Technische AnalyseS&P 500

Ausbruchssignal mit Makeln

Die Rally beim S&P 500 könnte - unterbrochen von einer korrektiven Phase im Sommer - noch ein Stück weitertragen

Ausbruchssignal mit Makeln

Technische Analyse

S&P 500: Ausbruchssignal mit Makeln

Von Jörg Scherer*)

Mit Blick auf die aktuellen Performancehitlisten können sich Anlegerinnen und Anleger über den bisherigen Aktienjahrgang 2023 keinesfalls beschweren. Während der Dax knapp 15% höher als zu Jahresbeginn notiert, liegen der S&P 500 und der Nasdaq 100 gut 11% bzw. sogar über 30% im Plus. Sollten Investoren diese Bilderbuchentwicklung einfach auf das Gesamtjahr hochrechnen oder droht im weiteren Jahresverlauf doch noch der ein oder andere Stolperstein? Für den S&P 500 begeben wir uns auf eine charttechnische Spurensuche.

Beginnen möchten wir diese mit der Analyse der Marktbreite. Viele Einzeltitel auswerten zu können, ist ein elementarer Vorteil der technischen Analyse. Zuletzt wurde der Aufschwung aber von immer weniger Aktien getragen. Vor allem Technologietitel konnten weiter zulegen, während die Masse der S&P-500-Mitglieder im bisherigen Jahresverlauf mehr oder minder unverändert notiert. Das geht sogar so weit, dass die gesamte, eingangs erwähnte Performance nahezu auf das Konto der sog. „glorreichen sieben“ (Amazon, Alphabet, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia, Tesla) geht. Der hohe Grad an Selektivität stellt zweifelsohne ein Warnsignal dar.

Chipaktien mit Befreiungsschlag

Doch es geht auch anders. Es geht auch konstruktiv. Das zumindest ist die Botschaft des Philadelphia Semiconductor Index. Generell kommt der Analyse der Halbleitertitel eine besondere Bedeutung zu, denn dem Branchenbarometer wird regelmäßig ein konjunktureller Vorlaufcharakter beigemessen. Frei nach dem Motto: „Chips sind der Schmierstoff einer modernen Wirtschaft!“ Charttechnisch schlagen sich die jüngsten Kursavancen in einer inversen Schulter-Kopf-Schulter-Formation nieder. Rein rechnerisch eröffnet die untere Umkehr ein Anschlusspotenzial von über 1.000 Punkten – ausreichend, um perspektivisch das bisherige Allzeithoch vom Januar 2022 bei 4.068 Punkten ins Visier zu nehmen. Eine Einschätzung, welche durch die zuvor ausgeprägte, trendbestätigende Flagge untermauert wird.

Juli und September herausfordernd

In unserem technischen Jahresausblick legen wir einen Schwerpunkt auf die beiden bekanntesten Zyklen überhaupt. Gemeint sind der US-Präsidentschaftszyklus auf der einen und der Dekadenzyklus auf der anderen Seite. Besonders interessant finden wir dabei Phasen, die sich durch einen doppelt zyklischen Rücken- oder Gegenwind auszeichnen. Mit anderen Worten: Zeiträume, in denen die beiden angeführten Zyklen Hand in Hand gehen, haben unsere volle Aufmerksamkeit. In der nahen Zukunft gibt es hier vor allem zwei Auffälligkeiten: So kennzeichnet die saisonale Schnittmenge zwischen Dekaden- und US-Präsidentschaftszyklus den nahenden Juli sowie den September als Herausforderung. Schließlich fällt die durchschnittliche Wertentwicklung des Dow Jones mit 0,45% (US-Vorwahljahr) bzw. −1,27% („3er-Jahr“) schwächer als im historischen Mittel aus. Als nochmals deutlich korrekturanfälliger Börsenmonat könnte sich danach der September erweisen, denn der ist mit −1,23% (US-Vorwahljahr) bzw. −1,64% („3er-Jahr“) sogar durch die Bank „rot“. Auch die Trefferquote, d. h. die Wahrscheinlichkeit für steigende Aktiennotierungen, lässt sowohl im Juli als auch im September zu wünschen übrig. Gegen Jahresende winkt dann möglicherweise eine positive Überraschung. Gemäß beiden Zyklen fällt die Performance im Dezember weit überdurchschnittlich aus – und das bei einer besseren Trefferquote. Über den Tellerrand hinausgeblickt, könnte sich deshalb eine späte, erst auf den letzten Metern einsetzende, aber dynamische Jahresendrally als ein weiteres Charakteristikum des Jahres 2023 herauskristallisieren.

Schlüsselgröße 4.200 Punkte

In der Summe ist die Ausgangslage der US-Standardwerte derzeit gemischt. Genau in diese durchwachsene Phase fällt nun aber der charttechnische Sprung über die Signalmarke von 4.200 Punkten. Auf diesem Niveau fallen diverse horizontale Hürden mit zwei verschiedenen Fibonacci-Leveln (4.136/4.201 Punkte) zusammen. Mittlerweile notiert der S&P 500 mit 4.299 Punkten auf dem höchsten Stand seit August 2022 und damit klar oberhalb des diskutierten Triggers. Dank des Spurts über diese Schlüsselhürde – noch dazu per Aufwärtsgap (4.232 zu 4.241 Punkte) – steht nun eine strategische Bodenbildung mit einem Anschlusspotenzial von 700 Punkten im Raum (siehe Chart). D. h. perspektivisch dürfte das Aktienbarometer Kurs auf das bisherige Allzeithoch (4.819 Punkte) nehmen.

Stärke zum Wochenabschluss

Seit Mitte März springt noch ein weiteres Phänomen ins Auge: Gerade donnerstags und freitags ist der S&P 500 oftmals stark. In diesen zwölf Wochen legte das Aktienbarometer elfmal zum Wochenende zu, nur einmal kam es zu Kursverlusten. Stärke zum Wochenabschluss ist ein konstruktives Zeichen, zumal der S&P 500 an diesen beiden Tagen seit Mitte März um 500 Punkte zulegen konnte. Das ist mehr als der gesamte Kurszuwachs der US-Standardwerte in diesem Zeitraum. Die gesamte Performance kam zuletzt also an diesen beiden Handelstagen zustande.

Fazit: Frei nach der alten Fußballweisheit „Die Wahrheit liegt auf dem Platz“ liefert der eigentliche Chartverlauf das derzeit bedeutendste Signal. Deshalb könnte die Rally, unterbrochen von einer korrektiven Phase im Sommer, noch ein Stück weitertragen.

*) Jörg Scherer ist Leiter Technische Analyse bei HSBC Deutschland.

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