SNB kann Interventionen abhaken

Euro erreicht wieder die Marke von 1,20 Franken - Schweizer Währung gilt als fair bewertet

SNB kann Interventionen abhaken

Bei Kursen um 1,20 Franken je Euro gilt die Schweizer Währung wieder als fair bewertet. Mit der jüngsten Abwertung gegenüber der Gemeinschaftswährung ist somit auch die Notwendigkeit von Interventionen weggefallen. Dies dürfte Auswirkungen auf die Renditen von Euro-Staatsanleihen und den Aktienmarkt haben.Von Stefan Schaaf, FrankfurtDie Schweiz kann das Thema Wechselkursuntergrenze abhaken. Der Währungsmarkt hat den Franken wieder dorthin geführt, wo die Schweizer Nationalbank ihn lange Zeit gehalten hat. Vergangenen Freitag wurden bis zu 1,2005 sfr für einen Euro gezahlt, womit erstmals seit Aufgabe der Wechselkursuntergrenze im Januar 2015 der Euro-Franken-Kurs wieder oberhalb der Marke von 1,20 sfr notierte.Die SNB hatte den Mindestkurs im Sommer 2011 und damit auf dem Höhepunkt der europäischen Staatsschuldenkrise eingeführt. Der Franken war die Fluchtwährung Nummer 1 für viele Anleger, die einen Zusammenbruch der Eurozone befürchteten. Doch die damit einhergehende Franken-Aufwertung drückte die Inflation in der Schweiz, die SNB befürchtete gar eine deflatorische Abwärtsspirale und legte deshalb einen Mindestkurs von 1,20 sfr je Euro fest. Diesen verteidigte sie mittels Interventionen, doch diese überstiegen zunehmend ihre Möglichkeiten. Die Währungsreserven wurden zunehmend durch den zu dieser Zeit noch immer als Krisenwährung wahrgenommenen Euro geprägt. Ende 2017 hielt die SNB 40 % ihrer Währungsreserven in Euro und nur 35 % in Dollar. Auf globaler Ebene wurden laut IWF-Daten im vierten Quartal 2017 hingegen 62,7 % der Reserven in US-Dollar und nur 20,2 % in Euro gehalten. Berechnungen von J.P. Morgan zufolge erreichten die Schweizer Währungs- und Goldreserven inzwischen 122 % der Wirtschaftsleistung, das seien 30 Prozentpunkte mehr als in Japan, wo die Notenbank aggressiv Assets aufkauft. Konsens erwartet StagnationAngesichts der wachsenden Euro-Reserven gab die SNB im Januar 2015 den Mindestkurs überraschend auf, der Euro wertete daraufhin bis auf 0,86 sfr ab, bevor er sich dann bei Kursen um 1,08 sfr stabilisierte. Doch seit rund einem Jahr holte die Gemeinschaftswährung ihre Verluste wieder auf und kehrte auf das Niveau um 1,20 sfr zurück. In diesem Bereich erwartet der Markt auch den Kurs in den kommenden Monaten. Für Ende März 2019 lautet der Reuters-Konsens auf 1,19 sfr je Euro, wobei die Prognosespanne zwischen 1,14 und 1,25 sfr liegt.Für die Euro-Aufwertung der vergangenen Monate – in diesem Jahr waren es bisher rund 0,9 % – gibt es zwei Hauptgründe. Sie ist zum einen Spiegelbild der breiten Euro-Stärke, aber auch der Erwartung, dass die SNB später als andere Notenbanken ihre Geldpolitik straffen wird. “Insbesondere der mit dem Sieg von Emmanuel Macron aus Sicht der Währungsunion erfreuliche Ausgang der französischen Präsidentschaftswahlen und die Aussicht auf ein Ende der ultraexpansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank gaben dem Euro gegenüber dem Franken Auftrieb”, heißt es in einem Marktkommentar der DZ Bank. Spekuliert wird auch über die Rolle der jüngsten Sanktionen der USA gegen russische Unternehmer und Unternehmen. “So mehren sich die Berichte, wonach Schweizer Banken und Unternehmen bemüht sind, die Einlagen und Beteiligungen wohlhabender Russen zu reduzieren, um nicht in den Fokus der US-Administration zu geraten”, heißt es bei der DZ Bank. “Belegen lässt sich diese These zwar nicht. Allerdings sind alternative nennenswerte Impulse nicht zu beobachten.”Allerdings wertete der Franken nicht nur wegen der Euro-Stärke ab. Es wird allgemein erwartet, dass sich die SNB als letzte der Industrieländer-Notenbanken von der ultralockeren Geldpolitik abkehrt. Während die EZB ihre Anleihekäufe schon von 80 auf 30 Mrd. Euro monatlich heruntergefahren hat und am Markt über eine Anhebung des Einlagesatzes von derzeit – 0,4% diskutiert wird, steht solch ein Schritt in der Schweiz wohl erst irgendwann im Laufe des kommenden Jahres an. SNB-Chef Thomas Jordan erklärte erst kürzlich: “Wir bleiben vorsichtig.”Möglicherweise könnte die SNB bei ihrer Zinssitzung am 21. Juni dennoch eine kleine Kehrtwende einleiten. Bislang betrachtete sie nämlich den Franken als “stark überbewertet”. Mit Kursen um 1,20 sfr je Euro dürfte dies jedoch nicht mehr gelten. “Der Franken ist nicht mehr länger überbewertet”, betont Paul Meggyesi, Währungsstratege bei J.P. Morgan. “Das Verschwinden jeglicher Franken-Überbewertung sollte die SNB in die Lage versetzen, ihre Politik innerhalb eines Zeitrahmens zu normalisieren, der sich nicht radikal von dem der EZB unterscheidet.” Diese Perspektive wird laut Meggyesi die Franken-Abwertung stoppen. In Apple investiertMit dem Erreichen der 1,20-Marke sollte in jedem Fall kein Bedarf mehr an weiteren Interventionen der SNB bestehen. Sie hatte nicht nur Staatsanleihen, sondern in erheblichem Umfang auch Aktien gekauft. Damit hatte sie die Renditen von Euro-Staatsanleihen zusätzlich gedrückt.Außerdem fehlt dem Aktienmarkt ein nicht unwichtiger Käufer. Ende 2017 hielt die SNB eigenen Angaben zufolge 21 % ihrer Reserven in Aktien. Bei konstanter Quote würde dies für Ende Februar, als die Reserven bei rund 780 Mrd. sfr lagen, einen Aktienbesitz von rund 164 Mrd. sfr (136 Mrd. Euro) bedeuten. Aktuell hält die SNB laut Bloomberg-Daten beispielsweise jeweils knapp 0,4 % an den beiden US-Konzernen Apple und Alphabet.