SERIE: ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (11)

Schwellenländer-Bonds sind nicht bloße Beilage

Börsen-Zeitung, 7.4.2018 Der Markt für Schwellenländeranleihen (EM-Anleihen) ist stark segmentiert, und aktuelle Schlagzeilen überlagern häufig Fundamentaldaten oder Bewertungen, was zu einem irrationalen Anlegerverhalten und entsprechenden...

Schwellenländer-Bonds sind nicht bloße Beilage

Der Markt für Schwellenländeranleihen (EM-Anleihen) ist stark segmentiert, und aktuelle Schlagzeilen überlagern häufig Fundamentaldaten oder Bewertungen, was zu einem irrationalen Anlegerverhalten und entsprechenden Fehlbewertungen führt. Bis dato gab es im Jahr 2018 bereits einige Auf und Abs bei Schwellenländeranleihen, die sich im weiteren Jahresverlauf möglicherweise fortsetzen werden. Sie sollten aber eher als Chance denn als Gefahr gewertet werden. Zugegeben, einen Spezialisten für EM-Anleiheinvestments nach den Vorteilen einer Anlage in die Assetklasse zu fragen ist ungefähr so, als würde man einen Obstbauern fragen, ob ein erhöhter Obstverzehr gut für die Gesundheit sei. Ähnlich wie bei einer obstreichen Ernährung gibt es zahlreiche Belege, die für Schwellenländeranleihen sprechen. Hohe risikobereinigte RenditeDie historischen Renditen der Assetklasse zeigen, dass sich eine Anlage unabhängig vom konkreten Einstiegszeitpunkt stets gelohnt hat. Ein Investment, das vor der Finanzkrise 2007 getätigt wurde, als die Kreditspreads (die Zinsdifferenz zwischen ausländischen Anleihen und US-Treasuries) auf historisch niedrigem Niveau lagen, hätte beispielsweise – allein basierend auf den Indexerträgen – eine doppelt so hohe Performance erzielt wie Staatsanleihen von Industrieländern. Die Performance hätte sich in etwa auf Augenhöhe mit der US-Aktien-Benchmark S & P entwickelt, bei nur halb so hoher Volatilität. Obwohl die Anlageklasse als besonders volatil gilt, erzielen Schwellenländeranleihen (in Hartwährung) im Vergleich zu anderen Assetklassen historisch mit die höchsten langfristigen, risikobereinigten Renditen. So wurde beispielsweise seit 1994 nur in vier Kalenderjahren ein negativer Ertrag verbucht, wobei jeweils ein Jahr mit extrem positiven Renditen folgte. Die annualisierte Rendite von auf Hartwährung lautenden EM-Anleihen lag in den vergangenen 15 Jahren bei mehr als 8 %. Das liegt unter anderem daran, dass es nur selten zu einem Ausfall von Schwellenländern kommt, die Zugang zu den Finanztöpfen des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank oder asiatischer Regierungen haben. Ganz anders verhält es sich am Markt für Hochzinsanleihen – wenn die Finanziers die Reißleine ziehen, ist es aus. Nicht so bei EM-Anleihen, denn Staaten springen nicht ab. Und historisch bewegte sich der Abschlag bei einem Ausfall zwar in einem breiten Band, war aber mit durchschnittlich rund 35 % in der Regel gering. Zudem waren die Schwankungen bei Schwellenländeranleihen geringer als bei US- und globalen Hochzinsanleihen. Nach dieser kurzen Einführung in die Anlageklasse wollen wir uns nun dem aktuellen Markt zuwenden, an dem eine der Hauptsorgen das Wiederaufflammen der Inflation ist. Dieses Thema wird 2018 voraussichtlich erneut in den Vordergrund treten. Zwangsläufig wird dies zu reflexartigen Reaktionen führen, da zögerliche Anleger Angst vor einem Anstieg der langfristigen Zinsen haben und ihre Vermögenswerte wieder in (ihrer Ansicht nach) sichere Häfen zurückholen. Wie bei allen kurzfristigen Nachrichten werden die Kursverluste Anlegern, die einen kühlen Kopf bewahren, Chancen bieten, um sich umfassend bei Anleihen mit attraktiven Spreads zu engagieren.Das war im Februar dieses Jahres zu beobachten, als die Inflationsängste für Schlagzeilen sorgten und Hartwährungsfonds in der Folge die stärksten Mittelabflüsse seit Dezember 2016 (als die US-Notenbank Fed die Zinsen erhöhte) erlitten. Ebenso schnell setzte die Erholung wieder ein, und bereits Ende Februar wurden wieder Mittelzuflüsse verzeichnet. Erstaunlich ist, wie leicht die Inflationsangst manche Anleger ergreift, obwohl die Zinserhöhungszyklen der Fed nicht mit Negativeffekten für Schwellenländeranleihen verbunden waren. Begründete ZinsstraffungDie Zinsstraffung durch die US-Notenbank ist durchaus begründet. So wurde die Produktionslücke in den USA absorbiert, das Vertrauen ist hoch, und die Investitionsausgaben beschleunigen sich. Gleichzeitig bleibt die Produktivität unverändert niedrig und begrenzt somit das Lohnwachstum. Angesichts einer gesunden Wirtschaft, die von einem robusten weltweiten und synchronisierten Wachstum profitiert, haben die Währungshüter in den USA den Kurs schrittweiser Zinserhöhungen eingeschlagen. Das synchronisierte Wachstum unterstützt die Rohstoffpreise und beschert eine volle Auslastung von Fabriken in Schwellenländern. Folglich war deutlich zu beobachten, dass die Spreads von Schwellenländeranleihen sich tendenziell straffen, wenn die Fed aus den richtigen Gründen an der Zinsschraube dreht. Unterinvestierte AnlageklasseIn einer globalisierten Welt, in der die Schwellenländer inzwischen über die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften, sollten EM-Anleihen nicht länger bloß als “Beilage” betrachtet werden. Mitunter empfiehlt sich eine taktische Über- oder Untergewichtung. Aus der strategischen Allokation ist die Anlageklasse bei immer mehr Anlegern kaum noch wegzudenken. Da das Gros der Investoren EM-Anleihen jedoch nach wie vor als Beilage betrachtet, bleibt die Anlageklasse unterinvestiert. Davon können erfahrene und aktive (geduldige) Anleger in Form von höheren Renditen profitieren. Ein Wiederaufflammen der Volatilität wie Anfang Februar ist somit etwas, das keine Angst auslösen, sondern genutzt werden sollte. Wie aber können Anleger von diesen Ineffizienzen in Schwellenmärkten profitieren? Wir sind überzeugt, dass durch eine sorgfältige Analyse nach dem Bottom-up-Prinzip und durch die Bereitschaft, auch abseits der Benchmark nach Anlagechancen zu suchen, langfristige Renditen bei EM-Anleihen erzielt werden. Wir werden uns nicht von vorübergehenden Inflationsängsten beeindrucken lassen. Unser Motto lautet vielmehr: Gelassen bleiben und Kursschwächen gezielt nutzen.—-Luc D’hoogeHead of Emerging Market Bonds, Vontobel Asset Management