Schwächeres Niveau, doch keine Manipulation
Von Sebastian Sachs *)Der Handelskonflikt zwischen den USA und China ist nach wie vor das beherrschende Thema der Marktberichterstattung, und in diesem Zusammenhang natürlich auch der von US-Präsident Donald Trump geäußerte Vorwurf der Währungsmanipulation. Der Dollar-Yuan-Wechselkurs ist Anfang August über die Marke von 7,0 geklettert, Anfang dieser Woche wurde sogar kurzfristig die Marke von 7,15 Yuan erreicht. Die chinesische Währung ist damit so schwach wie seit Mai 2008 nicht mehr. Dennoch verlautbarten chinesische Regierungskreise in den vergangenen Wochen, die Währung nicht als Waffe im Handelsstreit einsetzen zu wollen. Auch wir haben zumindest bisher noch nicht den Eindruck gewonnen, dass der Yuan manipuliert ist. AbwärtsspiraleZum Zeitpunkt des jüngsten Kurssprungs hatte der Streit zwischen den beiden Großmächten am Wochenende eine neue Eskalationsstufe erreicht: Beide kündigten neue und höhere Zölle an. Durch die verheerende Spirale aus negativen, direkten Handelseffekten, damit zusammenhängenden Einkommenseffekten über Konsum und Investitionen sowie indirekten Effekten (Sentiment-Kanäle) war der Sprung von Dollar/Yuan über die “Schallmauer” von 7 und darüber hinaus in unseren Augen nur konsistent. Doch ist es unseres Erachtens keineswegs so, dass China den Yuan aktiv abwertet. Aufgrund der beschriebenen Abwärtsspirale sind allein die Marktkräfte dafür durchaus ausreichend.Auch wenn – wie zu Beginn dieser Handelswoche – immer mal wieder Bewegung in die Handelsgespräche zu kommen scheint, sehen wir eine schnelle Lösung des Konflikts als eher unwahrscheinlich an. Zudem ist schwer einzuschätzen, wer letztlich am längeren Hebel sitzt. Die Tatsache, dass sich Donald Trump im kommenden Jahr zur Wiederwahl stellen muss, spielt dem US-Präsidenten nicht unbedingt in die Karten. Allerdings sind in China die Auswirkungen der Fehde bereits jetzt deutlich zu spüren. Im zweiten Quartal wuchs die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt mit 6,2 % im Jahresvergleich so langsam wie zuletzt vor 27 Jahren. Die Produzentenpreise des Riesenreichs sind jüngst stärker als erwartet gefallen mit einem Minus von 0,3 % im Vorjahresvergleich und das erste Mal seit zwei Jahren überhaupt wieder negativ. Die positiv korrelierten chinesischen Unternehmensgewinne weisen aktuell bereits ein Minus von 3,1 % gegenüber Vorjahr auf. In Kombination mit den verhaltenen PMI-Daten (beide Barometer für das verarbeitende Gewerbe rangieren unterhalb der Expansionsschwelle), einer schwachen Industrieproduktion und enttäuschenden Einzelhandelsumsätzen wird deutlich, dass das Konjunkturprogramm der chinesischen Regierung und die bisherigen Lockerungsmaßnahmen der PBoC in diesem Jahr die Konjunkturaussichten nur vorübergehend aufgehellt haben.Zudem gibt es neben all der Verunsicherung infolge der globalen wirtschaftlichen Abkühlung zwei weitere Faktoren, die das Wachstum Chinas in nächster Zeit belasten dürften. Zum einen werden politische Anreize zurückgezogen. So hat sich die Fiskalpolitik zuletzt weniger unterstützend entwickelt, und das Kreditwachstum hat sich weiter verlangsamt. Zum anderen geht die Regierung aggressiv gegen die Umweltverschmutzung vor, was nach unserer Einschätzung insbesondere das Wachstum der Industrieproduktion weiter verlangsamen wird.Gleichsam verhalten sind daher auch die mittel- und längerfristigen Aussichten. Der China Economic Panel (CEP) vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und die Fudan Universität in Shanghai gehen für das Gesamtjahr nur noch von einer BIP-Wachstumsrate von 6,1 % aus. Für 2020 liegt die Prognose bei 5,9 %. Bundesbank und Sachverständigenrat erachten die Probleme China als große Belastung für die Weltwirtschaft. Auch wir schätzen unterm Strich die Implikationen für das chinesische Wachstum als eindeutig negativ ein, so dass das Bruttoinlandsprodukt 2020 nach unserer Prognose nur mit Mühe die Rate von 6 % erreichen sollte.Vor diesem Hintergrund wird es auf absehbare Zeit sowohl eine fiskalische Flankierung von der chinesischen Regierung als auch eine monetäre Unterstützung durch die PBoC geben müssen. Erst kürzlich hat die Zentralbank eine erste Reform des Zinssystems umgesetzt. Seit dem 20. August dürfen chinesische Banken neue Kredite nur noch nach Maßgabe der “Loan Prime Rate” (LPR) vergeben. Dieser Zins galt bisher nur für die besten Kunden eines Kreditinstituts; er liegt deutlich unter dem bislang maßgeblichen einjährigen Leitzins der Regierung. Für bestehende Kredite gilt weiterhin der ältere, und damit auch höhere Zinssatz. Weitere AbschwächungDurch diese Reform sollen Kredite für private Haushalte, aber vor allem auch für Unternehmen günstiger werden. Die Finanzierungskosten für die Realwirtschaft als Ganzes würden damit gesenkt, kündigten die Notenbanker an. Damit hofft die Zentralbank, der zuletzt deutlichen Abkühlung der chinesischen Wirtschaft entgegenzuwirken. Zudem kann die Maßnahme durchaus als erster Schritt hin zu einer weiteren Liberalisierung des traditionell staatlich geprägten Zinssystems Chinas gewertet werden. Auf jeden Fall lässt sich die Anpassung des Zinssystems durchaus als geldpolitische Lockerung einstufen. In der Vergangenheit hat sich China mit Zinssenkungen zurückgehalten – nicht zuletzt, um den bereits überhitzten Immobilienmarkt nicht noch weiter anzuheizen. Zuletzt hatte China den Leitzins im Oktober 2015 gesenkt.Natürlich lief die chinesische Regierung Gefahr, sich erneut der Kritik von Donald Trump auszusetzen; denn eine Zinssenkung geht – zumindest nach Lehrbuch – mit einer schwächeren Währung einher. Allerdings könnte der Zeitpunkt für diesen Schritt von China auch bewusst gewählt worden sein: Der US-Präsident hatte mit der Ankündigung, die Einführung weiterer Zölle vorerst zu verschieben, implizit zugegeben, dass für den US-amerikanischen Einzelhandel durch den Konflikt ein durchaus relevantes Problem entsteht – Stichwort Weihnachtsgeschäft. Also gewissermaßen ein Trumpf gegen Trump!Und der Wechselkurs Dollar/Yuan? Wir gehen für den verbleibenden Jahresverlauf von einer weiteren leichten Abschwächung des Yuan aus. Denn selbst ein vergleichsweise schnelles Ende des Handelsstreits würde die konjunkturelle Situation nicht von einem Tag auf den anderen verbessern. Hier erwarten wir eher noch weitere geldpolitische Maßnahmen. *) Sebastian Sachs ist Währungs- und Devisenanalyst bei Metzler.