"Schwellenländer haben ihre Lektion gelernt"
Schwellenländeranleihen sind eine Asset-Klasse, die derzeit im Fokus steht, die aber unter den in den USA steigenden Zinsen leiden könnte. Im Interview der Börsen-Zeitung erläutert Colm McDonagh, Leiter Schwellenländeranleihen bei Insight, einer Boutique von BNY Mellon Investment Management, die Perspektiven für Bonds aus den Emerging Markets.- Herr McDonagh, kürzlich hat Goldman Sachs eine Studie veröffentlicht, der zufolge das Währungsrisiko in Schwellenländern gesunken ist. Sind für Sie als Investor Assets aus den Emerging Markets sicherer geworden?Schwellenländer-Anleihen sind eine Mischung aus Anlagen in sogenannter harter Währung wie Dollar oder Euro und in lokaler Währung, also der jeweiligen Landeswährung. Bei harten Währungen besteht kein ausdrückliches Risiko, oder es ist einfach abzusichern. Bei lokalen Währungen gibt es einen guten Grund, in Bonds zu investieren wegen der oftmals höheren Zinsen. Die Währung kann höchstens dazu beitragen, einen zusätzlichen Ertrag zu generieren – oder die Erträge reduzieren. Das hängt auch immer von der Jurisdiktion ab, in der Sie als Investor Ihren Sitz haben. So haben europäische Investoren im vergangenen Jahr wegen der Stärke des Euro von der Rally in lokalen Schuldeninstrumenten aus Schwellenländern kaum profitiert. Als Dollar-Investor war es hingegen sehr interessant. Ein Teil der Herausforderungen für Anleger in lokaler Währung ist es also zu entscheiden, ob sie die Position offen lassen oder absichern. Wie man sich entscheidet, hängt auch vom Charakter der Schwellenländer-Währungen ab.- Wie lassen sie sich unterscheiden?Es gibt Währungen wie den chinesischen Renminbi oder den thailändischen Baht mit geringer Volatilität und einem geringen Beta, also einer geringen Sensitivität gegenüber dem Gesamtmarkt. Und dann gibt es Währungen mit einem hohen Beta wie etwa aus Südafrika, Mexiko, Brasilien, Russland oder der Türkei. Und als Drittes gibt es dann noch exotische Währungen wie das ägyptische Pfund. Aber die Schwellenländer haben ihre Lektion von den entwickelten Ländern gelernt: Wirtschaftliche Schocks werden durch die Volatilität der Währung abgefangen. Das ist für die Volkswirtschaften der aufstrebenden Länder eine bessere Situation als in der Vergangenheit, als Schocks oft durch ein fallendes BIP abgefangen wurde. Nun, die Antwort ist: Währungen sind der Motor der Volatilität, und für einen Investor kann das eine gute Sache sein.- Momentan richtet sich der Blick gerade bei Russland und der Türkei auf politische Entwicklungen. Wie wirken die sich aus?Egal ob Rubel oder Lira, sie wirken als eine Art Schockabsorber für ihre Volkswirtschaften. Beim vorhergehenden Russland-Schock – der Ölpreis war sehr niedrig – hat die Währung abgewertet. Man neigt zu sagen: Oh wie schrecklich, der Rubel wertet ab. Aber die russische Wirtschaft hat sich dann recht gut entwickelt, die Notenbank hat gut gehandelt, und der Schock wurde über den Rubel abgefedert. Auch entwickelte Volkswirtschaften wie die USA, Großbritannien oder Japan nutzen zu bestimmten Zeiten ihre Währungen in diesem Sinne.- Um kurz bei Russland zu bleiben: Wie wirken die im Frühjahr verschärften Sanktionen der USA gegen Unternehmen und Einzelpersonen im Hinblick auf russische Assets?Wir sahen immer schon Sanktionen gegen russische Institutionen oder Einzelpersonen. Neu ist in diesem Fall, dass sie bereits auf den Markt emittierte Anleihen betreffen. In der Vergangenheit war nur der Primärmarkt betroffen, nun können aber auch diejenigen von Sanktionen betroffen sein, die bei der Emission helfen. Ich denke nicht, dass sehr viel Klarheit besteht. Das führt zu Risikoaufschlägen, weil wir nicht sicher sein können im Hinblick auf die nächsten Aktionen. Allerdings rechne ich nicht mit einer weiteren Eskalation mit Russland.- Die Bedeutung des Westens für die Weltwirtschaft sinkt relativ betrachtet wegen des Aufschwungs der Schwellenländer. Welchen Einfluss hat das auf Kapitalströme und damit auch für Investoren?Wir vertreten die Ansicht, dass wir auf halbem Weg eines globalen Übergangs in der Wirtschaftsstruktur sind. Für lange Zeit waren die USA, aus vielerlei Gründen, dominierend. Deshalb war es als Investor immer sehr bedeutend zu verstehen, was in den USA geschieht. Nun verschiebt sich das ökonomische Gravitationszentrum sehr schnell Richtung Asien mit China als weltweit zweitgrößter Volkswirtschaft. Diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen, aber ich würde argumentieren, dass der Grad an Veränderungen in China wichtiger für die Weltwirtschaft ist als die USA – und insbesondere für die Emerging Markets. Dies hat auch Auswirkungen darauf, wie wir investieren, denn Asien hängt nicht mehr von westlicher Finanzierung ab. Viele Leute im Westen verstehen überhaupt nicht die finanzielle Stärke von China, sie betrachten große Teile Asiens noch immer als Entwicklungsländer. Als Schwellenländer-Investor lege ich bislang in Dollar-Bonds und einigen anderen Währungen an. In den kommenden fünf Jahren werden wir als Schwellenländer-Investoren immer stärker in Renminbi investieren.- Geht dieser Trend Hand in Hand mit den Kapitalflüssen vor dem Hintergrund des Leistungsbilanzdefizits der Vereinigten Staaten?Es besteht derzeit ein globales Ungleichgewicht im Hinblick auf das US-Handelsbilanzdefizit. Wir müssen in die 1980er Jahre zurückgehen, um eine ähnliche Situation zu sehen. Für die USA bestehen drei Wege, die Bilanz ins Gleichgewicht zu bringen: Erstens deutlich mehr Exporte. Das ist schwierig, weil sie in vielen Bereichen nicht mehr der Marktführer sind. Zweitens Zölle, die in der Geschichte noch nie erfolgreich waren. Das dritte ist die Abschwächung des Dollar – oder eine Kombination der drei Möglichkeiten. Der Nebeneffekt ist ein Wettbewerb um Kapital. Als Schwellenländer-Manager sind wir ja vorsichtig bei Ländern mit Leistungsbilanzdefiziten. – Aber Sie kaufen ja keine US-Staatsanleihen.Das stimmt, aber in der zweiten Ableitung hat das Bedeutung – nicht für alle, aber für einige Schwellenländer. Ein schwächerer Dollar bedeutet stärkere Schwellenländer-Währungen und stärkt deren lokale Anleihemärkte und Kreditwürdigkeit. Staaten und Unternehmen emittieren im Dollar, weil es günstiger für sie wird.- Was heißt das für einen Euro-Anleger?Das ist tatsächlich eine Herausforderung für Investoren, insbesondere wenn es um das Hedgen von Income geht. Wir halten typischerweise in Dollar denominierte Anleihen und haben zahlreiche Euro-Investoren. Es macht beim Ertrag in der Tat einen Unterschied. Das ist nicht ideal, aber besser als die Opportunitätskosten, dafür zehnjährige Bundesanleihen zu halten. Viele Euro-Investoren sehen das wachsende Risiko mit Bundesanleihen wegen der sehr hohen Duration. Dem stehen – im Dollar – Schwellenländer-Anleihen im Segment Investment Grade mit einem Ertrag von 4,6 % und im Hochzinsbereich mit 6,7 % gegenüber. Selbst wenn man das in Euro tauscht, so bedeutet dies nicht nur Income, sondern auch eine Diversifikation.- Schwellenländer-Anlagen waren in der Vergangenheit oft “Hot Money” mit kurzem Zeithorizont. Verändert sich dies zugunsten einer längerfristigen Anlage?Im Bereich Schwellenländer-Unternehmensanleihen, die typischerweise im Investment-Grade-Bereich angesiedelt sind, sehen wir signifikante langfristige Investitionen. Wir haben dazu viele Gespräche mit Investoren, in den vergangenen rund zwei Jahren hat es wirklich ein Umdenken gegeben bei Pensionskassen und Versicherern. Die entscheidende Veränderung ist, dass Anleger mit Schwellenländern inzwischen vertrauter sind.- Abschließende Frage: In welchen Ländern und Regionen investieren Sie derzeit gern?Allgemein gesprochen ist Asien teuer, aber wir haben dort kein Problem mit der Kreditqualität. Doch der Risikoaufschlag ist, von einigen Ausnahmen abgesehen, nicht sehr attraktiv. Das gilt etwa für Indonesien oder Investment Grade in China. Lateinamerika erholt sich im Hinblick auf die Wachstumsperspektiven und ist ein guter Ort, um investiert zu sein. Wir sehen Value in Brasilien, Argentinien oder Mexiko. In der Region Mittlerer Osten gab es jüngst einige politische Themen, und sie ist eher teuer, einige Komponenten sind allerdings attraktiv. In Mittelosteuropa sehen wir auch einige Gelegenheiten. In Russland sind wir kürzlich von einer Short-Position auf die Währung auf eine Long-Position gewechselt. Wir sehen auch Chancen in Kasachstan oder der Ukraine. In Afrika fühlen wir uns in einigen Staaten nicht wohl mit der Nachhaltigkeit der Schulden, es gibt dort aber auch Länder, denen wir positiv gegenüberstehen. Wir sprechen also nicht mehr so sehr von Regionen wie noch in den Jahren 2016 oder 2017. Heute muss man sehr viel selektiver vorgehen. Die jüngsten Ereignisse in der Türkei zeigten, dass man flexibel sein muss. —-Das Interview führte Stefan Schaaf.