DEVISENWOCHE

Starker Franken bereitet SNB Kopfschmerzen

Von Sebastian Sachs *) Börsen-Zeitung, 18.2.2020 Die Performance des Schweizer Franken seit Jahresbeginn ist beeindruckend. Bis Ende vergangener Woche zeigte die Ertragsrangliste der G10-Währungen mit dem Dollar nur eine Valuta, die sich in diesem...

Starker Franken bereitet SNB Kopfschmerzen

Von Sebastian Sachs *)Die Performance des Schweizer Franken seit Jahresbeginn ist beeindruckend. Bis Ende vergangener Woche zeigte die Ertragsrangliste der G10-Währungen mit dem Dollar nur eine Valuta, die sich in diesem Zeitraum gegen den Franken durchsetzen konnte. Die wachsende Zahl geopolitischer Unruheherde – zuletzt natürlich die mit dem Ausbruch des Coronavirus einhergehende Nervosität – sorgte dafür, dass der Franken seinem Status als sicherer Hafen alle Ehre machen konnte. Wir müssen schon sagen, wieder einmal! Allerdings: Die Popularität der Währung dürfte ab einem gewissen Punkt, der unserer Einschätzung nach nicht mehr weit entfernt ist, die Sorgenfalten der Schweizer Notenbank (SNB) deutlich tiefer werden lassen; und dieses Thema sollte die SNB aus unserer Sicht zumindest bis weit in das Jahr 2020 hinein verfolgen. Zugleich muss sich die SNB erneut dem Vorwurf stellen, kursschwächend am Markt einzugreifen – eine Anschuldigung, die vor allem die USA erheben, aktuell sogar unter Androhung von Konsequenzen.Die SNB hat, wie viele andere Zentralbanken weltweit auch, aktuell nur zwei Optionen – und die sind symptomatisch für das Dilemma der gegenwärtigen Geldpolitik: Sie kann versuchen, durch einen extrem expansiven Kurs eine Abwertung des Franken zu bewirken. Damit riskiert sie allerdings gleichzeitig den Vorwurf der Währungsmanipulation und auch das Verprellen der Schweizer Sparer. Oder sie lässt zu, dass der Franken immer weiter aufwertet, womit nicht nur die heimischen Exporteure bestraft werden, sondern auch jede Chance auf ein Anspringen der Inflation erst einmal ad acta gelegt wäre.Angesichts der angespannten globalen Lage mit Handelskonflikt, Brexit, Amtsenthebungsverfahren in den USA, einer katastrophalen innenpolitischen Gemengelage in Deutschland und ganz generell dem voraussichtlich langsamer werdenden globalen Wachstum (auch ohne Coronavirus) lässt sich den internationalen Anlegern kaum vorwerfen, dass sie einen sicheren Hafen aufsuchen. Und das ist nun mal – neben dem Yen – vor allem der Schweizer Franken. Selbst das extrem niedrige Schweizer Renditeniveau kann diese Fluchtbewegung weder stoppen noch verhindern. Der Franken wird stärker und stärker. Schon einmal musste die SNB eingestehen, dass die Verteidigung bestimmter Wechselkursmarken (lange Zeit galt 1,20 bei Euro als absolute Untergrenze) ihre Grenzen hat. Und dabei hat sie über mehrere Jahre durchaus erfolgreich gekämpft. Am 15. Januar 2015 gab sich die SNB schließlich geschlagen mit der Folge, dass sich der Wechselkurs mittlerweile auf Niveaus um 1,06 wiederfindet. Und dennoch wird weiter versucht, ein zu kräftiges Abrutschen des Euro-Franken-Kurses zu verhindern.Es stellt sich allerdings die Frage, ob Devisenmarktinterventionen zur Schwächung des Franken auch dann fortgeführt werden, wenn sie möglicherweise US-Strafmaßnahmen nach sich ziehen. Das US-Handelsministerium hat kürzlich eine neue Verordnung zur Einführung von Antisubventionszöllen erlassen. Damit können einzelne Produkte mit Ausgleichszöllen belegt werden, sofern sie in Ländern produziert werden, die nach Einschätzung der USA ihre Währungen gegenüber dem Dollar abwerten. Die Schweiz steht ohnehin schon auf der US-Beobachtungsliste für Währungsmanipulationen. Trotz der theoretischen Möglichkeit sehen wir es dennoch als eher unwahrscheinlich an, dass die US- Regierung die Schweiz sanktioniert. Ein Restrisiko bleibt allerdings. Und je stärker der Euro zum Franken nach unten abtaucht, umso mehr müssen sich der SNB-Vorsitzende Thomas Jordan und seine Kollegen überlegen, wie eine angemessene Reaktion ausschauen sollte. Doch schließlich gibt es durchaus auch einen kleinen, aber feinen Unterschied zwischen Intervention und Manipulation. Weitere Senkungen möglichDie Zinssätze in der Schweiz sind sehr niedrig – der Leitzins liegt seit fünf Jahren konstant bei -0,75 %, zehnjährige Schweizer Staatsanleihen rentieren bei -0,7 %. Wenn selbst diese niedrigen Zinssätze nicht ausreichen, um internationale Investoren zu “verscheuchen”, muss die Frage erlaubt sein, ob es zu weiteren Zinssenkungen kommen kann. Nach unserer Einschätzung wird sich die SNB einer zu starken Aufwertung des Franken entgegenstellen, auch wenn über den richtigen Zeitpunkt diskutiert werden kann. Jordan sagte zumindest in einem Zeitungsinterview, dass weitere Zinssenkungen nicht auszuschließen seien, auch wenn sie nicht unmittelbar bevorstünden. Es ist also keineswegs so, dass die SNB schon am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen ist. Die Frage bleibt, wie viel eine Notenbank tun muss, um einem so starken Aufwertungsdrang ein Ende zu setzen.Die Schweizer Konjunktur zeigt ein gemischtes Bild. Einzelne Veröffentlichungen der jüngsten Vergangenheit enttäuschten, doch das von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich berechnete Wirtschaftsbarometer zeigt deutlich nach oben – auch in seinen Teilindikatoren für das verarbeitende Gewerbe und den Servicesektor. Allerdings ist die Perspektive – nicht nur vor dem Corona-Hintergrund – mit einem großen Fragezeichen versehen. Und schließlich bleibt die Preisentwicklung: Hier besteht die große Gefahr, dass durch die Wechselkursentwicklung deflationäre Tendenzen ausgelöst werden. Das kann der SNB nicht schmecken. Wir gehen davon aus, dass das Währungspaar Euro-Franken unter Druck bleibt und die SNB gleichzeitig versuchen wird, die Stärke des Franken nicht ausufern zu lassen. Ob wir hier von Intervention oder Manipulation sprechen, mögen andere entscheiden. *) Sebastian Sachs ist Währungs- und Devisenanalyst bei Metzler.