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Schweizer Franken hadert mit der Politik

Von Matthias Krieger *) Börsen-Zeitung, 17.7.2018 Unbeeindruckt von Handelskonflikten und Sorgen um den Zusammenhalt von Europäischer Union (EU) und Euroraum läuft die eidgenössische Konjunktur rund wie eine Schweizer Uhr. Das Bruttoinlandsprodukt...

Schweizer Franken hadert mit der Politik

Von Matthias Krieger *)Unbeeindruckt von Handelskonflikten und Sorgen um den Zusammenhalt von Europäischer Union (EU) und Euroraum läuft die eidgenössische Konjunktur rund wie eine Schweizer Uhr. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des exportorientierten Landes legte im ersten Quartal 2018 gegenüber dem Vorquartal um 0,6 % zu (2,2 % im Jahresvergleich) und konnte damit ein relativ hohes Expansionstempo behaupten. Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe lag im Juni bei 61,6 Zählern und logiert weiterhin komfortabel oberhalb der kritischen Marke von 50 Punkten. Arbeitslosenquote fälltDie saisonbereinigte Arbeitslosenquote fiel im Juni auf 2,6 %, d. h., die Alpenrepublik erfreut sich veritabler Vollbeschäftigung, und dies ohne Anzeichen einer Beschleunigung des Preisauftriebs. Bereinigt um die volatilen Energiepreise lag die Inflationsrate im Juni bei 0,5 %. Für die Schweizerische Nationalbank (SNB) besteht keine Notwendigkeit, die Geldpolitik zu straffen. Das Zielband für das Dreimonatsgeld liegt bei -1,25 % bis -0,25 %, der Zinssatz für bei der SNB gehaltene Sichteinlagen bei -0,75 %. Wir erwarten hier zumindest bis Ende 2019 keinen geldpolitischen Kurswechsel. Franken befestigt sichDer Franken konnte sich gegenüber dem Euro zuletzt wieder befestigen, nachdem noch Mitte April die Marke von 1,20 Franken (sfr) ins Wanken zu geraten schien. Aktuell sind für einen Euro 1,17 Franken zu berappen. Gründe für die Erholung gibt es einige. So war eine Reihe von Konjunkturdaten im Euroraum zuletzt schwächer ausgefallen und die Politik Trumps nährte Sorgen auch um die Euroraum-Konjunktur. Vor allem aber hat der Ausgang der Italienwahl einen Kristallisationspunkt für ein potenzielles Wiederaufleben der Euro-Krise geschaffen. Mit Blick auf die Gemeinschaftswährung wurde längere Zeit vor allem Frankreich als Gefahr gesehen. Mit der Wahl Macrons wendete sich das Blatt und der Euro zeigte auch zum Schweizer Franken Stärke. Italien steht im FokusNun steht das ähnlich große, aber hoch verschuldete Italien im Fokus, womit sich auch die Stimmung für den Euro wieder verschlechterte. Italiens neue Regierung ist eine Sammelbewegung aus Populisten, die nach entbehrungsreichen Jahren jetzt erst einmal allen “dolce vita” verspricht und in Teilen mit einem Austritt aus dem Euro liebäugelt. Für den Franken generiert dieses Umfeld u. E. zunächst Aufwertungspotenzial. Trotz aller Gefahren ist die Risikoaversion z. B. gemessen am Vix oder VDax nach dem starken Anstieg im Februar wieder erstaunlich rasch und tief gesunken, was im aktuell eher unsicherer gewordenen Umfeld die Gefahr einer erneuten Gegenbewegung erhöht. Eine erneute Zunahme der Risikoaversion könnte Kapital aus dem Euro in den Schweizer Franken treiben, insbesondere wenn auch Italien weiter unter Druck geriete – die kräftig gestiegenen CDS-Prämien auf italienische Staatsanleihen sind im Gegensatz zu Vix und VDax zuletzt nur wenig zurückgekommen. Ängste um WeltkonjunkturDer von der EZB beschlossene Ausstieg aus dem Anleihekaufprogramm bis Jahresende und die damit für 2019 in Aussicht gestellte Zinswende würde dann rasch an Glaubwürdigkeit verlieren, der Zinsnachteil von Anlagen im Schweizer Franken wäre kein Thema mehr. Potenziell belastend kommen latente Ängste um die Weltkonjunktur im Zusammenhang mit der erratischen Politik Trumps hinzu. Gerade das längst nicht krisenfeste EU-Europa – Stichworte sind Brexit, Migrationspolitik sowie Konsolidierung der Staaten, Unternehmen und Banken des Euroraums – ist aber auf ein einigermaßen stabiles wirtschaftliches Umfeld angewiesen, um seiner Probleme Herr zu werden. Die jüngste Entwicklung sollte somit eher den Franken stützen als den Euro. Mit Blick auf die anhaltend robuste Konjunktur in der Schweiz gehen wir daher davon aus, dass Euro/Schweizer Franken vor diesem Hintergrund bis Jahresende in Richtung 1,10 Schweizer Franken fallen wird. Allerdings gehen wir nicht davon aus, dass diese Marke unterschritten wird. Was den Handelskonflikt anbelangt, zeigen die ablehnenden Reaktionen großer US-Unternehmen und Unternehmensverbände auf Zölle und stagnierende US-Aktienkurse an, dass auch die US-Wirtschaft unter einer Eskalation leiden würde. Zudem gibt es erste Schätzungen, die nennenswerte aus den Zöllen resultierende Wachstumsverluste für die US-Wirtschaft quantifizieren. Vom Markt abhängigDies dürften Argumente sein, die Trump auch im Eigeninteresse kaum ignorieren kann. Und in Europa dürfte die Regierung Italiens rasch begreifen, unter welch engen Finanzierungsbedingungen sie agieren muss und wie abhängig sie – das Ende des EZB-Anleihekaufprogramms vor Augen – von den Märkten und deren Meinung zu Italien ist. Vor diesem Hintergrund dürfte auch der Euro im Jahresverlauf 2019 mehr Rückenwind erfahren, unterstützt durch die Aussicht auf eine Zinswende im Euroraum. Bewegung um 1,15 FrankenDas Paar Euro/Schweizer Franken dürfte sich 2019 u. E. in einer größeren Bandbreite um die Marke von 1,15 Franken bewegen. Mit Trump ist allerdings ein nur eingeschränkt vernunftgeleiteter “Player” im Spiel und auch bei Teilen mancher Regierungen großer EU- bzw. Euro-Länder hat man mitunter diesen Verdacht.—-*) Matthias Krieger ist Senior Economist bei der Landesbank Baden-Württemberg.