DEVISENWOCHE

Sind US-Schulden ein Risiko für den Dollar?

Von Sonja Marten *) Börsen-Zeitung, 20.8.2019 Ganze Bibliotheken könnten wahrscheinlich mit Studien über die Nachhaltigkeit der Schuldenfinanzierung der US-Regierung gefüllt werden. Das massive Zwillingsdefizit der USA hat immer wieder zu...

Sind US-Schulden ein Risiko für den Dollar?

Von Sonja Marten *)Ganze Bibliotheken könnten wahrscheinlich mit Studien über die Nachhaltigkeit der Schuldenfinanzierung der US-Regierung gefüllt werden. Das massive Zwillingsdefizit der USA hat immer wieder zu Spekulationen geführt, dass das Land irgendwann nicht mehr in der Lage sein könnte, sich zu finanzieren bzw. zumindest nicht mehr zu den Konditionen, an die das US-Finanzministerium gewöhnt ist. Bisher haben sich solche Bedenken immer als unbegründet erwiesen. Selbst der starke Anstieg der US-Verschuldung in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts stellte keine ernsthafte Herausforderung dar, nicht zuletzt dank der scheinbar endlosen Nachfrage nach US-Staatsanleihen (Treasuries, UST) durch offizielle Investoren im Ausland. Ihren vorläufigen Höchststand erreichten die ausländischen offiziellen Bestände an UST im Jahr 2012 mit 36 % des ausstehenden Volumens. Die offizielle Nachfrage nach UST ist in den letzten Jahren stark gesunken. Ist insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen (u. a. der Möglichkeit, dass die US-Regierung offiziell das Ende der Politik des starken Dollars ausruft) die Finanzierung der US-Staatsschulden dieses Mal tatsächlich gefährdet? Drei Gründe für ZuflüsseDie langjährige Fähigkeit der US-Regierung, sich auf ausländische offizielle Zuflüsse zu verlassen, gründete sich auf drei Säulen. Zum einen sorgt der Status des Dollar als führende Reservewährung dafür, dass große Teile der Währungsreserven in Dollar gehalten werden. Insbesondere der starke Anstieg der Reserven von 2008 bis 2013 garantierte den USA eine natürliche und scheinbar unerschöpfliche Nachfrage für ihre Schulden. Zweitens profitierten die USA von der europäischen Schuldenkrise, die zu einem Rückgang der Nachfrage nach auf Euro lautenden Staatsanleihen seitens vieler Zentralbanken führte. Es kam zu einer Substitution in kleinere Währungen, aber auch zurück in den Dollar. Drittens erzielten UST während eines Großteils der Zeit nach der Krise im Durchschnitt höhere Renditen als die meisten anderen G10-Staatsanleihenmärkte.Im Laufe der letzten drei Jahre hat sich die Dynamik der US-Staatsfinanzierung jedoch drastisch verändert. Die US-Staatsverschuldung ist auf 22 Bill. Dollar gestiegen, und das ausstehende Volumen an US-Staatsanleihen ist um beeindruckende 1 500 Mrd. Dollar angewachsen. Gleichzeitig stieg der Bestand im Besitz von ausländischen offiziellen Investoren jedoch nur um 49 Mrd. Dollar. Infolgedessen ist der Anteil ausländischer offizieller Investoren am UST-Markt auf derzeit 27 % gesunken, den niedrigsten Stand seit Anfang der 2000er Jahre. Und offensichtlich waren private ausländische Investoren nicht bereit, in die Bresche zu springen (siehe Grafik).Der starke Anstieg des ausstehenden Volumens von UST, die fehlende Nachfrage ausländischer offizieller Investoren, die traditionell eine tragende Säule der US-Staatsfinanzierung waren, und die Reduzierung der Bestände der Fed (die ihre Bilanzreduzierung bereits 2016 auf den Weg gebracht hatte) werfen die Frage auf, wie die USA ihre Zwillingsdefizite derzeit finanzieren – und wie zuverlässig ihre derzeitige Finanzierungsstruktur ist. Für den Dollar ist diese Frage von kritischer Bedeutung.Die Antwort findet sich in der sogenannten “Flow of Funds”-Statistik, die zeigt, dass US-Haushalte den Löwenanteil der zusätzlichen US-Schulden absorbiert haben. So haben US-Haushalte seit Anfang 2016 beachtliche 985 Mrd. Dollar an US-Staatsanleihen gekauft. An zweiter Stelle stehen Geldmarkt- und Investmentfonds, deren Bestände um 616 Mrd. Dollar gestiegen sind. Mit anderen Worten: US-Inlandsinvestoren sind in die Bresche gesprungen, die durch die divergierenden Entwicklungen der steigenden Verschuldung auf der einen Seite und der sinkenden Nachfrage ausländischer Investoren und des Nettoverkaufs der Fed auf der anderen Seite verursacht wurde. Es ist u. E. kein Zufall, dass dies mit einer Zunahme von US-Repatriierungen einherging. Der Verdacht liegt nahe, dass US-Investoren, die es in den vergangenen Jahren vermehrt vorgezogen haben, Kapital aus dem Ausland nach Hause zu bringen, Sicherheit (und Rendite) in heimischen Staatsanleihen gesucht haben.Es scheint also, dass die USA (wieder einmal) nichts zu befürchten haben. Die Art und Struktur der Finanzierung hat sich geändert, was aber nicht automatisch bedeutet, dass sie nicht nachhaltig sein kann. Tatsächlich könnte die Verlagerung von einer fast ausschließlichen Abhängigkeit von ausländischem (offiziellen) Kapital hin zur inländischen Finanzierung sogar als positiv angesehen werden. Es macht die USA sicherlich weniger abhängig von den Launen ausländischer Investoren. In einer Zeit, in der die Besorgnis über einen immer höher werdenden Berg von Staatsschulden zunimmt und der US-Präsident nicht mehr vor dem Versuch zurückscheut, der Fed seinen politischen Willen aufzuzwingen, könnte dies sogar dazu beitragen, den Dollar UST zumindest teilweise gegen einen internationalen Vertrauensverlust zu isolieren. Der Risiken nicht bewusstDies wird die Währung jedoch nicht vollständig schützen: Fast die Hälfte des gesamten ausstehenden UST-Volumens befindet sich noch in den Händen ausländischer Investoren. Ein Vertrauensverlust in die USA und/oder den Dollar würde unvermeidlich auch weiterhin verheerende Auswirkungen auf den Finanzmarkt haben. Präsident Trump, der damit beschäftigt ist, ein Ende der starken Dollar-Politik einzuläuten und massiven politischen Druck auf die Fed auszuüben, die Zinsen aggressiver zu senken, ist sich dieser Risiken eindeutig nicht bewusst. *) Sonja Marten ist Leiterin des Devisenresearch der DZ Bank.