Spanien lässt aufhorchen
Ein Wechselbad der Gefühle: Erst bekommt Spanien ein Rekordorderbuch für eine zehnjährige Anleihe, dann ziehen die Anleger massenhaft ihre Orders zurück. Spanien konnte das Papier zwar noch bequem platzieren. Die Ereignisse lassen aber aufhorchen: Findet ein Sinneswandel der Anleger statt?Von Kai Johannsen, FrankfurtWas sich am Mittwoch der abgelaufenen Woche am Eurozonen-Primärmarkt bei der Emission einer spanischen Staatsanleihe abgespielt hat, sehen die Bondakteure gewiss nicht alle Tage. Das Ereignis sollte aufhorchen lassen. Da geht das Königreich Spanien mit einer neuen zehnjährigen Anleihe via Syndikat an den Start. Rekorde ist man in diesen Tagen ja schon gewohnt, ob es nun Volumenrekorde bei den Anleiheumfängen, Höchstwerte bei den Orderbüchern oder Tiefstwerte bei den Zinsen bzw. Renditen der Anleihen sind. Und da verwundert es vielleicht auch nicht unbedingt, wenn auch aus Spanien wieder einmal ein Rekord vermeldet wird. Kräftiger AnsturmIm Verlauf der Transaktion können sich die Leads vor einem Investorenansturm schon fast nicht mehr retten. Das Orderbuch schwillt auf mehr als 130 Mrd. Euro an, das ist Höchstwert für Spanien. Der bisherige Rekord liegt auch noch nicht so lange zurück, er fand im April vergangenen Jahres statt, als für eine ebenfalls zehnjährige Anleihe der Iberer Orders für mehr als 97 Mrd. Euro zusammenkamen. Der Bond wurde seinerzeit 15 Mrd. Euro schwer.Es ist üblich, dass ein Emittent seinen Vermarktungsspread für die Anleihe zurücknimmt, wenn er sieht, dass die Anleihe auf eine gute Nachfrage trifft. Es heißt dann später gern: Es wurde ein wenig gegeizt. Warum sollte ein Emittent diesen Spread und damit die Rendite, die er bieten muss, um das Geld von den Investoren zu bekommen, nicht zurücknehmen, wenn er ja offenkundig aus dem Vollen schöpfen kann? Finanzminister und Finanzagenturen sind ja schließlich auch dem Steuerzahler verpflichtet oder sollten das zumindest sein. Üblicherweise ziehen dann vielleicht ein paar Investoren ihre Orders wieder zurück, weil ihnen die Rendite/der Spread nicht mehr so attraktiv erscheint. Spread eingekürztIm Falle von Spanien waren es wohl aber nicht nur ein paar Investoren. Spanien halbierte den Vermarktungsspread von 8 auf 4 BP – das ist zwar schon ganz gut, aber alles auch noch irgendwo im Rahmen. Und dann zeigte sich die offenkundige Preissensitivität der Investoren. Das Orderbuch schnurrte aufgrund der Rückzüge der Investoren um sage und schreibe gut 75 Mrd. Euro auf etwas mehr als 55 Mrd. Euro zusammen. Diese Preissensitivität ist bemerkenswert, war sie doch in diesem Ausmaß so bislang noch nicht zu beobachten. Da geht es nicht mehr darum, dass ein paar vereinzelte Investoren nicht mehr alles mitmachen wollen, das scheinen wohl im Falle von Spanien ein paar mehr gewesen zu sein. Wird einem größer werdenden Investorenkreis so langsam etwa bewusst, dass sich Schuldenberge immer mehr auftürmen zu immer niedrigeren Zinsen bzw. Renditen und Negativrenditen?Das Problem wachsender Schuldenberge zu immer günstigeren Konditionen für die Emittenten wie Staaten, SSA (Supranationals, Sub-Sovereigns, Agencies) oder Unternehmen ist gewiss keine Erkenntnis des neuen Jahres. Schon 2018 bei der Jahrestagung der International Capital Market Association (ICMA) etwa wurde das in Diskussionen mehrfach thematisiert. Und immer wurde auch festgehalten, dass der Markt bzw. die Marktteilnehmer genau diesen Umstand nicht als Gefahr präsent haben. Und es wurde von Experten hinzugefügt: “Wenn das einmal als Gefahr wahrgenommen wird, dann werden alle zur gleichen Zeit durch die gleiche Tür wollen – und dann wird es höchst brenzlig.”Der Orderrückzug bei den Spaniern könnte ein Indiz dafür sein, dass sich im Bewusstsein von Investoren etwas ändert. Man sollte genau im Auge behalten, wie das nun weitergeht. Wenn Anleger im Primärmarkt nicht mehr zugreifen, wie das bisher immer der Fall war, dann könnte das auch mal auf den Sekundärmarkt abfärben. Das wäre wohl nicht so komfortabel.