Schwellenländer am Wendepunkt

Die Pause bei der Dollar-Aufwertung lässt Unterschiede zwischen den Währungen zutage treten

Schwellenländer am Wendepunkt

Die Währungen der Schwellenländer haben sich zuletzt stabilisiert, auch weil die Aufwertung des Dollar eine Pause einlegt. Doch der Anlageklasse droht nicht nur von steigenden US-Zinsen Ungemach, auch das nachlassende Wachstum in den aufstrebenden Volkswirtschaften könnte sich als Belastung erweisen. Allerdings spielen länder- und regionenspezifische Faktoren eine wachsende Rolle für die Wechselkurse von Real, Rupie und Co.Von Stefan Schaaf, FrankfurtSchwellenländeranleger denken beim Stichwort US-Zinswende vor allem an den Tapering-Schock von 2013, als die Anlageklasse regelrecht einbrach. Grund dafür war die Ankündigung des damaligen US-Notenbankpräsidenten Ben Bernanke, dass die Anleihekäufe auslaufen könnten. Nun, fast zwei Jahre später und nach der Beendigung der quantitativen Lockerung der Fed, stehen die USA vor der ersten Zinserhöhung seit Beginn der Finanzkrise – Unklarheit herrscht derzeit nur darüber, ob die Notenbank diesen Schritt im Sommer oder Herbst oder erst Anfang 2016 gehen wird, denn selbst aus der Fed kommen diesbezüglich derzeit unterschiedliche Signale. Doch da der Trend klar zu sein scheint, hat auch der Dollar deutlich aufgewertet, wodurch im Gegenzug die Schwellenländerwährungen unter Abwertungsdruck gerieten.Seit Jahresanfang haben sie gemäß eines von MSCI berechneten Index nur 0,3 % an Wert verloren, seit Anfang 2014 jedoch 4,5 %. “Wir denken, dass die globalen Märkte an einem Wendepunkt angekommen sind, an dem die erwartete Beschleunigung des Wachstums in den entwickelten Ländern, steigende Industrieländerrenditen und ein Anstieg der globalen Inflation voraussichtlich die Stabilität von Schwellenländeranlagen in Frage stellen – unter der Annahme, dass das Wachstum in den Schwellenländern schwach bleibt”, heißt es im aktuellen Ausblick von Morgan Stanley.Auch der Internationale Währungsfonds hatte kürzlich erklärt, die Industrieländer träten an die Stelle der Schwellen- und Entwicklungsländer als Antreiber der globalen Konjunktur.Doch während die Schwellenländerwährungen insgesamt wieder unter Druck geraten können, gibt es auf Länderebene Auf- wie auch Abwertungen. Längst bilden die Schwellenländerwährungen keine einheitliche Anlageklasse mehr, sondern weisen zunehmend regionale und länderspezifische Besonderheiten auf. Politische und ökonomische Umstände des jeweiligen Landes gewinnen zunehmend an Bedeutung. Während der Rubel angesichts eines stabilisierten Ölpreises und der Eindämmung des Krieges in der Ostukraine seit Jahresbeginn mehr als 20 % an Wert zum Dollar gewann, stürzten der brasilianische Real und die türkische Lira deutlich ab. Lira und Rand überbewertetIm Fall der Türkei belasten die wachsende Nervosität wegen der Wirtschaftspolitik und die Furcht vor populistischen Maßnahmen der Regierung. So fordert diese trotz anhaltend hoher Inflation von der Notenbank Zinssenkungen, zumal sich die Volkswirtschaft nach Jahren des Booms, der vor allem von der Immobilienbranche angeheizt worden war, deutlich abgekühlt hat.Doch auch fundamental klafft zwischen den Währungen der Schwellenländer die Schere auseinander, wie eine Studie der UBS zeigt. Deren Ergebnisse beruhen vor allem auf Analyse der Zahlungsbilanzen der Länder. Auf der einen Seite stehen Währungen wie der südafrikanische Rand und die türkische Lira, die trotz der jüngsten Kursverluste deutlich überbewertet sind. Hingegen sind der Studie zufolge eine ganze Reihe asiatischer Währungen sowie der ungarische Forint überbewertet. Die UBS-Analysten nehmen dabei als Maß für die Unter- bzw. Überbewertung den Bedarf eines Landes zur makroökonomischen Anpassung, der nötig wäre, um die Zahlungsbilanz wieder ins Gleichgewicht zu bringen.