Saudis setzen sich durch
Einen derartigen Preisrutsch hat es am Ölmarkt seit vielen Jahren nicht mehr gegeben: Binnen eines halben Jahres hat sich die Sorte Brent Crude um sage und schreibe 57 % verbilligt. Kostete das Fass zu 159 Liter im Juni 2014 noch 115 Dollar, sind es mittlerweile schon weniger als 50 Dollar. Diese vielbeachtete Schwelle ist das erste Mal seit Mai 2009 unterschritten worden.Der Ölpreis ist damit weitaus stärker gesunken als von den meisten Analysten für möglich gehalten. Marktbeobachter halten sich daher mit Äußerungen über Niveau und Zeitpunkt einer Bodenbildung sehr zurück. Sicher ist lediglich, dass der größte Ölproduzent der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec), nämlich Saudi-Arabien, noch nicht an einer Trendwende interessiert ist. Den Saudis kommt in dem aktuellen Preisdrama sicherlich die Schlüsselrolle zu, haben sie doch bislang fast immer den Ton in dem Kartell angegeben. Wie es scheint, kommt ihnen auch das Ausmaß des Preisverfalls sehr gelegen. Es könnte nämlich den Kampf um Marktanteile, den sie begonnen haben, schneller zu ihren Gunsten entscheiden als bislang gedacht. Auf dem gegenwärtigen Preisniveau ist nämlich die nordamerikanische Förderung aus unkonventionellen Quellen praktisch nirgendwo mehr rentabel. Die Folgen davon sind tiefgreifend: Die Ratingagentur Moody’s erwartet, dass bei einem Ölpreis von weniger als 60 Dollar die US-Investitionen im Bereich Exploration und Produktion 2015 um 30 bis 40 % zurückgehen werden. Während die Finanzreserven bei vielen US-Produzenten eng begrenzt sind, verfügen die Saudis über tiefe Taschen. Sie können das Defizit in ihrem Staatshaushalt noch für längere Zeit mit Mitteln aus ihren umfangreichen Kassen stopfen. Die Saudis haben zudem den Zeitpunkt ihres Vorstoßes klug gewählt. Die Entwicklung der Weltwirtschaft bleibt nach wie vor spürbar hinter den Erwartungen zurück.Was die zeitliche Dimension der Ölpreisflaute betrifft, so ist festzuhalten, dass sich der Überschuss auf dem Ölmarkt wohl erst ab der Jahresmitte abbauen wird. Daher dürfte der Ölpreis noch einige Monate auf niedrigem Niveau verharren, eine rasche Wende ist nicht in Sicht. Was das Ausmaß des Preisverfalls angeht, so reden zwar Opec-Vertreter inzwischen von 20 Dollar je Barrel. Allerdings dürfte bei 40 bis 35 Dollar auch für viele Opec-Länder die Schmerzschwelle endgültig erreicht sein. Für die nordamerikanischen Konkurrenten der Saudis wäre aber ein solches Preisniveau bereits verheerend.