Rückschlagsgefahren für Anleihen der Länder
Von Christian Reicherter *)Die vergangenen anderthalb Jahre waren geprägt von anhaltender Unsicherheit im Zusammenhang mit der europäischen Finanz- und Schuldenkrise. Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmte sich weiter mit Zinssenkungen und zahlreichen unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen gegen die Auswirkungen der Krise. Nicht zuletzt unter dem Eindruck einer Liquiditätsflut aus den beiden Dreijahrestendern bildete sich die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen zu Anfang des vergangenen Jahres von Niveaus um 1,90 % im Tief bis auf 1,16 % zurück. Seit Mai dieses Jahres scheint nun eine neue Zeitrechnung zu beginnen: Die Renditen am Kapitalmarkt steigen. Suche nach SicherheitAuf der Suche nach sicheren, aber auch etwas höherrentierlichen Anlagen haben die Marktakteure sowohl 2012 als auch noch in diesem Jahr mehr auf Anleihen der deutschen Länder zurückgegriffen. Im laufenden Jahr kann ein solcher Pick-up auch als eine Art Versicherung gegen den Anstieg des allgemeinen Renditeniveaus dienen. Grundsätzlich sind die deutschen Länder sehr sichere Kreditnehmer; deren Risiken erscheinen als handhabbar. Im Vordergrund steht dabei, dass der deutsche verfassungsbewehrte Länderfinanzausgleich die Finanzkraft der einzelnen Länder einander sehr stark annähert. In diesem Verfahren wird die finanzielle Ausstattung eines jeden Landes an die durchschnittliche Finanzkraft aller Länder herangeführt. Darüber hinaus sichert das Prinzip der Bundestreue den finanziellen Beistand der Länder untereinander sowie zwischen dem Bund und den Ländern.Das nachhaltige Interesse an Länderanleihen spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung der Asset-Swap-Notierungen im Zeitablauf wider. Hierbei sind zuletzt insbesondere bei den zweijährigen Ländertiteln deutliche Spreadeinengungen auszumachen gewesen. Lag der Asset-Swaps-Spread (ASW-Spread) einer Emission der Gemeinschaft deutscher Bundesländer (Länderanleihe 4,125 % 01/2015) beispielsweise Anfang des Jahres 2012 noch bei minus zwei Basispunkten (BP), so hat sich dieser bis August 2013 bis auf 20 BP verändert – womit sich der Risikoaufschlag deutlich zurückgebildet hat. Am ausgeprägtesten war die Bewegung bei den ASW-Spreads im Zeitraum zwischen Januar und September 2012 – eine direkte Folge der EZB-Liquiditätsflut.Weniger deutlich vollzog sich diese Entwicklung bei Anleihen mit längerer Restlaufzeit. Lagen die Asset-Swap-Notierungen für die Länderanleihe 2,375 % 09/2018 Anfang des vergangenen Jahres bei etwa 8 BP, sind diese bis zum aktuellen Rand lediglich bis auf minus 4 BP gesunken. Geringerer AbstandInteressant ist in diesem Zusammenhang, wie sich Länderanleihen im Vergleich zu Bundestiteln entwickelt haben. Festzustellen ist, dass sich der Renditeabstand zwischen den Länderanleihen und den “Bunds” seit Anfang 2012 durchgängig signifikant eingeengt hat. Ländertitel haben Bundespapiere im Zeitraum von Januar bis September 2012 deutlich outperformt. Seither ist mit Blick auf die Spreadentwicklung eine seitwärts gerichtete Tendenz auszumachen. Auch wenn die europäische Finanz- und Schuldenkrise wahrlich noch nicht ausgestanden ist, spiegelt sich hierin eine wachsende Zuversicht der Marktakteure wider, dass die gegenwärtige Krise gemeistert werden kann. Findet diese Einschätzung unter den Marktakteuren weitere Anhänger, könnte sich hieraus für Länderanleihen ein beträchtliches Rückschlagsrisiko ergeben. Mehr RisikoEine wachsende Risikofreude unter den Marktteilnehmern dürfte zu einer verstärkten Flucht aus Qualitätspapieren führen. Eine Spread-Ausweitung von Länderanleihen gegenüber Bundespapieren ist hierbei zwar nicht zwingend, aber durchaus wahrscheinlich. So erscheint es vorstellbar, dass sich die Marktakteure zunächst von ihren Engagements in Länderanleihen trennen, da sich diese im Verlauf der Krise überproportional positiv entwickelt haben. Dabei gehen wir nicht davon aus, dass die Spreads bis auf die Niveaus von Anfang 2012 klettern. Dem steht immerhin entgegen, dass aufgrund der momentan sprudelnden Steuereinnahmen das Angebot an Neuemissionen tendenziell niedriger ausfallen dürfte. Zudem sollte sich das Angebot an Länderanleihen auf Sicht mehrerer Jahre aufgrund von Sparbemühungen – Stichwort Schuldenbremse – weiter verknappen.Im laufenden Jahr haben die Länder bis Mitte August etwa 34 Mrd. Euro am Kapitalmarkt eingesammelt. Im Vorjahr lag das Platzierungsvolumen im gleichen Zeitraum mit rund 45 Mrd. Euro deutlich höher. Am ausgeprägtesten ist die Differenz zwischen dem diesjährigen Emissionsvolumen und dem Volumen des Vorjahres beim Land Nordrhein-Westfalen. Hier “fehlen” gegenüber dem Vorjahr rund 7 Mrd. Euro. Das Land Niedersachsen hat hingegen mit etwa 1,3 Mrd. Euro das Platzierungsvolumen des Vorjahres bereits überschritten. NRW sehr aktivBis Mitte August des laufenden Jahres hat das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) 38 Emissionen im Gesamtvolumen von etwas über 8,5 Mrd. Euro emittiert. Sowohl hinsichtlich des Volumens als auch im Hinblick auf die Anzahl der Emissionen gehört Nordrhein-Westfalen damit unter allen Bundesländern zu den aktivsten Nutzern des Kapitalmarktes. In Bezug auf das Emissionsvolumen folgt mit etwas Abstand Rheinland-Pfalz mit neun Neuemissionen im Volumen von rund 4,5 Mrd. Euro. Auf Rang 3 rangiert Hessen. Das Bundesland hat über 17 verschiedene Anleihen neues Kapital im Volumen von zusammen annähernd 4 Mrd. Euro am Primärmarkt eingesammelt.Hinsichtlich der Laufzeitenstruktur der bis Mitte August emittierten Länderanleihen ist festzustellen, dass vorwiegend Papiere im Laufzeitenspektrum zwischen vier und acht Jahren am Markt platziert worden sind. Auf diesen Laufzeitenbereich entfallen etwa 51 % der getätigten Emissionen. Im vergangenen Jahr hatte dieses Laufzeitenspektrum einen geringfügig niedrigeren Marktanteil von 48 %. Bemerkenswert ist, dass der Laufzeitenbereich zwischen acht und zehn Jahren von den Emittenten im laufenden Jahr verstärkt genutzt wurde. Rund 34 % der bisherigen Emissionstätigkeit entfallen auf dieses Laufzeitenspektrum. 2012 waren es in diesem Bereich hingegen lediglich 5 %. Deutlicher RückgangBei der Emission kurzlaufender Wertpapiere war hingegen ein deutlicher Rückgang zu beobachten. In Anbetracht des äußerst niedrigen Zinsumfelds dürften die Länderfinanzministerien zunehmend bestrebt sein, die Duration ihres Anleiheportfolios zu verlängern, um sich das einstweilen noch günstige Zinsumfeld zu sichern.—-*) Christian Reicherter ist Senior-Zinsstratege bei der DZ Bank.