Sanofi setzt auf Impfstoffe
Von Gesche Wüpper, Paris Es ist ein Unternehmen, das seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie verstärkt im Mittelpunkt steht. Immerhin gehört Sanofi zu den Pharmakonzernen und Forschungslaboren, die an einem Covid-19-Impfstoff arbeiten. Zuletzt allerdings sorgte der neue Konzernchef Paul Hudson für Empörung in Europa, weil er in einem Interview hatte durchklingen lassen, dass die USA einen Impfstoff als Erstes bekommen könnten, da die staatliche Biomedical Advanced Research and Development Authority (Barda) die Entwicklung fördere. Nachdem sich Hudson um Schadensbegrenzung bemühte, haben sich die Gemüter inzwischen wieder beruhigt, so dass die Aktie von Sanofi innerhalb der letzten Woche leicht um 0,3 % zulegen konnte, womit sich die Börsenkapitalisierung des französischen Pharmariesen zuletzt auf 109,8 Mrd. Euro belief. BeteiligungsverkaufDas liegt sicher auch daran, dass Sanofi diese Woche für positive Schlagzeilen sorgte. Denn der Pharmakonzern will den Großteil seiner Beteiligung an dem US-Biotechunternehmen Regeneron veräußern. Er hofft, damit insgesamt einen Bruttoerlös von 11,7 Mrd. Dollar erzielen zu können. Sanofi verkauft 11,8 Millionen Aktien für 515 Dollar je Papier an Investoren. Weitere 9,8 Millionen Stück hat Regeneron bereits selbst für 5 Mrd. Dollar erworben. Zusätzlich dazu verfügen die koordinierenden Banken der öffentlichen Platzierung, zu der Bank of America Securities und Goldman Sachs gehören, über eine Option, in den nächsten 30 Tagen weitere 1,2 Millionen Regeneron-Aktien an Investoren loszuschlagen. In dem Fall würde Sanofi fast ihre gesamte Beteiligung in Höhe von 20,6 % veräußern und nur noch 400 000 Regeneron-Aktien behalten. Partnerschaft bleibtDer Pharmakonzern war 2004 bei dem amerikanischen Biotechunternehmen eingestiegen, mit dem er ein Jahr zuvor erstmals zusammengearbeitet hat. Die Partnerschaft zwischen ihnen soll aber trotz des Verkaufs der Beteiligung weiterbestehen, kündigten die beiden an. Zusammen haben sie etwa das Hautmedikament Dupixent entwickelt, dessen Verkäufe besser als erwartet laufen. Das Mittel, das ursprünglich nur für atopische Dermatitis verschrieben wurde, ist inzwischen auch für die Behandlung von Asthma und chronischer Rhinosinusitis zugelassen. Zudem hat Sanofi mit Regeneron zusammen ihre bisher einzige Krebs-Immuntherapie auf den Markt gebracht, das Mittel Libtayo zur Behandlung einer Form von hellem Hautkrebs.Konzernchef Hudson, der bei Sanofi das Ruder im September übernommen hat, setzt auf Wachstumsbereiche wie eben die Onkologie, seltene Krankheiten und die Bluterkrankheit. Dabei will er Impfstoffe und Dupixent zu Schlüsselwachstumsmotoren machen. Dagegen setzt der frühere Generaldirektor von Novartis Pharmaceuticals bei traditionellen Geschäftsbereichen wie dem Diabetesgeschäft und Medikamenten zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen das Skalpell an, um Sanofi fit für die Zukunft zu machen. Er will Forschung und Entwicklung neuer Medikamente in beiden Bereichen einstellen und so bis 2022 insgesamt 2 Mrd. Euro einsparen. Im Diabetesgeschäft leidet der Pharmariese gerade in den USA unter verstärkter Konkurrenz und großem Preisdruck.Den Erlös aus dem Verkauf der Regeneron-Beteiligung will Sanofi nun nach eigenen Angaben nutzen, um ihre Strategie weiterzuverfolgen und Innovationen und Wachstum zu stimulieren. Zumindest gibt ihr die Transaktion die nötigen Mittel, um nach dem amerikanischen Biotech Synthorx im Dezember weitere vielversprechende Unternehmen in den Bereichen Onkologie, Gentherapie oder seltene Krankheiten zu übernehmen. Laut Bloomberg Intelligence dürfte sich die Kriegskasse Sanofis durch den Regeneron-Verkauf auf 50 Mrd. Dollar erhöhen. Durchaus KurspotenzialDie Analysten von Oddo favorisieren dabei spezifische Akquisitionen zur Verstärkung der Pipeline Sanofis. Sie haben gerade ihre Kaufempfehlung für das Sanofi-Papier wiederholt, wobei sie das Kursziel bei 103 Euro sehen. Dagegen hat Laura Sutcliffe von UBS nach der Ankündigung des Regeneron-Verkaufs das Kursziel von 103 auf 101 Euro gesenkt. Auch sie empfiehlt den französischen Pharmatitel zum Kauf. Der Verkauf des Regeneron-Anteils könnte die Schulden tilgen und die Trendwende des Pharmageschäfts finanzieren, meint sie.Insgesamt raten derzeit 13 von 22 Analysten, die den Wert beobachten, die Sanofi-Aktie zu kaufen, drei, sie überzugewichten, und sechs, sie zu halten. Das durchschnittliche Kursziel für die nächsten drei Monate sehen sie bei 104,40 Euro, was einem Potenzial von knapp 20 % entspricht. Innerhalb eines Jahres hat das Papier bereits 17,5 % zugelegt. Das für 2021 erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) beträgt 12,6. Nach der Regeneron-Veräußerung bleibe das Ziel für die operative Gewinnmarge (BOI, Business Operating Income) im Jahr 2022 von 30 % intakt und erreichbar, urteilt Richard Vosser von J.P. Morgan, der Sanofi mit “Overweight” einstuft.Konzernchef Hudson hat Ende April die Ziele für das Gesamtjahr bestätigt. Angestrebt wird, dass das bereinigte Ergebnis je Aktie von zuletzt 5,99 Euro um 5 % steigt, sofern es nicht zu unvorhergesehenen größeren Ereignissen kommt. Hudson sieht Sanofi im Wettlauf, einen Impfstoff gegen Covid-19 zu finden, gut aufgestellt. Der Pharmariese ist dafür mehrere Partnerschaften eingegangen, unter anderem mit GlaxoSmithKline aus Großbritannien und Translate Bio aus den USA. Nach Angaben des Verbandes forschender Pharmaunternehmen (VFA) gibt es weltweit inzwischen 133 Forschungsprojekte. Mitte des Monats befanden sich bereits acht in der klinischen Erprobung mit freiwilligen Testpersonen.Frankreich hat jedoch gerade die Behandlung von Covid-19-Erkrankten mit der unter dem Namen Plaquenil von Sanofi vertriebenen Malaria-Arznei Hydroxychloroquin verboten und die Aussetzung entsprechender klinischer Studien eingeleitet. In Sanofis Heimat durften seit Ende März Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen unter ärztlicher Aufsicht mit Hydroxychloroquin behandelt werden.