Social Bonds treten aus Schatten der Green Bonds
Nachhaltige Investments sind auch am Anleihenmarkt immer stärker nachgefragt. Laut Bloomberg haben Staaten, supranationale Akteure und Unternehmen im Jahr 2022 weltweit insgesamt 863 Mrd. US-Dollar an ESG-Anleihen begeben. Davon entfiel mit 480 Mrd. US-Dollar der größte Anteil auf Green Bonds. Auch wenn das Marktsegment erst rund 1% des globalen Anleihenmarktes ausmacht, so hat es sich in den vergangenen Jahren bereits deutlich ausdifferenziert und bietet Anlegern neben den Green Bonds auch die Möglichkeit, in Social Bonds, breiter angelegte Sustainable Bonds sowie Sustainable-Linked-Strukturen zu investieren, deren Kupon abhängig von der Nachhaltigkeitsperformance des Emittenten ist.
Deutliche Vertiefung
Nach dieser Ausdifferenzierung in die Breite rechnen wir nun damit, dass sich der Markt in allen der genannten Marktsegmente deutlich vertieft, wir immer mehr Emissionen sehen, die Liquidität im Sekundärmarkt zunimmt und sich breitere Anlegerkreise den verschiedenen Nachhaltigkeitsanleihen zuwenden. Ähnlich wie in den ersten Jahren des Green-Bond-Segments sind es nun bei den anderen Spielarten oft noch die dezidierten Nachhaltigkeitsinvestoren, die die Orderbücher der Konsortialbanken füllen. Sie leisten die Pionierarbeit, und breitere Investorenkreise werden folgen. So schätzt die Global Sustainable Investment Alliance, dass der adressierbare Markt für ESG-Anleihen in den kommenden Jahren bei mehr als 35 Bill. US-Dollar liegen könnte.
Dabei werden insbesondere Social Bonds und Investitionen in die „S-Säule“ von ESG insgesamt eine bedeutsamere Rolle für Investoren spielen. Bei Social Bonds ist in den Emissionsbedingungen konkret festgeschrieben, in welche sozialen Projekte der Kapitalerlös investiert wird. Anleger haben somit die volle Transparenz über die Verwendung ihres Geldes. Nur wenn der Verwendungszweck der Anleihe eindeutig als sozial im Sinne der von der International Capital Markets Association (ICMA) verabschiedeten Prinzipien klassifiziert werden kann, wird sie am Markt als „echter“ Social Bond anerkannt werden. Projekte zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung, der Schaffung bezahlbaren Wohnraums oder der Verbesserung des Zugangs zu Bildung sind mögliche Finanzierungszwecke.
Drei konkrete Beispiele zeigen, wie vielfältig die Verwendungsmöglichkeiten von Erlösströmen aus Social Bonds bereits sind. So begab im März 2021 mit der französischen Assistance Publique – Hôpitaux de Paris (AP-HP) die erste europäische Gesundheitseinrichtung zwei Social Bonds. Die Erlöse fließen in die Finanzierung von Schlüsselprojekten in französischen Krankenhäusern, die den Zugang benachteiligter Bevölkerungsgruppen zur Gesundheitsversorgung verbessern sollen. Während der Corona-Pandemie refinanzierte ferner die EU das europäische Kurzarbeitergeld Sure im Gesamtvolumen von 100 Mrd. Euro über Social Bonds. Schließlich brachte die zur Weltbank gehörende International Finance Corporation im Rahmen ihres Social Bond Frameworks allein im Jahr 2021 zwei Dutzend Social Bonds in sechs Währungen an den Markt. Mit dem Geld der Anleger werden 42 Projekte finanziert, darunter Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologie in der Republik Kirgisistan und Unterstützungsprogramme für Kleinstunternehmen von Frauen in Nigeria.
Kein einheitliches Verständnis
Aus Investorensicht ist auffällig, dass nachhaltige Investments in Europa zwar allzu oft primär mit ökologischen Zielen in Verbindung gebracht werden, in anderen Weltregionen soziale Fragen aber bereits heute im Zentrum der Diskussion über die sinnvolle Lenkung von Kapitalströmen stehen. Die Emissionstätigkeit und damit auch die Anlagechancen im Bereich Social Bonds können also regional sehr unterschiedlich verteilt sein. Die besondere Herausforderung bei der Strukturierung von Social Bonds besteht darin, relevante Projekte zu identifizieren und ihre soziale Wirkung zu messen. Während der CO2-Fußabdruck unternehmerischer Aktivitäten inzwischen quantifizierbar ist, wird es bei dem Versuch, den Beitrag des neu gebauten Krankenhauses zu einer besseren Gesundheitsversorgung in einer strukturschwachen Region zu bestimmen, schon schwieriger. Für uns als Vermögensverwalter, dessen Kunden zu Recht eine transparente Messung und Veröffentlichung des erzielten Impacts erwarten, ist dies eine zentrale Herausforderung. Noch trauen sich daher vor allem Staaten, supranationale Akteure und Förderbanken (SSAs) an die Emission von Social Bonds heran.
Wachstumsraten von im Schnitt jährlich 200% seit 2011 und ein Emissionsvolumen von 141 Mrd. US-Dollar im Jahr 2022 zeigen aber, dass der Markt bereits jetzt über ein relevantes Investmentuniversum verfügt. Zugleich ist damit zu rechnen, dass den Emittenten des SSA-Sektors verstärkt auch private Finanzinstitute und Unternehmen folgen werden. Wenn beispielsweise Banken den Bau und Betrieb von Schulen und Kindergärten finanzieren oder private Träger von Pflegeeinrichtungen in den bezahlbaren Zugang zu Gesundheitsleistungen investieren, dann ließen sich solche Projekte gut über Social Bonds refinanzieren.
Gleichwohl müssen wir als Investoren anerkennen, dass der Markt für Social Bonds ein aufstrebender ist, der nicht mit dem breiten Markt für konventionelle Anleihen – und auch noch nicht mit dem Green-Bond-Markt – vergleichbar ist. Investieren wir also gezielt und mit einem dezidierten Social-Bond-Fonds in diesem Markt, dann tun wir dies bewusst mit einer gewissen Flexibilität, auch konventionelle Anleihen zu kaufen, wenn der jeweilige Emittent unsere Nachhaltigkeitsanforderungen erfüllt.
Die uneingeschränkt gute Nachricht für Anleger lautet derweil: Trotz des noch nicht vollständig gereiften Marktes können Social Bonds bereits heute in puncto finanzieller Rendite mit vergleichbaren konventionellen Bonds mithalten, wie aus einer Untersuchung des Zentrums für Bank- und Finanzwesen der italienischen Universität Unimore hervorgeht.
Auch aufgrund der ökonomischen Attraktivität gehen wir von einem weiter stark wachsenden Social-Bond-Markt aus. Auch der immense Appetit auf erklärtermaßen nachhaltige Vermögenswerte bei Investoren rund um den Globus wird die Emissionstätigkeit und die Marktreifung weiter vorantreiben. Während die Standards am Markt jedoch noch nicht so fest etabliert sind wie beispielsweise bei Green Bonds, ist es wichtig, nicht zuletzt durch aktives Engagement und die Etablierung eigener Analyse- und Messverfahren ein tiefes Verständnis jeder einzelnen Emission und jedes Emittenten zu erlangen. Denn nur so können wir Kapital dorthin lenken, wo es eine attraktive finanzielle und soziale Rendite bietet.