Spannende Zeiten für SES-Anleihegläubiger
Von Mirko Maier *)Im Vergleich der Branchenspreads (iBoxx) zählen die Bonds aus dem Telekommunikationssektor in der Coronakrise zu den Gewinnern im Corporates-Bond-Markt. Der zu beobachtende Spreadaufschlag von ca. 15 Basispunkten (BP) gegenüber dem Branchendurchschnitt der Non-Financials wandelte sich seit März dieses Jahres in einen Abschlag von aktuell – 5 BP. An den Bonds des führenden Satellitenbetreibers SES ging diese positive Entwicklung allerdings nahezu vorüber. Dies dürfte im Newsflow der vorigen Wochen begründet sein. Hierzu zählen wir die verkündeten Pläne zur Aufspaltung des Unternehmens und die drohenden Capex-Belastungen in den USA. Führende MarktpositionDas Geschäftsrisikoprofil von SES stützt sich neben der führenden Marktposition auch auf die hohe Sichtbarkeit der Umsatz- und Cashflow-Ströme, die sich auch aus den oftmals langlaufenden Verträgen ergeben. SES wird mit einem sich aus Anleihen, denominiert in Euro und Dollar, Schuldscheinen und Exportfinanzierungen aufsummierenden Verschuldungsvolumen von ca. 3,8 Mrd. Euro aktuell mit “Baa2” (Moody’s) bzw. “BBB -” (S&P) benotet. Moody’s schätzt den Ausblick des in den vorigen Jahren kaum mit Neuemissionen in Erscheinung getretenen Emittenten mit negativ gegenüber S&P mit stabil allerdings verhaltener ein. Mit den Ratings bewegt sich SES an der Grenze zur High-Yield-Kategorie. Begründet ist diese Skepsis auch im zweigeteilten Geschäftsmodell von SES. Auf der einen Seite das seit Jahren schrumpfende Video-Segment, das 2019 mit 1,2 Mrd. Euro aber immer noch für 61 % des Konzernumsatzes steht. Das zweite Standbein stellt mit hohen Wachstumsraten die Networksparte dar, die 762 Mill. Euro bzw. 38 % beisteuerte. SES hat in der Videosparte u. a. Amazon, ProSieben und ZDF als Kunden und beliefert über 360 Millionen Haushalte mit über 8 300 TV-Programmkanälen. Sowohl die Zahl der belieferten Haushalte als auch die der Kanäle nimmt jedes Jahr zu, die Erlöse schrumpfen dennoch.Dies dürfte auch im weltweit sinkenden klassischen TV-Konsum begründet sein, der zugunsten der boomenden Streamingmedien stetig an Bedeutung verliert. Dagegen gewinnt die Networksparte seit Jahren für SES an Relevanz. Für gewichtige Kunden wie z. B. Regierungseinrichtungen und Unternehmen aus der Telekommunikationsbranche, Cloudanbieter und der Reisebranche stellt SES den globalen Datenaustausch sicher.Die zweigeteilte Entwicklung der Geschäftssparten dürfte auch der Treiber hinter den verkündeten Aufspaltungsplänen unter dem Slogan “Simplify & Amplify sein. Die Idee ist aus Sicht eines Aktieninvestors nachvollziehbar. Eine kleinere, aber dynamisch zulegende Sparte plus ein schrumpfendes dominierendes Segment ergibt in Summe keine Wachstumsstory. Die Bonds haben die Meldung allerdings mit einer sprunghaften Spread-Ausweitung quittiert. Für den Anleihegläubiger wird die Verteilung der Assets und der Schulden spannend. Ungeachtet der technischen Probleme einer Aufspaltung, wie z. B. die Aufteilung der von beiden Sparten genutzten Satelliten, dürfte der Equity Investor in seiner Wertermittlung ein von Altlasten sprich Schulden befreites Networkunternehmen begrüßen, was dem Anleihegläubiger die Sicherheiten eines schrumpfenden TV-Geschäfts übrig lassen würde. Noch ist der Aufspaltungsplan nicht konkretisiert, doch für Corporates droht eine Schwächung des Geschäftsrisikoprofils.Die Spreads konnten auch die Meldungen aus Übersee nur wenig beruhigen. Die USA wollen nicht nur wieder im Weltall die Nr. 1 sein, sondern auch bei der neuen Mobilfunktechnik 5G. Dabei stehen die Satellitenbetreiber im Weg, die mit Frequenzen im Bereich von 3,7 bis 4,2 GHz, dem sogenannten C-Band, Millionen von TV-Haushalten in den USA versorgen. Die Frequenzen sind für 5G interessant, weil über sie sehr hohe Datendurchsätze für künftige Echtzeitanwendungen z. B. im Bereich Industrie 4.0 möglich sind. Die Federal Communications Commission (FCC), eine die Kommunikationswege Rundfunk, Satellit und Kabel regelnde US-Behörde, lockt die Satellitenbetreiber nun mit 9,7 Mrd. Dollar an Entschädigungszahlungen für die vorzeitige Rückgabe der Nutzungsrechte. Bis zum 29. Mai mussten die fünf großen Satellitenbetreiber Eutelsat, Intelsat, SES, Star One und Telesat dem Vorgehen zustimmen, was laut FCC erfolgt ist. Räumt SES bis Ende 2023 diese Frequenzbänder, könnten knapp 4 Mrd. Dollar aus dem Entschädigungstopf vereinnahmt werden. Hinzu kommt eine Erstattung für neue Satelliten und anderweitige Hardware, über die die Kunden in den USA künftig weiterhin mit TV-Services adressiert werden können. Die FCC veranschlagt hierfür einen weiteren Topf von bis zu 5 Mrd. Dollar.Die FCC-Verlautbarungen lesen sich dergestalt, dass die Satellitenbetreiber erst nach Räumung des C-Bandes mit dem Zugang der Entschädigungszahlungen rechnen können. Auch für den finanziellen Ersatz der Ausgaben für neues Equipment müssen sich SES & Co. wohl bis Ende 2023 gedulden. Dies würde bedeuten, dass die Satellitenbetreiber mit ihren Investitionen in Vorleistung gehen müssten. SES hat die Ausgaben für Beschaffung und Stationierung neuer Satelliten im All auf rd. 1,6 Mrd. Dollar beziffert. Angesichts des strammen Terminplanes – erste Teilräumung bis Dezember 2021 und endgültige Freimachung bis Dezember 2023 – dürften die schon ambitionierten Capex-Planungen in den nächsten Jahren nochmals steigen. So sind 2020 gegenüber 2019 um 22 % höhere Investitionen avisiert, die 2021 aufgrund neuer Satelliten mit 1,3 Mrd. Euro nochmals drastisch zulegen sollen. Addieren wir die für das C-Band veranschlagten 1,6 Mrd. Dollar bzw. knapp 1,5 Mrd. Euro, verteilt auf die Jahre 2021 und 2022 hinzu, wird es aus Rating-Sicht spannend. Gefahr für das Rating?Will SES ihr Investment-Grade-Rating halten, darf sich das Multiple Net Debt zu Ebitda nicht zu weit über die 2019 markierten 3,2 hinaus verschlechtern. Für 2020 dürfte das zu schaffen sein. SES plant mit höchstens 3,3. Selbst bei der von uns erwarteten operativen Ebitda-Margenverbesserung 2021 von 100 BP treiben die avisierten 1,3 Mrd. Euro Capex das Ratio auf 3,4. Mit den zusätzlichen Ersatzinvestitionen für das C-Band könnte das Rating dann endgültig unter Druck geraten. Fließen Ende 2023 die Entschädigungszahlungen, die nach Steuern für die Lizenzen u. E. rd. 2,6 Mrd. Euro betragen können, und die 1,5 Mrd. Euro an Erstattungen für die Vorabinvestitionen, sollte sich die Lage wieder entspannen. Die Spreads der ausstehenden Bonds liegen mit bis zu 250 BP auf dem Niveau der Marktkurve “BBB-” und preisen damit die Skepsis ein. Aus Chance/Risiko-Gesichtspunkten raten wir bei den ausstehenden Bonds nicht zu Neuengagements. Doch das hohe Capexvolumen dürfte bald Chancen auf interessante Neuemissionen eröffnen, die angesichts der Rating-Lage mit entsprechenden Zeichnungsanreizen ausgestattet sein sollten. Für risikobewusste Investoren könnte dies eine Überlegung wert sein. *) Mirko Maier ist Senior Analyst für Technology bei der Landesbank Baden-Württemberg.