Kreditwürdig

Staatsanleihe-Emissionen im Jahr 2024: Kann das gutgehen?

Es ist wieder einmal so weit: Die jährlichen Haushaltsplanungen der Euro-Länder laufen auf Hochtouren, und es zeichnen sich auch im kommenden Jahr hohe Emissionsvolumen von Staatsanleihen an. Kann das gutgehen?

Staatsanleihe-Emissionen im Jahr 2024: Kann das gutgehen?

Kreditwürdig

Staatsanleiheemissionen im Jahr 2024: Kann das gutgehen?

Von Michael Leister und Hauke Siemßen *)

Es ist wieder einmal so weit: Die jährlichen Haushaltsplanungen der Euro-Länder laufen auf Hochtouren, und es zeichnen sich auch im kommenden Jahr hohe Emissionsvolumen von Staatsanleihen an. Kann das gutgehen?

Denn der Rentenmarkt befindet sich nach dem starken Kursverfall am langen Kurvenende in einer prekären Verfassung. Anleiheinvestoren scheuen sich bei weiterhin inversen Renditekurven vor Durationsrisiken und bleiben vermehrt am kurzen Ende der Kurve investiert. Kein Wunder, denn die Zentralbanken signalisieren unmissverständlich, dass die Zinsen auf absehbare Zeit hoch bleiben werden. Zusätzlich belasten der Ausstieg aus den Anleihekaufprogrammen der EZB und die teilweise immer noch laxe Haushaltsdisziplin einiger Euro-Länder.

Im Gegensatz zu vergangenen Jahren scheint also die Frage, ob der Markt das Angebot absorbieren kann, die Liste der Anlegersorgen anzuführen.

Die geplanten Haushaltsdefizite der meisten Euro-Länder liegen weiterhin deutlich über den Niveaus vor der Covid-Pandemie. Zusammen mit den Aussichten auf hohe Zinsen für längere Zeit belastet dies den Schuldendienst, da die Defizite bei einem Zinsniveau nahe am nominalen Wachstum finanziert werden müssen.

Für den Euroraum insgesamt sind Bedenken über die Schuldentragfähigkeit jedoch übertrieben, wenn man unsere erste Angebotsprognose für 2024 betrachtet: Wir erwarten, dass sich die Bruttoemissionen von Euro-Staatsanleihen (EGBs) auf 1.267 Mrd. Euro belaufen werden, was einem leichten Rückgang von 24 Mrd. Euro gegenüber unserer Prognose für 2023 entspricht. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass die um EZB- und Kuponzahlungen bereinigten Nettoemissionen um 67 Mrd. Euro auf 433 Mrd. Euro zurückgehen werden. Geldmarkttitel dürften nächstes Jahr eine untergeordnete Rolle spielen.

Beträchtliche Angebotslast

Dennoch ist die Angebotslast im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie beträchtlich, da die von uns erwarteten EGB-Bruttoemissionen weit über dem Niveau von vor 2020 liegen.

Darüber hinaus nutzen die Finanzagenturen neben traditionellen Anleiheemissionen weiterhin andere Instrumente, um die Belastungen abzufedern. In diesem Jahr haben verstärkt Retail-Produkte (speziell an Privatanleger gerichtete Anleiheemissionen), Netto-Geldmarktemissionen und der Abbau der Kassenbestände und anderer Reserven zum Finanzierungsmix beigetragen, und dieses Muster dürfte im kommenden Jahr anhalten. Allerdings weisen diese Finanzierungsquellen eine eher geringe Duration auf und sind nicht stets verfügbar, so dass sie unter Umständen durch Anleiheemissionen ersetzt werden müssen.

Die Entwicklungen der Aggregate für den Euroraum sollten aber nicht über die wichtigen Veränderungen auf Länderebene hinwegtäuschen.

Vor allem Frankreich und Italien – die Benchmarks für den Semi-Kern bzw. die Peripherie – dürften nächstes Jahr neue Rekordvolumen emittieren, da die Defizite weiterhin bei deutlich über 4% liegen. In Frankreich ist der Anstieg vor allem auf einen geringeren Beitrag von Nicht-Anleihefinanzierungsinstrumenten zurückzuführen. Für Italien erwarten wir den größten Anstieg gegenüber dem Gesamtjahr 2023.

Am anderen Ende des Spektrums dürfte Deutschland nach unserer Erwartung einen Rückgang des Bruttoangebots um 28 Mrd. Euro gegenüber diesem Jahr verzeichnen.

Doch auch für Bundesanleihen kann dies kaum als Erfolg gewertet werden, da die erwarteten 263 Mrd. Euro das zweithöchste Bruttoangebot in der Geschichte darstellen und um gute 100 Mrd. Euro über den Emissionen vor der Pandemie liegen. Ferner bezweifeln wir, dass die hohen Emissionsvolumen schnell wieder zurückgehen, da die Defizite aufgrund der Ausgaben für die Sonderhaushalte voraussichtlich hoch bleiben werden (z.B. durch den Klima- und Transformationsfonds oder durch das Sondervermögen Bundeswehr).

Auch über die vier großen EGB-Emittenten hinaus zeigt sich ein differenziertes Bild. Die Niederlande, Österreich und Belgien entfernen sich von ihren Emissionshöchstständen, begeben aber im historischen Vergleich weiterhin hohe Volumina.

Irland und Portugal spielen in ihrer eigenen Liga und profitieren von niedrigeren Anleihefälligkeiten und Defiziten, was die Bruttoemissionen unter das Vor-Pandemie-Niveau drücken dürfte.

Auf der anderen Seite macht Finnland nur langsame Fortschritte bei der Reduzierung der Emissionen gegenüber den Höchstständen während der Pandemie.

Die Berücksichtigung der Kuponzahlungen und Prognosen zu den Reinvestitionen der EZB sind unerlässlich, um ein vollständiges Bild der Emissionsströme zu erhalten. Obwohl wir davon ausgehen, dass alle PEPP-Fälligkeiten im nächsten Jahr vollständig reinvestiert werden, bleiben die bereinigten Nettoemissionen im historischen Vergleich über alle Emittenten hinweg erhöht.

Bei Bundesanleihen und französischen OATs beispielsweise wird der Markt nach unserer Schätzung ein bereinigtes Nettoangebot von insgesamt 236 Mrd. Euro absorbieren müssen, und für Italien prognostizieren wir auch keinen Rückgang.

Die Abwärtsdynamik am Anleihemarkt verstärkt die Herausforderung, ein anhaltend hohes (Netto-)Angebot bei anhaltend hohen Zinsen zu finanzieren. Die sich abzeichnenden Rekordemissionen Italiens und Frankreichs im nächsten Jahr passen ins Bild, insbesondere angesichts der Rückgänge in den Kernländern.

BTPs mit deutlichem Abschlag

Allerdings haben die Renditeaufschläge der Euro-Staatsanleihen gegenüber Deutschland (Spreads) bereits reichlich Spiel geschaffen, wobei OAT-Renditen in der Nähe des weitesten Niveaus gegenüber Bundesanleihen handeln, das außerhalb von Stressphasen zu beobachten war. BTPs handeln mit deutlichem Abschlag gegenüber unserem fundamentalen Scoring-Modell. Die Abmilderungsstrategien der Finanzierungsagenturen (kürzere Duration, höherer Anteil von Nicht-Anleihe-Instrumenten) sowie die EU-Zahlungen aus dem Aufbaufonds und Unterstützung durch flexible EZB-Reinvestitionen dürften den Druck auf die EGB-Spreads verringern. Daneben spricht eine strukturell niedrigere Bund-Prämie für engere Spreads.

Für BTPs dürfte die finanzpolitische Glaubwürdigkeit den Ausschlag in die eine oder andere Richtung geben, auch in Anbetracht der Bedeutung für die Ratingagenturen. Trotz der Risiken bei der Haushaltsplanung sollte Meloni an der angestrebten Rückkehr zu Primärüberschüssen nach 2025 festhalten. Insgesamt erwarten wir, dass sich der zehnjährige BTP-Bund-Spread in einer Spanne von 170 bis 240 Basispunkten bewegen wird.

Bei Bundesanleihen dürfte das hohe EZB-bereinigte Nettoangebot den Rückgang des Brutto-/Nettoangebots bei weitem überwiegen. OATs dürften weiterhin von einer beachtlichen Liquiditätsprämie profitieren. Irland und Portugal sind nach wie vor unsere Favoriten, wenn es darum geht, Rendite-Pick-ups mit einer hervorragenden fundamentalen Dynamik zu kombinieren.

*) Michael Leister leitet das Zins-Research bei der Commerzbank, Hauke Siemßen ist Zinsstratege.

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