, die sich ständig verschärfen. Als Hauptgewinner der Situation gilt das Opec-Schwergewicht Saudi-Arabien. Viele Beobachter erwarten, dass dies von Trump durchaus beabsichtigt sein könnte. Aufgrund der aktuellen Opec-Förderkürzungen verfügt Saudi-Arabien derzeit über geschätzte freie Kapazitäten von immerhin 2,2 Mill. bpd. Ein Vertreter der saudischen Regierung deutete am Mittwoch an, dass das Land seine Förderung ausweiten könnte. Saudi-Arabien “wird mit wichtigen Produzenten und Konsumenten innerhalb und außerhalb der Opec zusammenarbeiten, um die Auswirkungen von Verknüpfungen zu begrenzen”, hieß es in der saudischen Hauptstadt Riad. Die Opec will Agenturberichten zufolge zunächst an ihrer Förderbegrenzung festhalten.Saudi-Arabien ist auf einen gegenüber dem aktuellen Niveau noch höheren Ölpreis angewiesen, um zum einen den avisierten Börsengang der staatlichen Ölgesellschaft Aramco über die Bühne zu bringen und zum anderen die weitreichende und anspruchsvolle Umgestaltung der saudischen Wirtschaft zu bewerkstelligen. Saudische Regierungsvertreter ließen kürzlich durchblicken, dass sie an einem Ölpreis von rund 80 Dollar interessiert sein könnten. Der Internationale Währungsfonds IWF bezeichnete in einer kürzlich veröffentlichten Studie sogar einen Ölpreis von 88 Dollar als notwendig, damit das Land auf einen ausgeglichenen Staatshaushalt kommt und die notwendigen Investitionen für die Umgestaltung schultern kann.