GASTBEITRAG ZUR SERIE: ANLAGETHEMEN IM BRENNPUNKT (93)

Schwellenländer-Corporates viel besser als ihr Ruf

Börsen-Zeitung, 2.11.2019 Tageshöchsttemperatur von minus 5 Grad Celsius, gefühlt jedoch minus 10 - so frostig kalt ist es am Anleihemarkt für entwickelte Länder geworden. Die Zinserosion der globalen Zentralbankenpolitik drängt Anleger immer tiefer...

Schwellenländer-Corporates viel besser als ihr Ruf

Tageshöchsttemperatur von minus 5 Grad Celsius, gefühlt jedoch minus 10 – so frostig kalt ist es am Anleihemarkt für entwickelte Länder geworden. Die Zinserosion der globalen Zentralbankenpolitik drängt Anleger immer tiefer ins Negativzins-Terrain. Gleichzeitig verleiten niedrige Volatilität und die händeringende Suche nach Erträgen Anleger dazu, längere Laufzeiten zu kaufen und so mehr Duration und Zinsänderungsrisiko auf sich zunehmen.Tatsächlich können sich Anleiheanleger nicht warm genug anziehen, da traditionell sichere Häfen lange nicht mehr so sicher sind, wie weithin angenommen. Das liegt daran, dass Staatsregierungen – und allen voran Staatsregierungen entwickelter Länder – von den niedrigen Zinsen profitieren, indem sie sich zu sehr günstigen Konditionen an den Kapitalmärkten refinanzieren können. So hat beispielsweise Österreich im Dezember 2017 eine 100-jährige Anleihe mit einem Kupon von 2,17 % emittiert. Jedoch weist die Anleihe derzeit eine Duration von 54 auf, was den Preis der Anleihe um 5,4 % bei einer Zinsänderung von einem Basispunkt ausschlagen lässt. So ist es kaum verwunderlich, dass die Anleihe seit August dieses Jahres 25 % an Wert verloren hat. Sicherheit klingt anders.Negative Renditen und erhöhtes Risiko sind nicht gerade nach dem Geschmack des Anleiheanlegers, der gezwungen zu sein scheint, sein Ziel fairer Kompensation für das eingegangene Risiko erst mal auf Eis legen zu müssen. Wer jedoch nicht gleich das Handtuch werfen will, sollte einen Blick auf Unternehmensanleihen aus Schwellenländern werfen. In der Vergangenheit haben diese bei weit geringerer Volatilität als weithin angenommen konsistente, risikobereinigte Renditen geliefert.Bereits ein nüchterner Blick auf historische Datenverläufe der letzten drei Jahre zeigt, dass Unternehmensanleihen der Schwellenländer weitaus weniger volatil sind und weniger Maximalverluste hinnehmen mussten, als Staatsanleihen entwickelter Länder. Das mag überraschen, wird aber verständlich, wenn man die durchschnittliche Duration des Schwellenländerindex für Unternehmensanleihen (4,49) mit seinem Pendant für US-Staatsanleihen (6,90) vergleicht. Niedrigere Duration macht weniger anfällig für Zinsänderungsrisiken und schützt somit vor Wertverwerfungen, die mit der Zentralbankenpolitik zusammenhängen. Gegenüber Aktien sieht die Anlageklasse beinahe harmlos aus.Dabei sind es gerade die Maximum Drawdowns der Anlageklasse, die gerne für Schlagzeilen sorgen – nicht ganz zu Unrecht, denn Schwellenländer sorgen oftmals für politische Dramen, die vor allem Anleger mit wenig Erfahrung im Umgang mit der Anlageklasse zum Rückzug veranlassen. Wenn alles schief geht, können diese Anleihen tief sinken. So lag beispielsweise der größte Wertverlust seit 2007 bei über 25 %, verglichen mit nur 8 % bei US-Staatsanleihen. Solch dramatische Kursverwerfungen sind allerdings selten. Klammert man die außerordentlichen Umstände der Finanzkrise von 2008 aus, haben die Verluste des Unternehmensanleihenindex der Schwellenländer seit 2007 10 % nicht überschritten. Schnelle ErholungEinen Aspekt vernachlässigen die reißerischen Headlines allerdings: die schnelle Erholung, mit welcher Unternehmensanleihen der Schwellenländer nach Markteinbrüchen gleich wieder obenauf sind. Im Allgemeinen gilt: Wer Durchhaltevermögen beweist, wird belohnt, denn das Portfolio des Schwellenländeranlegers erholte sich im Zeitraum von 2007 bis 2018 im Schnitt drei Monate schneller als das desjenigen, der ausschließlich auf US-Treasuries gesetzt hatte. Beispielsweise benötigten Unternehmensanleihen aus Schwellenländern in der verlustreichsten Periode 424 Tage, um die Einbußen wieder wettzumachen. US-Staatsanleihen hingegen brauchten 126 Tage länger. Überraschenderweise kommt man mit Staatsanleihen aus Schwellenländern schneller wieder zur Ruhe, wenn der Sturm vorüber ist. Übertriebene ÄngsteÄngste vor Volatilität und extremen Wertverlusten bei Unternehmensanleihen aus Schwellenländern scheinen also übertrieben. Die Schlüsselfrage, die sich Anleiheanleger jedoch stellen sollten, ist: Werde ich für das eingegangene Risiko angemessen kompensiert? Die Antwort kann die Sharpe Ratio einer Anlageklasse liefern, die ein gängiger Indikator für die Qualität von risikoadjustierten Renditen ist. Je höher die Sharpe Ratio, desto mehr Überrendite erhalten Anleger für das Risiko, das sie auf sich nehmen. Unternehmensanleihen aus Schwellenländern machen in diesem Bereich im Vergleich zu anderen Anlageklassen eine gute Figur. Besonders beachtlich ist, dass Unternehmensanleihen aus Schwellenländern im Gegensatz zu anderen festverzinslichen Anlageklassen eine steigende Sharpe Ratio aufweisen.—-Wouter van Overfelt, Head of Emerging Market Corporate Bonds bei Vontobel Asset Management Zuletzt erschienen: Bei Wandelanleihen wird die Konvexität zur Fleißarbeit (92), DWS Allokationen auch bei Negativzinsen beibehalten (91), Lampe Asset Management Die Falltiefe von Anleiherenditen ist begrenzt (90), Berenberg Bank