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Spanien gelingt Erholung mit Hindernissen

Von Christian Lenk *) Börsen-Zeitung, 12.2.2015 Vor den griechischen Parlamentswahlen sind alte Sorgen um einen möglichen Dominoeffekt wieder aufgekeimt: Turbulenzen eines Staates der europäischen Peripherie - hierunter fallen neben Griechenland...

Spanien gelingt Erholung mit Hindernissen

Von Christian Lenk *)Vor den griechischen Parlamentswahlen sind alte Sorgen um einen möglichen Dominoeffekt wieder aufgekeimt: Turbulenzen eines Staates der europäischen Peripherie – hierunter fallen neben Griechenland auch Irland, Italien, Portugal und Spanien – könnten sich rasch auf andere bonitätsschwächere Länder der Eurozone übertragen. Trotz des Sieges des sehr troikakritischen Lagers in Athen haben sich solche Befürchtungen jedoch recht schnell zerschlagen. Anleger differenzieren deutlich stärker zwischen den einzelnen EWU-Staaten als noch zu Hochzeiten der Euro-Krise. Während Griechenland mit Renditeniveaus jenseits der 10-Prozent-Marke wieder von einer Kapitalmarktrefinanzierung abgeschnitten ist, zeigen sich die Anleger dem Rest der Peripherie gegenüber bereit, Kredite zu historisch niedrigen Zinsen zur Verfügung zu stellen. Wenn auch letztere Entwicklung stark auf die sehr lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückzuführen ist, sollten lokale Entwicklungen verstärkt Beachtung finden. Tal der TränenAls Beispiel für diese Abkopplung können die Entwicklungen in Madrid dienen, wenn auch insbesondere mit Blick auf die Veränderungen in der politischen Landschaft Parallelen zu Griechenland erkennbar sind. Auch Spanien durchschritt in den vergangenen Jahren ein Tal der Tränen: Nach einer Immobilien- und Bankenkrise ab dem Jahr 2008 traf mit der europäischen Staatsschuldenkrise das Land ein weiterer Schlag, der Staat und Gesellschaft in den vergangenen Jahren geprägt hat. Ein massiver Anstieg der Staatsverschuldung und eine extrem hohe Arbeitslosigkeit infolgedessen zählen zu den Symptomen dieser Malaise.Vor dem Hintergrund deutlicher Sparanstrengungen und glaubwürdiger Strukturreformen in den Bereichen Arbeit, Renten und öffentlicher Verwaltung ist es der Regierung Rajoy jedoch gelungen, Spanien wieder auf einen Wachstumspfad zu leiten und das Ruder herumzureißen. Im laufenden Jahr dürfte Madrid sogar zu den Wachstumslokomotiven der EWU gehören. Ein Blick auf die Verfassung einer breiten Reihe makroökonomischer Faktoren zeigt für Spanien neben Licht jedoch auch Schatten. Im europäischen Vergleich bleiben die Hauptprobleme die Staatsverschuldung, die hohe Arbeitslosenquote wie auch der massive Rückgang der Immobilienpreise akut. Auch der hohe Kreditbestand des privaten Sektors ist auffällig, wenn auch dessen Abbau zuletzt bemerkenswert war. Reformen angepacktIn den Bereichen Exportwachstum und Rückgang der Lohnstückkosten liegt Spanien hingegen sogar unter den erfolgreichsten Staaten der Währungsunion, was die erwähnten Reformen und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit widerspiegelt. Im Seitenblick auf Italien als in Größe und Bedeutung vergleichbares Peripherieschwergewicht erscheint die wirtschaftliche Entwicklung in Madrid insgesamt dynamischer als in Rom, insbesondere da Reformen vor dem Hintergrund einer wesentlich stabileren Regierung energischer angepackt werden konnten.Bei der vorigen Parlamentswahl im November 2011 erreichte die konservative Partido Popular (PP) unter Mariano Rajoy mit 45 % der abgegebenen Stimmen eine komfortable Mehrheit in beiden Kammern und löste damit die Sozialdemokraten (PSOE) als stärkste Kraft ab. Rajoy trat mit dem Versprechen an, Spanien zum Ende der Legislaturperiode aus der Rezession zu führen, was gelungen ist. Trotz entschiedener Proteste aus weiten Teilen der Bevölkerung gelang es, mit umfangreichen Sparmaßnahmen und Strukturreformen einen Weg aus der Krise zu finden.Dennoch bleiben zentrale Aufgaben wie das weiterhin nicht maastrichtkonforme Defizit bzw. der Schuldenstand oder die Reduktion der Rekordarbeitslosigkeit auf der Agenda der kommenden Jahre. Wenn auch die Zahl der Arbeitslosen peu à peu im Sinken begriffen ist, kommt der Aufschwung nur schrittweise in breiten Teilen der Bevölkerung an. Vor dem Hintergrund eines Superwahljahres stellt dies eine Herausforderung dar. So steht neben den Lokal- und Regionalwahlen Ende des Jahres die Wahl eines neuen Parlaments an, was angesichts der Umfragestärke der linksalternativen Protestpartei Podemos einen Unruheherd darstellt. Neue HerausforderungenMit Blick auf diese Wahlen sieht sich das bisher von den beiden Großparteien PP und PSOE dominierte politische Establishment nach zahlreichen Korruptionsskandalen mit Podemos von einer neuen Herausforderung konfrontiert, die bei den Europawahlen im Mai vergangenen Jahres auf Anhieb viertstärkste Kraft wurde. In den jüngsten Umfragen liegt die dem linksalternativen Lager zuzuordnende Partei nur knapp hinter der PP. Das Programm der jungen Partei liest sich als radikaler Entwurf, der von Investorenseite wenig goutiert werden dürfte: So wird erwogen, Staatsschulden nicht mehr zu bedienen, Schlüsselindustrien zu verstaatlichen und ein staatliches Grundeinkommen einzuführen.Daneben bleiben Forderungen nach mehr Autonomie – bis hin zu einer Abspaltung vom Königreich Spanien – durch die Katalanen ein schwelender Brand. Ein geplantes Unabhängigkeitsreferendum auf Betreiben des katalanischen Regionalpräsidenten Mas im November vergangenen Jahres hatte für erhebliche Verwerfungen mit der Zentralregierung in Madrid gesorgt. Dieses wurde schließlich vom Verfassungsgericht als unzulässig erklärt, in abgeschwächter Form einer Volksbefragung fand es dann dennoch statt – wenn auch der Ausgang, bei dem sich eine klare Mehrheit für eine Abspaltung vom spanischen Staat aussprach, keine Konsequenzen für die staatlichen Beziehungen zwischen der Region und dem Zentralstaat hat. Spannungen bleibenDagegen hat die Zentralstaatsanwaltschaft Anklage gegen Mas vor dem Hintergrund des von ihm durchgeführten Referendums erhoben. Auch in der Zukunft sollte die Spannungen zwischen Barcelona und Madrid demzufolge hoch bleiben. Im Fokus dürften hier neben den Lokalwahlen im Mai insbesondere die von Mas auf September vorgezogenen Regionalwahlen stehen: Bei beiden Wahlgängen dürfte die Frage nach der Unabhängigkeit wieder das zentrale Thema darstellen.Auch wenn viele Staaten der EWU-Peripherie auf den ersten Blick mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben – hierzu zählen vor allem eine hohe Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung sowie der Rückenwind für alternative Parteien abseits der Mitte -, sollte die eingangs erwähnte Differenzierung – insbesondere zwischen Griechenland und dem Rest der Peripherie – anhalten: zu sehr unterscheiden sich die Entwicklungen in den einzelnen Ländern im Detail. Damit dürfte das Bonmot der ehemaligen spanischen Finanzministerin Salgado aus dem Jahr 2010 seine Gültigkeit bewahren: Spanien ist nicht Griechenland.—-*) Christian Lenk ist Rentenmarktstratege bei der DZ Bank.