GELD ODER BRIEF

Spekulationen um Société Générale

Von Gesche Wüpper, Paris Börsen-Zeitung, 9.10.2020 Es ist ein Titel, auf den Société Générale gerne verzichtet hätte: Die von der Börsenkapitalisierung her drittgrößte Bank Frankreichs bildet in diesem Jahr das Schlusslicht des CAC 40. Seit dem 1....

Spekulationen um Société Générale

Von Gesche Wüpper, Paris Es ist ein Titel, auf den Société Générale gerne verzichtet hätte: Die von der Börsenkapitalisierung her drittgrößte Bank Frankreichs bildet in diesem Jahr das Schlusslicht des CAC 40. Seit dem 1. Januar hat sie dort den größten Kursverlust erlitten, noch deutlich vor Airbus. Ihre Aktie hat seit Jahresbeginn um fast 60 % nachgegeben, so dass ihre Börsenkapitalisierung inzwischen nur noch 10,74 Mrd. Euro beträgt. Daran konnten auch die Spekulationen um eine mögliche Konsolidierung nichts ändern, die dem Papier in den letzten Tagen wieder Auftrieb gaben, so dass es innerhalb der letzten Woche um fast 14 % auf zuletzt 12,59 Euro zulegte.Die begonnene Konsolidierung in Spanien, die aufgeschlossene Haltung der zuständigen Aufsichtsbehörden gegenüber Zusammenschlüssen, das anhaltende Niedrigzinsumfeld, das wegen der Coronavirus-Krise ansteigende Risiko und der von den Behörden ausgeübte Druck, auf Dividenden zu verzichten, befeuern die Gerüchteküche in Paris. Zusätzlich angeheizt wurden die Spekulationen durch die Analysten von Morgan Stanley, die sich angeschaut haben, ob eine Fusion von Société Générale mit BNP Paribas Sinn machen könnte. Ein Zusammenschluss der beiden Finanzinstitute brächte ihrer Ansicht nach einige Vorteile. So könnte ihr Filialnetz vereinfacht und beträchtliche Synergien könnten erzielt werden. Alte FusionsfantasienDie Synergien könnten bis zu 35 % der Kostenbasis von Société Générale ausmachen, glauben die Experten. Sie dürften vor allem durch die Filialen des französischen Privatkundengeschäfts sowie der Corporate- und Investment-Banking-Sparte erzielt werden. Aber auch kleinere Aktivitäten wie Konsumkredite, Versicherungen und Vermögensverwaltung bieten Möglichkeiten für Synergien, meinen die Analysten, die empfehlen, Société Générale gleichzugewichten. Das Kursziel sehen sie bei 14 Euro.Nachdem Skandaltrader Jérôme Kerviel der Société Générale einen Rekordverlust von 4,9 Mrd. Euro eingebrockt hatte, spekulierten die Märkte 2008, BNP könne den Konkurrenten aus La Défense westlich von Paris übernehmen. Doch Frankreichs größte Bank urteilte damals, die Bedingungen seien nicht gegeben, um durch einen Zusammenschluss für die Aktionäre Wert zu schaffen. BNP hatte bereits 1999 versucht, parallel zu Paribas auch Société Générale zu übernehmen, hatte das Projekt dann jedoch aufgegeben.Durch eine Fusion von Société Générale mit BNP Paribas würde die weltweit größte Bank entstehen. Société Générale wies zuletzt eine Bilanzsumme von 1 453 Mrd. Euro aus, BNP 2 623 Mrd. Euro. Eine fusionierte Einheit müsste höhere Eigenkapitalanforderungen erfüllen. Gleichzeitig dürfte ein Zusammengehen bei den zuständigen Behörden auf Bedenken stoßen. Um den Vorkehrungen in Sachen “too big to fail” zu entsprechen, könnten BNP und Société Générale gezwungen sein, Aktivitäten zu verkaufen. Sowohl Société Générale als auch BNP seien bereits jetzt systemrelevant, gab Christophe Nijdam, Mitglied der Interessengruppe Bankensektor der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, gegenüber dem Internetportal Moneyvox.fr in einer persönlichen Einschätzung zu bedenken.Société-Générale-Chef Frédéric Oudéa kann sich ein Zusammengehen mit einem französischen Wettbewerber ebenfalls nicht vorstellen. Der Markt in Frankreich sei mit sechs Akteuren, die zusammen mehr als 85 % der Marktanteile hätten, bereits konsolidiert, sagte er Ende September auf einer von Bank of America organisierten Konferenz. Zudem seien die französischen Banken keine reinen Privatkundenbanken, was eine Konsolidierung noch schwieriger mache. Deshalb glaube er nicht, dass es zu einer Konsolidierung in Frankreich komme. Gesunkene KapitalisierungFest steht jedoch auch, dass Société Générale angesichts der stark geschrumpften Börsenkapitalisierung durchaus Ziel eines Übernahmeversuchs werden könnte. In der Vergangenheit gab es immer wieder auch Spekulationen über ein mögliches Zusammengehen mit Unicredit aus Italien. Unabhängig von diesen Spekulationen muss Oudéa nun versuchen, das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen. Denn seit er 2008 das Ruder bei Société Générale übernommen hat, hat der Kurs der mit einem für 2021 erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 7,61 niedrig bewerteten Bank um mehr als 75 % nachgegeben. Von 21 Analysten, die den Wert beobachten, empfehlen drei, die Aktie zu kaufen und zwei, sie zu verkaufen. 13 der Experten stufen das Papier mit “Halten” ein, einer mit “Übergewichten” und zwei mit “Untergewichten”. Sie werden genau beobachten, wie die Ergebnisse des dritten Quartals am 5. November ausfallen.Im zweiten Quartal hatte sie wegen Wertminderungen und eines starken Anstiegs der Risikovorsorge mit einem weiteren Verlust überrascht, nachdem sie bereits in den ersten drei Monaten des Jahres rote Zahlen geschrieben hatte. Unter dem Strich wies Société Générale deshalb im ersten Halbjahr einen Nettoverlust von 1,59 Mrd. Euro aus. Die Marktaktivitäten erwiesen sich erneut als Sorgenkind, während das Privatkundengeschäft in Frankreich unter der strengen Ausgangssperre litt. Oudéa hat die Marktaktivitäten gerade auf den Prüfstand gestellt. Er will dort die Kosten 2022 bis 2023 um 450 Mill. Euro zu senken. Schwache RentabilitätExperten sehen in der schwachen Rentabilität eines der Probleme, die Société Générale in den Griff bekommen muss. Während die Eigenkapitalrendite französischer Banken Ende 2019 im Schnitt 6,5 % betrug, wies die Bank mit dem rot-schwarzen Logo gerade mal 5 % aus.Bankchef Oudéa sucht nun nach Möglichkeiten für ein weniger riskantes Wachstum. Er hat im Sommer bereits die Führungsetage umgebaut und denkt nun über die Zusammenlegung der unter eigenem Namen in Frankreich betriebenen Filialen mit denen seiner Tochter Crédit du Nord nach, um eine neue Bank für Privatkunden zu gründen. Angeblich bereitet Société Générale auch den Verkauf ihrer Fondsgesellschaft Lyxor vor. Ob das ausreicht, um der Aktie dauerhaft zu Schwung zu verhelfen, muss sich erst zeigen.