GASTBEITRAG

Sektorneutrale Portfolios bei Low-Volatility-Strategien überlegen

Börsen-Zeitung, 18.4.2015 Eine aktienähnliche Rendite bei niedrigerem Risiko lautet das Versprechen aller Investmentstrategien, die gezielt in Aktien mit besonders niedrigerer Volatilität investieren. Die reine Lehre der Finanzwissenschaft kann...

Sektorneutrale Portfolios bei Low-Volatility-Strategien überlegen

Eine aktienähnliche Rendite bei niedrigerem Risiko lautet das Versprechen aller Investmentstrategien, die gezielt in Aktien mit besonders niedrigerer Volatilität investieren. Die reine Lehre der Finanzwissenschaft kann dieses Phänomen noch nicht logisch erklären, da sie der Investmentregel “Hohe Rendite nur für hohes Risiko” widerspricht. Dennoch haben zahlreiche Studien und Investmentfonds die Existenz dieser als Low-Volatility-Anomalie (Low-Vol) bezeichneten Abweichung in den vergangenen 50 Jahren bestätigt.Auch Low-Vol-Strategien bergen jedoch spezifische Risiken, die durch die bisherige Umsetzung des Konzepts entstehen oder durch den Erfolg im Markt selbst verursacht werden. Die meisten Fonds mit diesem Schwerpunkt folgen der als Minimum Variance bekannten Strategie zur Identifikation von Aktien, die gemessen am Beta ein besonders niedriges Risiko aufweisen. Das Ergebnis dieser Auswahl ist ein Portfolio mit einem starken Fokus auf Value-Werte und auf besonders schwankungsarme Sektoren wie Versorger oder Konsumgüter.Ein starker Faktor-Bias ist für Investoren aus drei Gründen kritisch. Der erste Kritikpunkt ist das sogenannte Crowding: Mit der steigenden Nachfrage professioneller Investoren nach diesen spezifischen Aktien steigen auch die Preise. Value-Werte verteuern sich und machen den möglichen Renditevorsprung aus der attraktiven Wertentwicklung bei niedrigerer Volatilität wieder zunichte. Denn Low-Vol-Strategien setzen ja nicht allein auf Werterhalt. Sie benötigen ebenso attraktive Returns, die den Ergebnissen des gesamten Marktes nahe kommen und im Verhältnis zum Risiko den Markt sogar übertreffen sollen.Der zweite Kritikpunkt der bisherigen Low-Vol-Strategien ist das Cluster-Risiko. Denn bei den schwankungsärmsten Werten handelt es sich typischerweise um klassische Value-Titel, die sich vor allem in defensiven Segmenten wie Energieversorger oder Verbrauchsgüter finden. Die Folge sind wenig diversifizierte Portfolios, die sich stark von der Entwicklung einzelner Sektoren und Unternehmen abhängig machen. Laufen gerade diese Sektoren schwach, kann auch die Minimum-Variance-Strategie keine verlässlichen Renditen erzielen. Und laufen andere Segmente marktbedingt exzellent, werden Low-Vol-Fonds mit starkem Bias gegenüber defensiven Werten in der Performance hinter den Gesamtmarkt zurückfallen. Dazu kommt, dass es sich bei defensiven Werten häufig auch um dividendenstarke Aktien handelt, die auch von ausschüttungsfokussierten Fonds stark gesucht sind. Hier treibt die Nachfrage nicht nur den Preis in die Höhe. Durch den Fokus von Dividenden- und Low-Vol-Strategien auf die gleichen Aktien laufen Investoren Gefahr, sich trotz der Diversifikation in vermeintlich unterschiedliche Strategien ungewollt Cluster-Risiken ins Portfolio zu legen.Der dritte Kritikpunkt der bisher weit verbreiteten Low-Vol-Strategien ist eine starke Abhängigkeit von der Zinsentwicklung am Markt. Dieses Risiko ist aktuell von Bedeutung für Investoren, die sich bei steigender Volatilität am Gesamtmarkt mit einer Low-Vol-Strategie gegen eine mögliche Marktkorrektur absichern wollen. Der Grund für das hohe Exposure von Minimum-Variance-Strategien gegenüber Zinsrisiken ist wieder der starke Fokus auf defensive Branchen wie beispielsweise Energieversorger.Denn typischerweise betreiben diese Unternehmen Geschäfte mit sehr hohen Investitionskosten, die zu großen Anteilen über Anleihen und Kredite finanziert werden. Durch die hohe Fremdkapitalquote verhalten sich diese Aktien daher eher wie Bonds: Die Rentabilität dieser Unternehmen hängt stark von der Zinsentwicklung ab, steigende Zinsen führen zu sinkenden Erträgen und fallenden Kursen am Markt. Auch bei Zyklikern wirksamNeuere Untersuchungen haben jetzt jedoch gezeigt, dass die Low-Vol-Anomalie sich nicht nur in den bisher favorisierten defensiven Sektoren oder bei Dividendentiteln finden lässt. Die Low-Vol-Anomalie ist entgegen bisheriger Annahmen in allen, selbst zyklischen Sektoren wirksam. Sie lässt sich sogar in vier beispielhaft untersuchten Schwellenländermärkten nachweisen.Durch empirische Studien und systematisches Back-Testing konnte das Team von BNP Paribas Investment Partners belegen, dass eine Aktienauswahl, die bewusst alle Sektoren einbezieht, die gewünschte risikoadjustierte Outperformance der klassischen Low-Vol-Strategie nicht nur halten kann. Durch die sektorneutrale Asset-Allokation können auch die Effekte oben genannter Cluster- und Zinsrisiken weitestgehend beseitigt werden, was zu insgesamt stabileren und gegen Zinssteigerungen besser geschützten Portfolios führt. Die einzige Voraussetzung für diesen Effekt ist eine hinreichende Zeitspanne der Betrachtung, da die Low-Volatility-Anomalie sich nicht kurzfristig, sondern immer erst mit einem mittleren bis langfristigen Investitionshorizont manifestiert.Die sektorneutrale Low-Vol-Strategie profitiert vor allem von einer viel stärkeren Diversifikation im Portfolio, da innerhalb des Investmentuniversums mehr Branchen berücksichtigt werden können. Das führt zu einem deutlich niedrigeren Tracking Error des Fonds von durchschnittlich nur 5 bis 6 % im Vergleich zum Gesamtmarkt. Dadurch tritt die Strategie aus der Nische und kann sich deutlich besser mit den klassischen, aktiven Managern messen.Die historische Simulation in der Untersuchung zeigt zudem, dass das Alpha von Low-Volatility-Aktien zwischen den Sektoren nur gering korreliert. Konkret bedeutet das eine erhebliche Stabilisierung des Portfolios dank der breiten Diversifikation und gleichzeitig eine bessere Chance, von positiven Marktentwicklungen stärker zu profitieren.Dass eine sektorneutrale Low-Vol-Strategie durch die breite Diversifikation auch unempfindlicher gegen Zinsänderungen wird, ist für institutionelle Investoren gerade im aktuellen Umfeld besonders interessant. Beispielhaft zeigt dies, wie der traditionell konstruierte MSCI World Minimum Volatility Index sich im Vergleich zu der neuen, sektorneutralen Low-Vol-Strategie entwickelte. Im Zeitraum von Januar 1995 bis Oktober 2014 generiert die breit diversifizierte Strategie selbst bei einem stärkeren Anstieg der Zinssätze noch positives Alpha. Traditionelle Low-Vol-Ansätze drohen dagegen schon bei moderaten Zinserhöhungen ins Negative zu kippen. Risiken minimierenDie Erkenntnisse der umfangreichen Studie zum Erfolg der sektorneutralen Low-Vol-Ansätze wurden von BNP Paribas Investment Partners mittlerweile in das aktive Fondsmanagement übertragen. Der Asset Manager konnte seitdem auch in der Praxis zeigen, dass die übermäßige Fokussierung auf wenige Werte und Sektoren nach der dominierenden Minimum-Variance-Strategie unnötig ist. Zudem lassen sich durch das sektorneutrale Investment auch wesentliche Risiken der alten Ansätze minimieren oder fast vermeiden.—-Raul Leote de Carvalho, Head of Quantitative Research and Investment Solutions bei BNP Paribas Investment Partners