Schuldscheindarlehen

Schuldscheinmarkt schaltet einen Gang herunter

Die Konjunktureintrübung hinterlässt am Markt für Schuldscheine Spuren. Die Volumina gehen zurück. Grüne und nachhaltige Papiere erfahren aber einen kräftigen Schub. Das könnte den Markt künftig antreiben.

Schuldscheinmarkt schaltet einen Gang herunter

Schuldscheinmarkt schaltet einen Gang herunter

Konjunktureintrübung hinterlässt Spuren – Nachhaltig ausgerichtete Papiere sehen aber ein kräftiges Volumenwachstum

Firmen nutzen derzeit weniger Schuldscheine, was auf das wirtschaftliche Umfeld zurückzuführen ist. Allerdings konnten Schuldscheine mit Umweltbezug, also grüne Schuldscheine, einen enormen Zuwachs verbuchen. Das könnte für den Markt künftig eine starke Triebfeder sein.

kjo Frankfurt

Die Konjunktureintrübung, die quasi rund um den Globus zu beobachten ist, hat am Markt für Schuldscheindarlehen (SSD) im zweiten Quartal dieses Jahres Bremsspuren hinterlassen. Des Weiteren war eine geringere Internationalität bei den Darlehensnehmern am SSD-Markt zu beobachten. Konstatiert werden konnte auch, dass das Schuldscheinvolumen mit Umweltbezug fast eine Verdopplung sah. Dies sind zentrale Erkenntnisse einer Studie zum SSD-Markt von Capmarcon, die der Börsen-Zeitung vorab vorliegt. Capmarcon ist eine auf Nachhaltigkeitsmanagement und Unternehmensfinanzierung spezialisierte Beratungsgesellschaft. Sie entwickelt Nachhaltigkeitsziele und -strategien, erstellt Rahmenwerke und unterstützt bei ESG-Ratings. Zudem berät das Unternehmen bei nachhaltiger Kapitalbeschaffung, besonders bei Green, Blue, Social, Sustainable oder ESG-Linked Financing.

Schuldscheine sind Finanzierungsinstrumente, die sich zwischen dem klassischen Bankkredit und der Anleihe ansiedeln lassen. Viele Firmen setzen sie ein. Sie haben den Vorteil, dass sich bestimmte Ausstattungsmerkmale seitens des Emittenten mit Investoren in direktem Kontakt festlegen lassen. Hierbei geht es zum Beispiel um individuelle Laufzeiten, die speziell in das Finanzierungsprofil des Emittenten passen. Hinzu kommt, dass sich auch Volumina leichter individuell festlegen lassen. Das Korsett ist also nicht sehr starr wie bei klassischen Bonds. Das schätzen Emittenten. Zudem lässt sich hierüber die Refinanzierungsseite diversifizieren, was für Unternehmen einen Sicherheitsaspekt bedeutet.

Deutsche Adressen dominieren

Die von März bis Juni 2023 abgeschlossenen Transaktionen am SSD-Markt erreichten mit 6,2 Mrd. Euro ein ähnliches Volumen wie im Vorquartal und damit im ersten Halbjahr einen Wert in Höhe von 12,7 Mrd. Euro. Wegen des sehr starken zweiten Quartals 2022 sei das jüngste Volumen aber 22,5 % geringer als im entsprechenden Vorjahreszeitraum gewesen. Während deutsche Firmen nur ca. 900 Mill. Euro weniger SSD-Darlehen nachgefragt hätten, sei das für ausländische Firmen arrangierte Volumen in den beiden ersten Quartalen um etwa 4,5 Mrd. Euro zurückgegangen. Die höchste Einzelbegebung habe bei 2,7 Mrd. Euro gelegen, die geringste bei 26,5 Mill. Euro. „Damit folgte der Schuldscheinmarkt einem tradierten Verhaltensmuster: In Zeiten mit weniger günstiger Konjunkturperspektive gehen die Mittelaufnahmen aus dem Ausland zurück, und deutsche Adressen dominieren die Darlehensnehmer. Gerade inländische Investoren zeichnen dann Schuldscheine, deren Bonität sie zuverlässiger einschätzen können“, so die Experten. In diesem Umfeld sei auch die Zahl der Unternehmen, die erstmals den Schuldschein zur Finanzierung nutzten, rückläufig gewesen; das entsprechende Volumen sei im Halbjahresvergleich von 4,6 Mrd. auf 1,8 Mrd. Euro gefallen. Das ausstehende Schuldscheinvolumen am Jahresende 2022 habe bei 159 Mrd. Euro gelegen. Mit Tilgungen im ersten Halbjahr 2023 in Höhe von 11,1 Mrd. Euro habe sich das Ende Juni 2023 ausstehende Volumen nur leicht auf 160,6 Mrd. Euro erhöht. Der im Gesamtjahr zu tilgende Betrag habe ca. 22,5 Mrd. Euro erreicht.

„In wirtschaftlichen Phasen mit erhöhter Unsicherheit zeigt sich das Schuldscheinarrangement mit Unternehmen des produzierenden und verarbeitenden Gewerbes am stabilsten, nicht zuletzt wegen des weniger volatilen Geschäftsverlaufs und der im Durchschnitt höheren Bonität“, so die Experten. Im ersten Halbjahr 2023 hätten Industrieadressen SSD in Höhe von 8 Mrd. nach 7,1 Mrd. Euro (Vorjahr) begeben. Ein leichter Zuwachs sei auch im Logistiksektor zu verzeichnen gewesen. Handel, Dienstleistungen und Versorger seien im Jahresvergleich deutlich weniger präsent gewesen. Allerdings nehme hinsichtlich der Energieversorgungsunternehmen der Marktauftritt von Adressen zu, die mit dem Schuldschein Investitionen in die Erzeugung von erneuerbaren Energien finanzieren würden. Darauf sei in den ersten sechs Monaten 2023 ein Volumen in Höhe von 1,1 Mrd. Euro entfallen. „Diese Darlehen waren nicht immer ‚grün‘ arrangiert, ihre Bedeutung steigt aber kontinuierlich.“

Fünf Kontinente vertreten

Der Schuldschein sei eine Finanzierungsvariante, die bislang Unternehmen aus 30 Ländern und fünf Kontinenten nutzen würden. Im ersten Halbjahr 2022 gingen entsprechend arrangierte Darlehen außer nach Deutschland, Österreich, Frankreich und in die Schweiz auch nach Spanien, Finnland, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Schweden, Norwegen, Indien, Dänemark, Italien und Singapur. In der ersten Hälfte dieses Jahres seien Adressen aus Deutschland, Österreich, aus der Schweiz und den Niederlanden, aus Belgien, Schweden, Dänemark und etwa Italien am Markt gewesen.

Der Anteil von Schuldscheindarlehen mit Nachhaltigkeitsbezug und mit Nachhaltigkeitsorientierung („ESG-Linked“) sei im ersten Halbjahr 2023 gegenüber der Vorjahresperiode absolut wie relativ zurückgegangen. „Die Entwicklung resultiert zum einen aus dem insgesamt geringeren arrangierten Volumen, zum anderen aus deutlich weniger ESG-Linked-Transaktionen, deren Zahl in den genannten Zeiträumen von 16 auf sechs gefallen ist“, heißt es. Allerdings habe sich Zahl und Volumen echter grüner, also umweltbezogener Schuldscheine von 650 Mill. Euro auf 1,11 Mrd. Euro erhöht. „Hinsichtlich der Geschäftsmodelle und der Mittelverwendung hätten mehrere der jüngsten Begebungen durchaus nachhaltig konzipiert werden können. Kreditnehmer legten aufgrund der restriktiveren Marktbedingungen aber Wert auf einfache Strukturen und unkomplizierte Platzierung, was zu einem Verzicht von ESG-Komponenten führte“, konstatiert Capmarcon.

Die durchschnittliche Bonität der schuldscheinbegebenden Firmen – gewichtet mit dem jeweiligen Darlehensvolumen – sei im ersten Halbjahr 2023 mit „BBB−“ nur geringfügig niedriger als in der Vorjahresperiode gewesen. Im Hinblick auf rückläufige Umsätze hätten sich auch Adressen zusätzliche Liquidität besorgt, die eine weniger starke Innenfinanzierung besitzen würden. Schuldscheinbegebungen erlauben die Bekanntmachung der Transaktion sowie nicht extern sichtbare Mittelaufnahmen. Im ersten Quartal dieses Jahres seien 65% des arrangierten Volumens publik gemacht worden (73% im ersten Halbjahr 2022).

Konkurrenz zu Bonds

„SSD konkurrierten in der ersten Jahreshälfte 2023 verstärkt mit der Anleihe und dem klassischen Bankkredit. Letztere haben in der Außenfinanzierung von Januar bis Juni an neu arrangiertem Volumen merklich zugelegt. Dennoch zeigte der Schuldschein ein bislang sehr gleichmäßiges Begebungsgeschäft.“ Die Volumina im dritten und vierten Quartal sollten auf einem ähnlich hohen Niveau wie im ersten Halbjahr liegen. Im dritten Quartal 2022 seien die abgeschlossenen Transaktionen nach den umfangreichen Abschlüssen in der Vorperiode merklich zurückgegangen. Vor diesem Hintergrund könnte das Gesamtvolumen neuer Schuldscheine des Jahres 2023 den Wert von 25 Mrd. Euro übersteigen. Zusätzliche Impulse könnte der Schuldscheinmarkt durch den weiteren Anstieg von Arrangements für umweltbezogene Investitionen und Betriebsausgaben bringen. In diesem Jahr setzen bislang vor allem Energieversorgungsunternehmen und Logistiker, vereinzelt auch Industrieunternehmen grüne Schuldscheine zur Finanzierung ein.

Im ersten Halbjahr entfielen laut Capmarcon 60% des nachhaltigen Schuldscheinvolumens auf das sogenannte Sustainability-Linked Financing. Bei dieser Finanzierungsform wird das Erreichen einzelner Zielwerte (KPI) seitens der Emittenten während der Darlehenslaufzeit angestrebt, um so den Übergang zu Nachhaltigkeit zu realisieren. Gegenwärtig sehr häufig gewählte Zielwert-Kombinationen seien erstens die Emission von CO2, zweitens die Zahl der Arbeitsunfälle in Relation zur Mitarbeiterzahl bzw. Sollarbeitszeit und drittens die Quoten von weiblichen Mitarbeitern im Unternehmen bzw. in Führungspositionen. „Der jüngste Rückgang im Jahresvergleich zugunsten echter grüner Schuldscheine und deren Attraktivität deutet eine positive Entwicklung an, die dem Schuldschein langfristig zu noch größeren Volumina verhelfen könnte“, so die Prognose.

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