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Schwellenländer spüren bereits den Trump-Sieg

Von Janis Hübner *) Börsen-Zeitung, 17.11.2016 Die politischen Beobachter tun sich nach dem überraschenden Wahlsieg von Donald Trump sichtbar schwer, die Folgen dieses Votums einzuordnen. Das liegt nicht so sehr daran, dass man sich mit dieser...

Schwellenländer spüren bereits den Trump-Sieg

Von Janis Hübner *)Die politischen Beobachter tun sich nach dem überraschenden Wahlsieg von Donald Trump sichtbar schwer, die Folgen dieses Votums einzuordnen. Das liegt nicht so sehr daran, dass man sich mit dieser Möglichkeit nicht beschäftigt hätte. Doch Trump ist ein Neuling im politischen Betrieb, der mit seinen Äußerungen im Wahlkampf großen Wert auf maximale Medienwirksamkeit legte, ohne dass klar wäre, an welcher Stelle er von tiefen Überzeugungen geleitet wurde. Zudem stellt sich die Frage, wie weit ihm die republikanische Mehrheit im Kongress folgen wird.Daher ist es verständlich, dass die erste Reaktion von Schwellenländerinvestoren von Risikoscheu geprägt ist. Eine ganz klare Botschaft sendet der Wertverfall des mexikanischen Pesos: Die Drohungen Trumps, illegale Einwanderer auszuweisen, was zu einem Rückgang der Geldüberweisungen nach Mexiko führen würde, und Importe aus Mexiko zu verteuern, werden ernst genommen. Immerhin gehen rund 80 % der mexikanischen Exporte in die USA. Währungen unter DruckNeben dem Peso sind vor allem der brasilianische Real und der südafrikanische Rand unter Druck geraten. Hier dürfte es den Investoren eher darum gegangen sein, nach deutlichen Aufwertungen seit Jahresbeginn Gewinne abzusichern, in der Angst, dass sich die Stimmung noch weiter gegen Schwellenländer richten könnte. Von einer protektionistischen Handelspolitik wären diese beiden Länder aber nicht unmittelbar betroffen, da US-Betriebe ihre Produktion nicht in großem Umfang hierher verlagert haben.Unter Einfuhrbeschränkungen in die USA würden neben Mexiko vor allem die Exportnationen Asiens leiden. Immer wieder hat Trump China beschuldigt, sich durch eine künstlich niedrig gehaltene Währung Vorteile zu verschaffen, auf die die USA mit Zöllen reagieren müssten. Dass China seit über zwei Jahren massiv am Devisenmarkt interveniert, um die eigene Währung zu stützen, hat Trump wohl übersehen. So ist es durchaus möglich, dass die USA Strafzölle verhängen, selbst wenn dies Ärger mit der Welthandelsorganisation nach sich zieht. Die Chinesen wären schon aus Gründen der Gesichtswahrung zu Gegenmaßnahmen gezwungen. Niemand weiß, wie weit das Spiel gehen würde. In jedem Fall würde es den ohnehin seit Jahren schwachen Welthandel belasten.Daneben plant Trump Steuersenkungen und Infrastrukturinvestitionen zur Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen. Ohne begleitenden Protektionismus könnte davon möglicherweise auch der Rest der Welt profitieren. Doch zunächst sind in den Schwellenländern vor allem die Kosten dieses erwarteten Stimulus zu spüren: Seit der Wahl sind die Inflationserwartungen in den USA und im Gleichschritt die US-Renditen gestiegen. Diesem Renditeanstieg konnte sich noch nicht einmal der Euro-Rentenmarkt entziehen, geschweige denn die Rentenmärkte der Schwellenländer. In Dollar denominierte Schwellenländerbonds verloren seit der Wahl rund 4 % an Wert. Lokalwährungsanleihen der Emerging Markets (EM) büßten einschließlich der Währungsverluste sogar 6 % ein.Für den weiteren Rentenmarktausblick hängt viel vom Verhalten der US-Notenbank ab. Schon vor der Wahl hat einiges für eine Zinsanhebung im Dezember gesprochen. Mit der Erwartung einer Lockerung der Fiskalpolitik sind die Argumente noch stärker geworden. Darüber hinaus müssen die Währungshüter abwägen, wie stark die zukünftige Wirtschaftspolitik auf Inflation und Wachstum wirken wird. Ungemütlich wird es für sie vor allem dann, wenn die fiskalischen Nachfrageimpulse angesichts einer angespannteren Arbeitsmarktlage die Inflation anheizen, ohne starkes Wachstum zu generieren. Doch ob mit oder ohne Wachstum: Eine höhere US-Inflation erscheint wahrscheinlich, und damit höhere US-Zinsen. Für Schwellenländeranleihen sind das schlechte Nachrichten. China profitiertDoch möglicherweise sind diese ökonomischen Folgen nicht das wichtigste Ergebnis des politischen Wandels, der sich in den USA anbahnt. Trump hat angekündigt, sich geopolitisch zurückhalten oder sogar zurückziehen zu wollen. Das löst Besorgnis bei den außenpolitischen Partnern und Frohlocken bei Konkurrenten auf der Weltbühne aus. Doch ob sich die USA tatsächlich aus Asien verabschieden werden und ihre Interessen im Nahen Osten weniger konsequent verfolgen als in der Vergangenheit, muss angesichts der großen Rolle, die die Sicherheitsinteressen speziell in der Republikanischen Partei spielen, bezweifelt werden. Doch schon die Tatsache, dass ein republikanischer Präsidentschaftskandidat über solche Fragen im Wahlkampf spekuliert, führt dazu, dass die Partner die Führungsmacht USA als weniger verlässlich betrachten. Profiteure sind vor allem China und Russland. In Asien haben sich schon vor der US-Wahl die Philippinen und Malaysia stärker China zugewandt, was an den internationalen Finanzmärkten eher mit Skepsis aufgenommen wurde. Länder, die sich weiterhin eng an der Seite der USA sehen, müssen möglicherweise mehr als bisher in die eigene Verteidigungsfähigkeit investieren, was die öffentlichen Haushalte belastet.So hat der Ausgang der US-Präsidentenwahl ungewöhnlich viele Fragen aufgeworfen. Die meisten davon werden nicht schnell beantwortet werden können. Doch die Erwartung höherer Zinsen und steigende Unsicherheit mit Blick auf Handelsbeschränkungen und strategische Bündnisse sprechen für eine vorsichtige Haltung von Schwellenländerinvestoren, die ein bislang gutes bis sehr gutes Jahresergebnis in Gefahr sehen. Dollar könnte aufwertenMan würde aber Donald Trump und den USA doch zu viel der Ehre antun, wenn man nun einen vollständig neuen Ausblick für die Weltwirtschaft zeichnete. Infrastrukturinvestitionen brauchen Vorlaufzeit und Steuersenkungen fließen nur zum Teil in zusätzliche Ausgaben. Große Teile der Weltwirtschaft dürften auch in den kommenden zwölf Monaten mit eher unbefriedigenden Raten wachsen. Will die Fed in diesem Umfeld die Zinsen deutlich anheben, riskiert sie eine weitere deutliche Aufwertung des Dollars.Es erscheint daher nicht angebracht, die Renditeanastiege der vergangenen Tage für die kommenden Monate fortzuschreiben. Beruhigt sich die Lage, werden die höheren Renditen auch bei EM-Anleihen schnell wieder als Einstiegschance begriffen. Der bisherige Jahresverlauf hat einmal mehr gezeigt, dass Schwellenländerinvestoren mit dem Einstieg nicht warten, bis alle Probleme gelöst sind. Da könnten sie lange warten. Es geht um ein günstiges Verhältnis von Chancen und Risiken. Mit mehr Klarheit über die Zusammensetzung und die Prioritäten der kommenden US-Administration dürfte die Risikowahrnehmung bereits wieder sinken. Denn zumindest eines erscheint sicher: Donald Trump will 2020 im Amt bestätigt werden.—-*) Janis Hübner ist Volkswirt im Makro-Research der DekaBank.