Rupie zeigt sich widerstandsfähig
Die Pandemie bedeutet für die indische Wirtschaft einen schweren Schock. Die Wirtschaftsleistung wird erstmals seit 40 Jahren schrumpfen, das Fiskaldefizit auf 10 % des Bruttoinlandsprodukts hochschnellen. Gemessen daran hält sich die Rupie mit einem Minus zum Dollar seit Jahresbeginn von 4,8 % recht stabil.Von Christopher Kalbhenn, FrankfurtDie jüngsten Wachstumsprognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) verdeutlichen, mit welcher Wucht die Pandemie die indische Wirtschaft trifft. Nachdem das Land bereits mit einem deutlich rückläufigen Wachstum in die Coronakrise gestartet war, reduzierte der IWF kürzlich seine Prognose für das Wachstum des indischen Bruttoinlandsprodukts des laufenden Fiskaljahres (per April) um nicht weniger als 6,4 Prozentpunkte. Er geht nun davon aus, dass die Wirtschaftsleistung, die jahrelang von überproportionalem Wachstum verwöhnt wurde, um 4,5 % schrumpfen wird. Es ist das erste Mal seit 40 Jahren, dass die indische Wirtschaftsleistung sinkt. Laut der Commerzbank war die bisherige Prognose des IWF zu optimistisch. Da Indien stark binnenwirtschaftlich ausgerichtet ist, ging er davon aus, dass sich das Land von der schweren weltweiten Rezession isolieren könnte, so das Institut. Hauptgrund für die drastische Kürzung der Prognose war dem IWF zufolge der Lockdown, der nach zunächst 21 Tagen auf zwei Monate bis Ende Mai und in einigen Regionen bis Ende Juni verlängert wurde. Fallzahlen steigenSchlimmer noch ist, dass die Fallzahlen in dem Land trotz des Lockdowns deutlich weiter steigen. Indien hat nun die weltweit vierthöchsten Infektionszahlen und ein Ende des Anstiegs ist derzeit nicht absehbar. Ein erneuter Lockdown hätte in dem Land, in dem Abermillionen von Menschen von der Hand in den Mund leben, katastrophale Konsequenzen. Erschwerend kommt hinzu, dass Indien wie andere Schwellenländer auch, bei weitem nicht die fiskalischen Mittel zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zur Verfügung stehen wie Industrieländern wie etwa Deutschland, Japan und den USA. Im Mai gab die indische Regierung ein Hilfspaket in Höhe von umgerechnet 246 Mrd. Euro bzw. 10 % des BIP bekannt. “Auch wenn das beeindruckend klang, entsprachen die zusätzlichen Ausgaben, die über die bereits angekündigten Mittel hinausgingen, in Wirklichkeit nur rund 1 % des BIP”, so die Commerzbank. Rating verschlechtertGleichzeitig verschlechtert sich die Haushaltslage. Die DZ Bank schätzt, dass sich das Haushaltsdefizit im laufenden Kalenderjahr auf 10 % des BIP nach 3,9 % erhöhen wird und 2021 noch bei 6 % liegen wird. Die negative Entwicklung schlägt sich in der Bonität des Landes deutlich nieder. So senkte Moody’s Anfang Juni ihre Bewertung für das Land von “Baa2” auf “Baa3” und beließ den Bonitätsausblick auch auf dem niedrigeren Niveau bei negativ. Für die wirtschaftspolitischen Institutionen Indiens werde es herausfordernd, Maßnahmen zu ergreifen und umzusetzen, die die Risiken einer langen Periode relativ niedrigen Wachstums, einer signifikanten weiteren Verschlechterung der Haushaltslage und von Stress im Finanzsektor wirksam abmildern. Fed-Geldpolitik stütztKein Wunder, dass die indische Rupie unter Druck geraten ist. Seit Jahresbeginn hat sie um 4,8 % auf 74,81 Rupien pro Dollar und damit stärker nachgegeben als der Durchschnitt der asiatischen Währungen. Angesichts der Schwierigkeiten, in die das Land durch die Pandemie geraten ist, und der erheblichen Risiken hält sie sich damit jedoch noch recht stabil. Zumal auch die indische Zentralbank kräftig an der Zinsschraube dreht. In diesem Jahr hat sie ihren Leitsatz um 115 Basispunkte auf 4 % gesenkt, die Commerzbank rechnet mit einer weiteren Reduzierung um 50 Basispunkte. Gestützt wird die Währung von der globalen Geldpolitik. Weltweit senken Zentralbanken ihre Leitzinsen, darunter nicht zuletzt die amerikanische Fed. Damit verlieren US-Anlagen an relativer Attraktivität, was die Sogwirkung des Dollar abschwächt.Die Commerzbank rechnet für die kommenden Monate mit einem stabilen Kurs der Rupie. Zum Jahresende erwartet das Institut, das optimistischer ist als der IWF und mit einen Rückgang des indischen BIP um 2,8 % rechnet, die Währung bei 76 Rupien pro Dollar. Allerdings ist die Bank der Auffassung, dass die Risiken für die indische Wirtschaft nach unten gerichtet sind. Das größte Risiko bestehe in einem anhaltenden deutlichen Anstieg der Infektionen, was von der Wirtschaft einen Tribut fordern werde. Gleichzeitig werde dies die Erholung im nächsten Jahr erschweren. Viel werde ebenfalls davon abhängen, wie sich die Lage weltweit im nächsten Jahr entwickle.