GELD ODER BRIEF

Santander leidet unter dem harten Wettbewerb

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 18.9.2015 Seit Ana Botín vor einem Jahr den Vorsitz von ihrem verstorbenen Vater Emilio übernahm, hat sie Spaniens größte Bank radikal verändert. Das Führungspersonal von Santander wurde auf vielen Ebenen...

Santander leidet unter dem harten Wettbewerb

Von Thilo Schäfer, MadridSeit Ana Botín vor einem Jahr den Vorsitz von ihrem verstorbenen Vater Emilio übernahm, hat sie Spaniens größte Bank radikal verändert. Das Führungspersonal von Santander wurde auf vielen Ebenen ausgetauscht, die Dividendenpolitik geändert und eine neue Firmenphilosophie ausgerufen, die mehr Transparenz und Ehrlichkeit verspricht. Diese mutigen Schritte hatten viele Experten der Tochter des Patriarchen nicht zugetraut. An der Börse jedoch wurde der Kurswechsel nicht honoriert. Seit ihrem Amtsantritt ist der Kurs um fast 30 % gefallen. Seit Jahresbeginn sank er um mehr als 20 %. Zwar liegen fast alle spanischen Bankwerte 2015 an der Börse im Minus, doch die Verluste etwa bei Bankia, Sabadell oder Caixabank fallen verhaltener aus, und die große Rivalin BBVA verzeichnet gar ein bescheidenes Plus beim Aktienkurs.Analysten geben vor allem drei Gründe für den Kursverfall von Santander an. Die angespannte Situation der Finanzbranche in Spanien, die Unsicherheiten in Brasilien, dem wichtigsten Markt der Bank, und Zweifel über das Kernkapital.Spaniens Banken haben sich nach der massiven Krise infolge der geplatzten Immobilienblase und der Turbulenzen in der internationalen Finanzbranche zuletzt wieder berappelt. Santander verbuchte im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Gewinnanstieg von 24 % auf 3,4 Mrd. Euro. Die gesamtwirtschaftliche Lage in Spanien ist für die Finanzbranche eigentlich nicht schlecht. Die Wirtschaft wächst derzeit um mehr als 3 %, die Konsumenten geben wieder mehr Geld aus, und der Anteil notleidender Kredite und anderes belastendes Erbe aus dem Immobilienboom nehmen ab. Positive Sondereffekte”Die spanischen Banken profitieren nach wie vor von Sondereffekten wie der Veräußerung von Beteiligungen und Bewertungsgewinnen bei Staatsanleihen. Aber auch die sinkende Risikovorsorge sowie die niedrigen Funding-Kosten verbessern weiterhin die Ertragssituation”, schreiben die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Bedenken bereitet dagegen der neu entfachte harte Konkurrenzkampf im Lande, und das in einem Niedrigzinsumfeld. Einige Bankvorstände haben selbst vor den Folgen des Wettrennens um die Vergabe von Krediten und Anlageportfolios gewarnt. So auch die Experten der LBBW: “Verstärkter Wettbewerb stellt künftig jedoch eine Gefahr für die Margen dar. Insbesondere bei der Hypothekenvergabe senken die Banken immer wieder die Zinssätze.”Ana Botín hat in diesem Wettkampf ein Produkt nach Spanien importiert, mit dem sie in ihrem vorherigen Job als Chefin der Tochter in Großbritannien erfolgreich war: ein Konto, das Zinsen von bis zu 3 % bietet, wenn der Kunde weitere Produkte der Bank annimmt. Damit soll die Kundenbindung verbessert werden. Doch nach Ansicht einiger Analysten ist der Preis dieser Strategie sehr hoch. “In einem Umfeld niedriger Zinsen ist dieses Konto nur von Vorteil für die Kunden, nicht aber für die Aktionäre, zumindest auf kurze Sicht”, kommentieren die Experten der Privatbank N + 1 in Madrid.Was Santander in den letzten Tagen und Wochen jedoch besonders stark zu schaffen gemacht hat, ist die Lage in Brasilien, dem zuletzt größten Markt der Spanier, der ein Fünftel des Gewinns ausmacht. Dem südamerikanischen Land droht eine Rezession. Vor wenigen Tagen stufte die Ratingagentur Standard & Poor’s die brasilianischen Staatsanleihen auf Junk-Status herunter. “Die Zweifel hinsichtlich Brasiliens haben sich in den letzten Wochen verstärkt, vor allem wegen der Unsicherheit über den Reformkurs der Regierung. Santander ist dort stark exponiert”, erläutert Nuria Alvarez, Bankspezialistin des Madrider Brokers Renta 4.Abgesehen von der widrigen politischen und wirtschaftlichen Lage in dem Land weckt auch das Geschäftsmodell von Santander gewisse Zweifel. Anfang August verloren die Spanier das Rennen um die Übernahme des Brasiliengeschäfts der britischen HSBC, das letztlich an den heimischen Konkurrenten Bradesco ging.Das Eigenkapital ist nämlich ein weiterer Faktor, der den Aktienkurs der Bank beeinflusst. Im Gegensatz zu ihrem Vater Emilio, der Probleme in diesem Sinne immer abgestritten hatte, packte Ana Botín den Stier bei den Hörnern und überraschte die Märkte Anfang Januar mit einer Kapitalerhöhung von 7,5 Mrd. Euro, was rund 10 % des Börsenkapitals der Bank entsprach. Die neuen Anteile konnten mit einem Preisabschlag von 10 % erfolgreich an institutionelle Investoren verkauft werden. “Von diesem Discount hat sich die Aktie aber bis heute nicht mehr erholt”, kommentiert Alvarez von Renta 4. Das Geld wurde zum Teil zur Aufbesserung des Eigenkapitals verwendet.Botín kürzte zu diesem Zweck auch die großzügige Dividende, an der ihr Vater beharrlich festgehalten hatte, um zwei Drittel. Dafür erfolgt die Ausschüttung wieder hauptsächlich in bar und nicht in Aktien. Ende Juni wies Santander eine Quote gemäß CET 1 fully loaded von 9,8 % aus. Der neue CEO José Antonio Alvarez erklärte auf der Halbjahrespressekonferenz im Juli, dass man fortan jedes Quartal das Kernkapital um 10 Basispunkte erhöhen wolle und so bis 2017 das Ziel einer Quote von 10 bis 11 % erreichen werde. Mehr Kapital nötigAber einige Experten rechnen damit, dass Santander bald noch viel mehr Kapital aufbringen muss, um den Ansprüchen der Regulierer gerecht zu werden. Die US-Bank J.P. Morgan geht in einer neuen Studie von einem Bedarf von 5,5 Mrd. Euro für den spanischen Branchenprimus aus, während Konkurrent BBVA den Berechnungen zufolge lediglich 870 Mill. Euro aufbringen müsste. J.P. Morgan spekuliert, dass Santander die Ausschüttung um 1,5 Mrd. Euro senken oder die Bilanzsumme reduzieren könnte.Derzeit unternimmt die Bank offenbar nicht viel, um den Kursrückgang zu bremsen. Die Wirtschaftszeitung “Expansión” berichtete diese Woche, dass der Anteil eigener Aktien sogar auf 0,2 % des Kapitals gefallen sei. Verschiedene Analysten haben ihre Bewertung nach unten korrigiert. Allerdings birgt der gegenwärtige Kurs von rund 5,20 Euro pro Aktie, trotz aller Ungewissheiten, auch ein wenig Potenzial. Die Experten der französischen Natixis sehen die Aktie bei 5,30 Euro, und Citi stufte das Kursziel unlängst von 6,55 auf immerhin noch 5,55 Euro herunter.