Soft Landing – eine Illusion?

Die Weltwirtschaft scheint in einer weitaus besseren Verfassung zu sein als im letzten Sommer. Jedoch ist Vorsicht geboten. Die Märkte, die eine weiche Landung eingepreist haben, sind anfällig für eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen.

Soft Landing – eine Illusion?

Gastbeitrag

Soft Landing nur eine Illusion der Märkte?

Zentralbanken könnten überschießen – Konjunkturzyklus nahe dem Ende

Von Maximilien Macmillan *)

Die Weltwirtschaft scheint in einer weitaus besseren Verfassung zu sein als im letzten Sommer. Jedoch ist Vorsicht geboten. Wir halten die Vorstellung einer entspannten Rückkehr zum wirtschaftlichen Gleichgewicht für eine Illusion. Die Zentralbanken richten ihre Politik an Messgrößen wie der Kerninflation aus, von denen bekannt ist, dass sie dem Zyklus um bis zu zwei Jahre hinterherhinken. Deshalb gehen wir davon aus, dass die Geldpolitik auch in diesem Zyklus wieder über das Ziel hinausschießen wird. Der Schaden, den die Zinserhöhungen zufügen werden, wird dazu führen, dass sich die Besorgnis von einer übermäßigen und hartnäckigen Inflation dahingehend verlagert, dass die Zentralbanken ihr Inflationsmandat von 2% unterschreiten.

Die Märkte, die eine weiche Landung eingepreist haben, sind anfällig für eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen. Wenn das bei Aktien eingepreiste Gewinnwachstum ausbleibt, werden die hohen Bewertungen nach unten korrigiert, und es wird zu starken Kursverlusten kommen. Die Märkte sind jetzt auf eine sanfte Landung eingestellt und daher anfällig für alles, was dem zuwiderläuft.

US-Aktien legten zu, als die Bewertungskennzahlen nach dem Höchststand der US-Kerninflation im Oktober letzten Jahres stiegen. Dies weckte die Hoffnung, dass das Schlimmste vorbei sei, und nahm eine Wiederbelebung des Gewinnwachstums vorweg, die später in diesem Jahr beginnen sollte. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 liegt heute mit 21 nur wenig unter dem Wert von 23 von Ende 2021. Doch der 10-jährige US-Realzins ist um fast 3 Prozentpunkte höher als damals. Traditionell führen höhere Renditen zu niedrigeren diskontierten zukünftigen Erträgen und damit zu niedrigeren Bewertungskennzahlen. Da eine weiche Landung zum großen Teil eingepreist ist, sind wir der Meinung, dass es in den nächsten zwölf Monaten irgendwann bessere Kaufniveaus geben wird. Derzeit preisen US-Treasuries das Ende des Zinserhöhungszyklus der Fed in diesem Sommer ein, wobei die Zinsen in den nächsten drei Jahren allmählich wieder auf 3 % sinken sollten. Wir vermuten, dass diese Marktpreise einen Kompromiss zwischen zwei unterschiedlichen und sich gegenseitig ausschließenden Szenarien widerspiegeln. Das erste Szenario geht von einer hohen Inflation und einem robusten Wachstum aus, was dazu führen würde, dass die Zinssätze für einen längeren Zeitraum auf einem hohen Niveau bleiben. In dem zweiten Szenario würden die verzögerten Auswirkungen der Geldpolitik zu einem falschen Gefühl der Sicherheit führen. Sobald die Auswirkungen der vorangegangenen Straffung in vollem Umfang spürbar sind, könnten die Zentralbanken mit aggressiven Zinssenkungen reagieren. Ausgehend von den Daten ist das zweite Szenario immer noch wahrscheinlicher als das erste. Die Möglichkeit, relativ günstig defensive Vermögenswerte anstelle von relativ teuren zyklischen Vermögenswerten zu kaufen, während der Zyklus auf sein unvermeidliches Ende zusteuert, ist für uns eine attraktive Perspektive für die Vermögensallokation.

Verengung der Spreads

Der Aufwärtstrend an den Aktienmärkten hat zu entsprechenden Bewegungen bei anderen risikobehafteten und zyklischen Anlagen geführt, unter anderem zu einer deutlichen Verengung der Spreads von Investment-Grade- und High-Yield-Unternehmensanleihen – trotz eines Anstiegs der Zahlungsausfälle. Daher könnte es sein, dass die Kreditmärkte die Anleger nicht angemessen für das Ausfallrisiko entschädigen. Im Gegensatz zu Aktien könnten Kreditanleger jedoch vom Anstieg der Staatsanleiherenditen profitieren, der im gleichen Zeitraum stattgefunden hat. Obwohl wir einige Bedenken hinsichtlich der Bewertung des Ausfallrisikos haben, halten wir die Gesamtrenditen für Investment-Grade-Kredite angesichts unserer optimistischen Einschätzung der globalen Staatsanleihen für relativ attraktiv. Dies gilt weniger für Hochzinsanleihen, wo das in den Spread eingebettete Unternehmensrisiko stärker ins Gewicht fällt und das Ergebnis daher stärker mit Aktien korreliert ist. Dieses Umfeld dürfte sich für aktive Anleger positiv auswirken, die durch Recherchen in der Lage sind, Titel mit Schwachstellen im Zusammenhang mit schwachen Bilanzen zu vermeiden.

Maximilien Macmillan

Investment Director, Abrdn