GastbeitragAnlagethema im Brennpunkt (297)

Staatsanleihen: Wann kommt der Sturm?

Trotz einiger Zinserhöhungen durch die Zentralbanken herrschte in diesem Jahr eine unerwartete Ruhe an den Märkten für Staatsanleihen. Doch das könnte sich bald ändern.

Staatsanleihen: Wann kommt der Sturm?

Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (297)

Staatsanleihen: Wann kommt der Sturm?

Thomas Romig

Head of Multi
Asset Portfolio Management bei Assenagon

Trotz einiger Zinserhöhungen durch die Zentralbanken herrschte in diesem Jahr eine unerwartete Ruhe an den Märkten für Staatsanleihen. Seit Beginn des Jahres haben sich die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen der Industrienationen weitgehend stabilisiert, während die Risikoaufschläge für Länder wie Italien oder Griechenland zum Teil erheblich gesunken sind. Parallel dazu ist in Europa und den Vereinigten Staaten die Schuldenquote – also das Verhältnis von Staatsschulden zum nominalen Bruttoinlandsprodukt – rückläufig. Zeichnet sich etwa eine Entspannung der Lage in den teilweise hoch verschuldeten Staaten ab?

Schuldenquote sinkt

Das Gegenteil ist der Fall. Der Rückgang der Schuldenquoten ist nicht etwa auf Sparmaßnahmen, sondern allein auf die derzeit starke Inflation zurückzuführen. Der Mechanismus dahinter: Höhere Preise steigern das nominale Bruttoinlandsprodukt, auch dann, wenn das reale Wirtschaftswachstum nur gering ausfällt. Demgegenüber bleiben die absoluten Staatsschulden trotz des Anstiegs der Inflationsrate unverändert. So sinkt die Schuldenquote, die Staaten erscheinen weniger verschuldet. Zudem steigen die Steuereinnahmen an, die zusätzlich für die Konsolidierung der Schulden verwendet werden können.

Staatshaushalte tiefrot

Die Neuverschuldung, gemessen an der Wirtschaftsleistung, befindet sich in den entwickelten Industrienationen hingegen nach wie vor auf einem Niveau, das deutlich über dem historischen Durchschnitt liegt. Die Staatshaushalte der führenden Industrieländer weisen unverändert tiefrote Zahlen auf. Im ersten Quartal dieses Jahres betrug das Haushaltsdefizit beispielsweise in der Eurozone 4,2%, in den Vereinigten Staaten über 10% und in Italien sogar mehr als 12% des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts. Diese Tendenzen lassen sich teilweise auf die erhöhten Ausgaben zurückführen, die als Reaktion auf die jüngsten Wirtschafts- und Energiekrisen getätigt wurden. Es werden aber auch die ersten Auswirkungen der im vergangenen Jahr spürbar gestiegenen Zinsen sichtbar. Der Schuldendienst wird zunehmend kostenintensiv, wodurch der Bedarf an Refinanzierung zusätzlich wächst. Es entsteht die Gefahr einer Verschuldungsspirale, die durch steigende Schulden und eine wachsende Zinsbelastung gekennzeichnet ist. Sobald die Tragfähigkeit der Verschuldung eines Landes von den Märkten infrage gestellt und Investorengeld abgezogen wird, können zudem die Risikoprämien stark ansteigen.

Griechenland-Szenario

Genau dieses Szenario trat ein, als Griechenland in der Folge der globalen Finanzkrise vor rund 15 Jahren finanziell in Schieflage geriet. Durch die geschönten Verschuldungszahlen und das dadurch entstandene Misstrauen an den Finanzmärkten begannen die Zinsen für griechische Staatsanleihen kontinuierlich zu steigen. Dies setzte sich weiter fort, bis schließlich rund 8% des Bruttoinlandsprodukts allein für Zinszahlungen aufgebracht werden mussten – eine Belastung, die den finanziellen Spielraum des griechischen Staates überstieg. Die Furcht vor einem möglichen Zahlungsausfall führte zu einer weiteren Zinseskalation, wobei die Renditen auf langfristige "Ouzo-Anleihen" auf nahezu 30% in die Höhe schnellten. Die unmittelbaren Folgen waren ein Schuldenschnitt, strenge fiskalische Konsolidierungsmaßnahmen und ein spürbarer Rückgang des Lebensstandards innerhalb des Landes. Erst ein Jahrzehnt später gelang es der griechischen Wirtschaft, sich nachhaltig zu erholen und wieder Stabilität zu erlangen.

Emerging Markets attraktiver?

Die relative Ruhe an den Märkten verbirgt die wachsenden Herausforderungen, die auf die Staatsfinanzen zukommen. Was bedeutet das für Anleger? Innerhalb der nächsten 12 bis 24 Monate könnten Staatsrisiken erneut einen zentralen Platz in den Kapitalmarktdebatten einnehmen. Das kann zu höherer Volatilität bei den Währungen führen und mehr Spannungen in der Eurozone erzeugen. "Einfache" Lösungen wie in der Griechenlandkrise sind dann schwer umsetzbar. Relativ könnten dann die weniger verschuldeten Emerging Markets sowie Sachwertanlagen in Aktien und Edelmetallen an Attraktivität gewinnen.