Starke Schwankungen an der Nasdaq in Sicht
Mehr als neun Jahre lang kannte der Technologieindex Nasdaq 100 nur eine Richtung: nach oben. 605 % Kursgewinn seit dem Tief in der Finanzkrise und das Allzeithoch im März dieses Jahres entsprechen einer imposanten Jahresrendite von gut 23 %. Kurze Rücksetzer gab es auf dem steilen Weg nach oben immer wieder. Von daher müssten die Kursverluste in diesem Jahr nicht zwangsläufig beunruhigen. Und doch scheint diesmal alles anders zu sein. Gleich zweimal stürzte der Technologieindex in diesem Jahr um 12 % ab. Natürlich lässt sich insbesondere der erste Rückgang zumindest teilweise mit dem allgemein schwachen Marktumfeld und den Schwierigkeiten zahlreicher Volatilitätsstrategien begründen. Während des zweiten Drawdowns sah dies jedoch anders aus. Im März entwickelte sich der Nasdaq-100-Index mehr als 5 % schlechter als der Small- und Mid-Cap-Index Russell 2000. Immer höhere Bewertungen Gründe dafür gibt es viele: Allen voran die langjährige Outperformance der Technologiewerte, die mit immer höheren Bewertungen einherging. Vor den beiden Rückschlägen in diesem Jahr erreichte das historische Kurs-Gewinn-Verhältnis jeweils einen Spitzenwert von mehr als 27. Anders als beim Indexstand erreichte die Bewertung zwar kein Allzeithoch, aber zumindest den höchsten Stand seit dem Jahr 2009. Dazu kommen Probleme einzelner Unternehmen wie etwa der Datenskandal beim Indexschwergewicht Facebook.Spannend ist die Frage, wie die Anleger die aktuelle Situation einschätzen: Halten Investoren einen Rücksetzer von 800 Punkten nach einem Anstieg um mehr als 6 000 Punkte für eine gesunde und notwendige Korrektur auf dem Weg noch weiter nach oben? 2006 erreichte das Kurs-Gewinn-Verhältnis in der Spitze einen Wert von 34, im Jahr 2009 von 32. Sollten Anleger tatsächlich ein Wiedersehen mit diesen Werten erwarten, müsste der Nasdaq-100-Index auf Basis der aktuellen Gewinne auf 8 200 bis 8 800 Punkte steigen, dies wären noch einmal 15 bis 25 % über dem Allzeithoch aus dem März. Rechnen die Investoren mehrheitlich mit dieser Klettertour und sind deshalb entspannt? Oder fürchten Investoren eine Wiederaufnahme der Talfahrt und halten bereits das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis für zu hoch bewertet? Im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre lag das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei 21. Um dies zu erreichen, müsste der Index auf Basis der aktuellen Gewinne bis auf 5 400 Punkte einbrechen, dies wären noch einmal 12 % unter dem Jahrestief aus dem Februar. Ein Blick auf die Volatilitätsindizes hilft hier weiter. Nach einem Jahrestief von unter 10 Volatilitätspunkten im Jahr 2017 stieg der Volatilitätsindex des Nasdaq 100 im angelaufenen Jahr in der Spitze bis auf 38 Volatilitätspunkte an. Der bisherige Jahresdurchschnitt liegt bei knapp 21 Volatilitätspunkten. Zum Vergleich: 2017 notierte der Volatilitätsindex durchschnittlich bei 14 Volatilitätspunkten und damit um ein Drittel niedriger. Zukünftige überdurchschnittliche Schwankungen dürften also garantiert sein. Nur über die Richtung der Schwankungen geben die Volatilitätsindizes keinen Aufschluss. Sind hohe Schwankungen nun Nasdaq-spezifisch?Interessant ist hier der Vergleich mit dem Volatilitätsindex des Russell 2000. Während des knapp zehn Jahre andauernden Aufschwungs der Technologiewerte wurde der Volatilitätsindex des Russell 2000 fast durchgängig oberhalb dem des Nasdaq 100 gehandelt. 2009 und 2001 betrug der Volatilitätsvorsprung der Small- und Mid Caps dabei temporär stolze 11 Volatilitätspunkte. Small- und Mid Caps galten bei den Anlegern also als deutlich schwankungsanfälliger als Technologiewerte. In der neunjährigen Hausse gab es nur drei ganz kurze Phasen, in denen die Nasdaq-Volatilität die Russell-Volatilität um maximal 3 Volatilitätspunkte überstieg. Das hat sich mit dem Jahresbeginn 2018 massiv verändert. Ende März notierte der Volatilitätsindex des Nasdaq 100 gut 7 Punkte über dem des Russell 2000 – ein Rekord in der bis 2004 zurückgehenden Historie der Volatilitätsindizes. Von entspannten Technologieanlegern kann hier also keine Rede sein. Absicherungsquote niedrigDafür, dass die Anleger mehrheitlich mit anhaltend starken Nasdaq-Schwankungen rechnen, ist die Absicherungsquote aktuell erstaunlich niedrig. Das Open Interest aller ausstehenden Put-Optionen auf den Nasdaq 100 fiel im März sogar auf den niedrigsten Stand seit 14 Jahren. Aktuell liegt der Wert aller ausstehenden Put-Optionen bei gerade mal 23 % des historischen Durchschnitts. Allerdings liegt auch das Open Interest der ausstehenden Call-Optionen aktuell gerade mal bei 22 % des historischen Mittelwerts. Optionen werden im Moment also kaum gekauft – auf beiden Seiten. Offensichtlich halten Investoren die Prämien angesichts der erhöhten Volatilität für zu hoch. Entsprechend sind die wenigsten Investoren für einen erneuten Abwärtstrend positioniert oder zumindest abgesichert. Für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends sind die Investoren ja auch ohne Call-Optionen bereits durch ihre Aktien positioniert. Die Positionierung der Herde der Anleger ist also eindeutig. Viele Börsenweisheiten warnen jedoch vor diesem gefährlichen Herdentrieb.—-Thomas Altmann, Leiter des Portfoliomanagements, QC Partners