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Schwellenländerbonds sorgen für Enttäuschung

Von Janis Hübner *) Börsen-Zeitung, 24.9.2020 Die Coronakrise ist noch lange nicht ausgestanden. Während in vielen Industrieländern eine zweite Ansteckungswelle zu beobachten ist, befinden sich die meisten Schwellenländer sogar noch in der ersten....

Schwellenländerbonds sorgen für Enttäuschung

Von Janis Hübner *)Die Coronakrise ist noch lange nicht ausgestanden. Während in vielen Industrieländern eine zweite Ansteckungswelle zu beobachten ist, befinden sich die meisten Schwellenländer sogar noch in der ersten. Einige Länder haben durch die Verhängung besonders strenger Beschränkungen des öffentlichen Lebens versucht, die Ausbreitung des Virus zu stoppen, doch solange es keinen breit verfügbaren Impfstoff gibt, werden die Ansteckungszahlen immer wieder steigen, wenn die Regeln zur Kontaktbeschränkung gelockert werden.Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie sind massiv. Der Einbruch der Wirtschaft war tiefer als während der globalen Finanzkrise. Doch schon seit Mai geht es in fast allen Ländern konjunkturell wieder aufwärts. Während die Erholung im verarbeitenden Gewerbe in vielen Ländern schon weit vorangeschritten ist, leiden insbesondere der Tourismussektor und Restaurants weiterhin stark. Der Ölpreis hat sich von seinen Tiefständen erholt, doch er bleibt deutlich unter den Vorkrisenniveaus. Der Einbruch der Wirtschaft hat zu einer deutlichen Ausweitung der Haushaltsdefizite und zu einem Anstieg der öffentlichen Verschuldung geführt. Der Ratingtrend der Schwellenländer war schon vor der Krise negativ, und das Tempo der Herabstufungen hat sich nochmals beschleunigt. Es fließt Kapital zurückIn diesem Umfeld wäre ein anhaltender Vertrauensverlust internationaler Investoren in die Zahlungsfähigkeit von Schwellenländern nicht verwunderlich gewesen. Im März lagen die Abflüsse aus Schwellenländeranlagen auf einem historischen Hoch. Doch sehr schnell haben Investoren wieder Zutrauen gefasst. Seit April fließt wieder Kapital in die Schwellenländer zurück. Eine Begleiterscheinung der Coronakrise ist die Einschätzung, dass das Niedrigzinsumfeld in den Industrieländern für viele Jahre zementiert ist. Die Suche nach höher verzinsten Alternativen ist daher keine taktische Überlegung, sondern eine strategische Notwendigkeit. Von diesem Anlagedruck profitieren auch Inlandswährungsanleihen aus dem Schwellenländeruniversum.EM-Inlandswährungsanleihen sind als Markt in den vergangenen Jahren ohnehin immer wichtiger geworden. Schwellenländer haben erkannt, dass die Finanzierung in Dollar oder Euro die Krisenanfälligkeit deutlich erhöht, so dass sie neue Anleihen vermehrt in eigener Währung begeben haben. Mittlerweile sind viele Inlandswährungsanleihenmärkte so liquide, dass sich dort auch große Volumina in der Regel problemlos abwickeln lassen. Gleichzeitig haben die Zentralbanken eine hohe Glaubwürdigkeit aufgebaut, indem sie sich Inflationsziele gesetzt haben und diese konsequent verfolgten.So sind in diesem Jahr trotz zunächst hoher Kapitalabflüsse die Renditen bei EM-Inlandswährungsanleihen wie bei Industrieländeranleihen gesunken. Die Coronakrise hat über den Einbruch der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage einen Druck zu niedrigeren Inflationsraten ausgelöst. Dies hat den Zentralbanken die Möglichkeit gegeben, die Leitzinsen zu senken, um damit die Wirtschaft zu stabilisieren. In einzelnen Ländern haben zwar Angebotsengpässe einen Rückgang der Inflationsrate verhindert, so in Indien und Teilen Mitteleuropas. Doch der Trend zu niedrigeren Inflationsraten war in Schwellenländern insgesamt ähnlich deutlich wie in den Industrieländern.Eine weitere Ähnlichkeit zwischen Industrie- und Schwellenländern ist dagegen eine echte Neuheit und fast schon eine kleine Revolution: Schwellenländer haben erstmals in großer Zahl eigene Anleiheankaufprogramme der Zentralbanken beschlossen. Die erfolgreiche Einführung solcher Programme ist nur möglich, wenn das Vertrauen in den Stabilitätswillen der Länder ausreichend vorhanden ist. Sehen die Investoren in diesen Programmen dagegen den Versuch, Staatsschulden einfach “weginflationieren” zu wollen, wären eine Flucht der Investoren und ein tiefer Einbruch der Währung die Folgen. Die Schwellenländer haben ihre Anleiheankaufprogramme als zeitlich begrenztes Instrument zur Bekämpfung der Coronakrise bezeichnet. Den Investoren dürfte klar sein, dass es ähnlich dem Vorbild in den Industrieländern nicht unwahrscheinlich ist, dass solche Programme immer wieder reaktiviert werden und die Zentralbankbilanzen dauerhaft größer sein dürften als zuvor. Neue FreiheitenDoch der aus Sicht der Schwellenländer positive Befund ist, dass die Investoren bereit sind, den Schwellenländern diese neuen Freiheiten zu gewähren. Die Erfahrung der vergangenen Jahre spricht ebenfalls dafür. Denn die Schwellenländer sind außerhalb Asiens und Mitteleuropas zwar in den vergangenen Jahren regelmäßig an ihre Grenzen gestoßen, wenn es darum ging, die Voraussetzungen für hohes Wirtschaftswachstum zu schaffen und die soziale Ungleichheit zu beseitigen. Gleichzeitig hatten die Zentralbanken aber in der Regel die Rückendeckung der Regierungen bei ihrem Kampf um stabile Inflationsraten. Ein massiver Anstieg der Inflation wird in der Bevölkerung unmittelbarer wahrgenommen als eine dauerhafte Wachstumsschwäche und führt eher zu dem Urteil, die Wirtschaftspolitik sei gescheitert.Obwohl die Schwellenländer ein halbes Jahr nach der weltweiten Ausbreitung von Covid-19 mit Blick auf die Finanzmärkte besser durch diese Krise gekommen sind, als man befürchten musste, fällt die Bilanz am Markt für EM-Schwellenländeranleihen für internationale Investoren dennoch klar negativ aus. Denn das Ergebnis wird in dieser Anlageklasse regelmäßig durch die Währungsentwicklung dominiert, und die war in der Krise erwartungsgemäß schwach. Die Währungen großer Länder wie Brasilien, Russland, Türkei oder Südafrika verloren seit Jahresbeginn gegenüber dem Dollar deutlich mehr als 10 %, im Falle Brasiliens sogar rund 25 %. Inflationsrate dürfte steigenDer Blick nach vorne ist gegenwärtig aufgrund der Unsicherheit, ob, wann, in welchen Mengen und zu welchen Preisen ein Covid-19-Impfstoff erhältlich sein wird, besonders schwer. Doch wenn es neue Ausgangsbeschränkungen geben wird, werden diese nicht mehr so umfassend sein wie zu Beginn der Krise. Die Konjunktur wird sich auf globaler Ebene weiter erholen. Die Inflationsraten dürften wieder leicht steigen, doch eine geldpolitische Straffung, die diesen Namen verdient, wird es wohl weder 2020 und noch 2021 geben. Die Anleiherenditen dürften nur leicht steigen.Ohne Unterstützung durch höhere Leitzinsen werden sich EM-Währungen schwertun, einen klaren Aufwärtstrend einzuschlagen. Neue Verluste sind zumindest auf Sicht von zwölf Monaten wahrscheinlicher als Gewinne. Mit Blick auf den Währungsausblick bleibt es bei der unerfreulichen Feststellung, dass die meisten großen Schwellenländer zwar mittlerweile in der Lage sind, schwere Finanzkrisen zu verhindern, doch Strategien für dauerhaft hohes Wirtschaftswachstum hat man bislang nur in Asien und Mitteleuropa gefunden. *) Janis Hübner ist im Makro-Research der DekaBank tätig.