GELD ODER BRIEF

Samsung muss Vertrauen gewinnen

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 14.10.2016 Samsung habe Apple endlich in der Innovation übertrumpft, begann ein gerade populärer Witz unter Technik-Managern, nämlich mit einer Batterie, an der man sich im Winter die Hände wärmen könne. Der...

Samsung muss Vertrauen gewinnen

Von Martin Fritz, TokioSamsung habe Apple endlich in der Innovation übertrumpft, begann ein gerade populärer Witz unter Technik-Managern, nämlich mit einer Batterie, an der man sich im Winter die Hände wärmen könne. Der Witz ging auf Kosten des Galaxy Note 7, dessen Akku sich in mehr als 100 Fällen selbst entzündete. Doch den Aktionären von Samsung Electronics ist nicht so richtig nach Lachen zumute. Das Aus für das teuerste Smartphone, das Samsung je verkaufte, hat die Ertragswende, die sich nach zweijähriger Durststrecke abzeichnete, vorerst beendet. Diese Wende hatte die Aktie seit dem Tief im Januar bis zum Beginn des Note-Debakels am 23. August um 50 % nach oben getrieben. Ergebnis gesteigertIn den ersten zwei Quartalen hatte Samsung den operativen Gewinn jeweils zum Vorjahr und Vorquartal gesteigert. Der Ausblick fürs dritte Quartal sah trotz Note-7-Krise ein Plus von 5,6 % zum Vorjahr und nur ein Minus von 4,2 % zum Vorquartal vor. Vier Tage später stellte Samsung die Note-7-Produktion ein. Das war ein Schock: Nicht nur werden 4 Millionen produzierte Note 7 verschrottet. Bei einem Preis von 800 Euro und einem Absatzziel von 15 Millionen Stück über die Modelllaufzeit ergäbe sich ein Umsatzverlust von 12 Mrd. Euro. Am nächsten Tag wurde der Ausblick kräftig korrigiert. Das Betriebsergebnis im dritten Quartal wurde auf 5,2 Bill. Won (4,2 Mrd. Euro) gekappt, 30 % unter dem Vorjahr.Dennoch kletterte der Aktienkurs am Donnerstag um 1,4 %. Einerseits war dies eine technische Reaktion auf 10 % Verlust in drei Tagen. Andererseits spiegelte sich darin die Erleichterung der Investoren, dass Samsung die Kosten für das Desaster im dritten Quartal verbuchen will. Das heißt: Das Note 7 sollte in der Bilanz des laufenden Quartals keine direkten Spuren hinterlassen. Daher korrigierten etwa die Analysten von Nomura ihre Gewinnprognose für die Mobilfunksparte im dritten Quartal von 0,5 Bill. Won auf 2,2 Bill. Won drastisch nach oben. Das entspräche dem Vorjahresniveau. In 2016 soll der Gesamtgewinn laut Nomura auf 28,1 Bill. Won (+ 6,4 %) und in 2017 auf 37,6 Bill. Won (+ 33,8 %) steigen.Ist bei Samsung also alles in Butter? Das hängt davon ab, wie man die Auswirkungen des Note-7-Scheiterns auf die Marke und damit das übrige Smartphone-Geschäft beurteilt. Die Ratingagentur Fitch sieht den langfristigen Schaden für die Marke jedenfalls als größere Bedrohung der Kreditwürdigkeit als die direkten finanziellen Auswirkungen der Note-7-Einstellung. Fitch-Analyst Dan Martin konstatierte Schwächen in Forschung und Entwicklung sowie beim Umgang mit Hardware-Defekten. Von einem Vertrauensrückgang in Samsung würden Apple und mittelgroße Rivalen profitieren, meinte Martin. Mit der Warnung ist Fitch nicht allein. Der Vorteil für Apple scheint begrenzt, weil bisherige Samsung-Kunden dafür vom Betriebssystem Android zum Apple-System iOS wechseln müssten. Der aufwendige Transfer von Apps, Fotos und Videos gilt als eine hohe psychologische Hürde.Aber die chinesischen Android-Wettbewerber von Samsung werden versuchen, ihrem koreanischen Rivalen Marktanteile abzunehmen. Vor allem Huawei und Lenovo erhalten die Chance, in das Premium-Segment vorzustoßen. Laut IDC hat Huawei in Europa schon einen Marktanteil von 12 %. Eine weitere Gefahr für Samsung lauert in China: Dort hatte man die Nutzer mit der Unterstellung geprellt, die gemeldeten Note-7-Feuer seien Fälschungen. Doch Chinas Aufsichtsbehörde forderte alle Nutzer zum Abschalten der Geräte auf. Huawei, Oppo Electronics, Vivo Electronics und Xiaomi zusammen mit Apple hatten Samsung bereits aus den Top 5 gedrängt. Nach dem unglücklichen Umgang mit den Note-7-Kunden ist ein Comeback von Samsung in China daher wenig wahrscheinlich. Die Koreaner leiden selbst unter Paranoia: “Wer heute oben ist, kann morgen ganz unten sein”, warnte schon Samsung-Patriarch Lee Kun-hee, bevor ihn ein Herzinfarkt traf. Nokia und Blackberry liefern die Beispiele. Daher sollten Investoren genau beobachten, ob der Absatz der Flaggschiffe Galaxy S 7 und S 7 Edge leidet. Samsung wird – wie bereits in Korea – mit verstärktem Marketing und attraktiven Kaufanreizen gegensteuern. Aber das wird zulasten der Marge gehen. Analysten argumentieren, das boomende Komponentengeschäft mit Speicherchips, Prozessoren und OLED-Schirmen werde die Schwächephase bei Smartphones ausgleichen. Doch sollte man nicht vergessen, dass Samsung selbst einer seiner größten Komponenten-Kunden ist. Hohes KGVDie Kennzahlen von Samsung sehen nicht schlecht aus: Nur einer von 46 Analysten empfiehlt den Verkauf. Das durchschnittliche 12-Monate-Kursziel von 1 921 132 Won liegt um 23,4 % über dem Schlusskurs vom Donnerstag. Das laufende Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 11,3 ist jedoch im historischen Vergleich hoch (Apple: 13,8). Üblich war wegen des Korea-Abschlags eher ein KGV von 8. Einige Analysten verweisen auf die Forderungen des US-Hedgefonds Elliott nach einer Aufspaltung von Samsung, einem Börsengang an der Nasdaq und einer Sonderdividende von 27 Mrd. Dollar. Angesichts von Barreserven von 73,2 Bill. Won (59 Mrd. Euro) zu Ende Juni wäre das für Samsung finanzierbar.Doch unter den aktuellen Umständen gilt eine positive Reaktion als unwahrscheinlich. Nach dem Note-Debakel wird Samsung mehr Kapital in Forschung und Entwicklung stecken wollen. Vielleicht gibt es einen Aktienrückkauf oder eine Extra-Dividende. Analysten haben eine Ausschüttung in Höhe von 3 bis 5 Bill. Won vorgeschlagen. Aber das dürfte im jetzigen Kurs schon enthalten sein. Unterm Strich heißt dies: Samsung bleibt ein Langfrist-Investment im Tech-Bereich in Asien. Aber es dürfte günstigere Einstiegskurse geben. Das Risiko von Enttäuschungen auf dem aktuellen Niveau scheint hoch.