Spannungen am Geldmarkt

Die Sätze im besicherten und unbesicherten Geschäft legen zu - Experten erwarten anhaltende Volatilität

Spannungen am Geldmarkt

Die Euro-Geldmarktsätze legen stark zu, die EZB warnt vor anhaltenden Schwankungen. Analysten und Marktteilnehmer glauben jedoch, dass sich die gegenwärtigen Spannungen nicht nennenswert verschärfen werden und die Notenbank größere Turbulenzen verhindern wird.gbe/ms Frankfurt – Das war ein überraschender Spitzenwert: In der vergangenen Woche legte der Geldmarktsatz Eonia um knapp 20 auf 34,3 Basispunkte (BP) zu, um zum Wochenauftakt auf 35,9 BP zu steigen. Auch der Euribor legte zu, der Dreimonatssatz kletterte von 28,2 auf 30,2 BP. Bei besicherten Geschäften stiegen die Zinsen ebenfalls. In Deutschland kostete ein Repo-Geschäft im Schnitt 33 BP, in Frankreich 34 BP und in Italien 43 BP.Ein weiteres Zeichen leichter Anspannung bot auch das jüngste wöchentliche Geschäft der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Absorption der durch ihre Staatsanleihekäufe (SMP) generierten Liquidität. Diese Geschäfte sind üblicherweise überboten. Am Dienstag gaben die Banken bei einem angestrebten Volumen von 177,5 Mrd. Euro jedoch nur 152,1 Mrd. Euro zurück.Der EZB machen steigende Zinsen am Geldmarkt Sorgen – weil sie de facto wie eine Leitzinserhöhung die monetären Bedingungen verschärfen. Sie hat deshalb den Geldmarkt seit Monaten genauestens im Visier. Nach der Zinssitzung Anfang Januar nannte Notenbankchef Mario Draghi explizit einen aus Sicht der EZB unangemessenen Anstieg der Sätze als einen von zwei Auslösern für eine weitere Lockerung des Kurses.Mit unangemessen meint die EZB vor allem einen Anstieg, der ihrer Einschätzung nach nicht zur konjunkturellen Situation im Euroraum passt. Die Lage am Geldmarkt vor der Januar-Sitzung, als die Sätze bereits ein wenig angezogen hatten, nannte Draghi zwar “okay”. Aber genauso betonte er eben die Handlungsbereitschaft der EZB.Für viel Aufmerksamkeit sorgt bei der Beurteilung der Lage derzeit die Überschussliquidität. Sie geht seit Monaten tendenziell zurück und lag Anfang der Woche nur bei 125 Mrd. Euro. Nach der hohen Nachfrage beim EZB-Haupttender (MRO) am Dienstag und nach dem SMP-Absorptionstender dürfte sie wieder deutlich höher liegen, einige Experten schätzen bei bis zu 180 Mrd. Euro.Marktteilnehmer und -beobachter beurteilen die jüngsten Ausschläge gelassen (siehe Umfrage). Experten nehmen an, dass die Geldmarksätze ab 200 Mrd. Euro anfangen, auf die sinkende Liquidität zu reagieren. Dieser Wert ist unterschritten. Doch die Spitzenwerte haben vermutlich weitere Ursachen, heißt es bei Barclays. So haben zu Beginn der neuen Reserveperiode viele Banken versucht, ihre Mindestreserveanforderungen gleich zu erfüllen – was die Liquidität im System weiter verknappte.Mittlerweile hat sich die Lage wieder beruhigt. Der Euribor wurde gestern bei 30,1 BP gefixt, der Eonia am Abend bei 23,8 BP. Die Volatilität aber dürfte anhalten, heißt es am Markt. Davor hatte zuletzt auch die EZB selbst im Monatsbericht gewarnt. Auch eine hohe Volatilität sehen die Notenbanker skeptisch, weil das die Unsicherheit erhöhe.Sollte sich die Lage aus Sicht der EZB weiter verschärfen, wären neue langfristige Liquiditätsspritzen wohl die erste Option. Viele Details wie Zinskonditionen und Laufzeiten sowie eine mögliche Kopplung an die Kreditvergabe sind im EZB-Rat aber umstritten. Die EZB betont deshalb verstärkt, dass es mit der bis 2015 verlängerten Vollzuteilung bei Bedarf unbegrenzt Liquidität für die Banken gibt. Am Markt werde das nicht ausreichend gewürdigt, heißt es. Die höheren Geldmarktsätze verlockten Marktbeobachtern zufolge übrigens Banken dazu, verstärkt Kurzfristkredite zu vergeben. Anscheinend hat sie die Lage so weit entspannt, dass sie auch außerhalb ihrer gewöhnlichen Geschäftspartner Geldmarktgeschäfte tätigen – sofern die Zinsen nur hoch genug sind.