IM INTERVIEW: MARK MOBIUS, TEMPLETON

Schwellenländer warten auf Wende

Fondsmanager: Brexit-Angst lässt Investoren innehalten - "Trotzdem verändert sich die Stimmung"

Schwellenländer warten auf Wende

Ein EU-Austritt Großbritanniens wäre ein Rückschlag für den freien Handel weltweit und träfe auch Schwellenländer, sagt Fondsmanager Mark Mobius von Franklin Templeton. Dennoch stehe dem krisengeplagten Segment der Emerging Markets ein Aufschwung bevor.- Herr Dr. Mobius, seit Wochen diskutiert die Finanzgemeinde die Gefahren eines Brexits, also eines möglichen Austritts Großbritanniens aus der EU. Berührt Sie das als Schwellenland-Experten?Die Ereignisse in der Europäischen Union sind für die Emerging Markets bedeutend, denn viele Länder leben von Exporten auch nach Europa. Ein Brexit könnte andere EU-Länder bewegen, über einen Ausstieg nachzudenken. Für die Europäische Union und die ausscheidenden Länder würde dies bedeuten, dass sie etliche Handelsregeln neu vereinbaren müssten. Möglicherweise käme eine Verlangsamung des weltweiten Handels auf uns zu. Das wäre ein Problem für die Emerging Markets.- Die EU und Großbritannien hätten im Falle eines Austritts aber beide ein Interesse daran, wesentliche Handelsfreiheiten zu erhalten. Warum sollte es große Änderungen geben?Wenn es einen Ausstieg Großbritanniens gäbe, müssten sehr viele Vereinbarungen auf einmal neu verhandelt werden. Ein Großteil der Regulierung in Großbritannien basiert auf den EU-Regeln und könnte ebenfalls angepasst werden. Somit könnte sich das gesamte Bild dramatisch ändern.- Investoren haben also guten Grund, einen Brexit zu fürchten?Das kommt sehr darauf an. Einige Länder, die als Exporteure stark mit Großbritannien konkurrieren, könnten durch einen Brexit Vorteile erlangen. Das dürfte gerade osteuropäische Staaten betreffen, die entwickelte Länder innerhalb Europas wie Deutschland und Frankreich beliefern. Insgesamt wäre ein Brexit allerdings negativ für Europa und für die Welt und damit auch für einen Großteil der Emerging Markets.- Viele Investoren blicken ohnehin kritisch auf die Märkte der Schwellenländer, nachdem etwa Turbulenzen an den chinesischen Börsen, die Regierungskrise in Brasilien und die Sanktionen gegen Russland die Perspektive getrübt haben. Wann wird sich die Stimmung ändern?Wann immer Unsicherheit herrscht, neigen Leute dazu, keine Entscheidung zu treffen. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre hat das Segment der Emerging Markets gelitten. Die Performance war nicht so gut wie jene der entwickelten Länder, insbesondere der USA. Wir haben daher Abflüsse aus verschiedenen Publikumsfonds gesehen, einschließlich aus unseren eigenen Produkten. Jetzt kommt das britische Referendum hinzu und die Leute befinden sich in Wartehaltung. Trotzdem verändert sich die Stimmung, auch weil der Dollar nicht mehr so stark ist.- Warum ist ein schwacher Dollar für Schwellenländer vorteilhaft?Während der vergangenen Jahre hat der Dollar an Wert gewonnen, und auch die Märkte in den USA haben sich gut entwickelt. Für Investoren schien es besser, in den USA investiert zu sein, anstatt in den Emerging Markets.- Ist es also weniger entscheidend, wie die Schwellenländer für sich betrachtet dastehen, sondern wie sie sich im Vergleich zu den USA schlagen?Genau. Der US-Markt ist, wie Sie wissen, der größte Markt in der Welt. Wenn Geld in die USA fließt, zieht das Geld aus anderen Regionen. Jetzt, wo Investoren die Emerging Markets sehr stark untergewichtet haben, erkennen sie langsam, dass sie diese Länder wieder verstärkt in den Blick nehmen sollten.- Noch aber haben die Schwellenländer ihre Probleme nicht überwunden. Wieso sollten Investoren optimistisch sein?Es gibt einige Probleme, aber wenn Sie das gesamte Bild sehen, erkennen Sie, dass die Dinge gar nicht so negativ sind. Die Aktien in den Emerging Markets sind gerade sehr billig, viel günstiger als US-Papiere, was Kennzahlen wie die Dividendenrendite, das Kurs-Gewinn-Verhältnis und das Kurs-Buchwert-Verhältnis betrifft.- Die Bewertung spiegelt auch den Pessimismus von Investoren wider. In China, dem wichtigsten Schwellenland, verlangsamt sich das Wachstum und die chinesische Wirtschaft hat Schulden aufgebaut. Droht eine Krise?Viele Leute sind über die Schuldenlast in China besorgt. So sind private Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt sehr hoch, höher als in den USA. Wir sollten aber nicht vergessen, dass die chinesische Wirtschaft eine kontrollierte Wirtschaft ist. Die Regierung kann bis zu einem gewissen Grad die Geldströme steuern und Wechselkurse beeinflussen. Das Land hat definitiv ein Schuldenproblem, doch es dürfte nicht zu einer so schweren Krise führen, wie wir sie zum Beispiel in den USA nach dem Subprime-Debakel beobachtet haben.- Neben den wirtschaftlichen Unwägbarkeiten gibt es auch politische Risiken. Länder wie China, Vietnam, Saudi-Arabien und andere sind autoritär regiert und haben keinen Mechanismus, einen Dissens friedlich zu lösen. Entsteht da nicht auch ein hohes Risiko für Investoren?Das ist ein Risiko, das stimmt. Das Argument hat aber zwei Seiten. Eine starke Regierung innerhalb eines Einparteiensystems kann sich positiv auf die Stabilität der Wirtschaft auswirken – Singapur gilt als Beispiel dafür. Ich glaube, dass insgesamt mehr Schwellenländer versuchen, das Modell Singapurs nachzuahmen, also ein System mit einer Einparteienregierung und mit strikten Regeln und einer effektiven Regulierung.- Nach diesem Modell öffnet sich ein Land also unter staatlicher Aufsicht im ökonomischen Sinne, während das politische System unter Kontrolle einer Partei bleibt?Die Befürworter glauben, dass in einem Einparteiensystem mit stabilen politischen Verhältnissen eine Regierung lange im Amt bleiben kann und daher fähig ist, auf lange Sicht ein Ziel zu verfolgen. Wichtig ist aber, dass diese Regierung nicht korrupt ist. Korruption ist überall auf der Welt ein Problem, nicht nur in Schwellenländern.—-Das Interview führte Jan Schrader.