Kreditwürdig

Steigende Insolvenzen als latente Gefahr für KMU-Verbriefungen

Analyst Ralf Raebel von der DZ Bank sieht in steigenden Insolvenzen eine latente Gefahr für Verbriefungen bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen.

Steigende Insolvenzen als latente Gefahr für KMU-Verbriefungen

Kreditwürdig

Steigende Insolvenzen bergen Gefahren

Von Ralf Raebel*)

Am 12. Januar warnte die neue EZB-Aufsichtschefin Claudia Buch in ihrer ersten großen Rede in Brüssel vor steigenden Unternehmensinsolvenzen und zunehmenden Kreditrisiken für europäische Banken. Parallel dazu meldete das Statistische Bundesamt am selben Tag einen Anstieg der beantragten Regelinsolvenzen für Deutschland im Dezember 2023 um 12,3% gegenüber dem Vorjahreswert. Mit 26,2% verschlechterte sich der am 16. Februar gemeldete Anstieg für Januar auf 12-Monats-Sicht nochmals deutlich.

Neben den zehn Zinsanhebungen der EZB werden hierfür auch die Preissteigerungen, allen voran der Energiepreise als Folge des Ukraine-Kriegs, aber auch schon davor aufgrund der gestörten Lieferketten durch die Corona-Pandemie, als Ursache angesehen.

Ausdruck einer Normalisierung

Ein Blick in den Rückspiegel zeigt, dass die Unternehmensinsolvenzen in Deutschland zwar prozentual deutlich zugenommen haben, jedoch von einem durch regulatorische Eingriffe und Corona-Hilfspakete verzerrt niedrigen Niveau während der Pandemie 2020 und 2021 aus. Insofern handelt es sich bei dem Insolvenzanstieg auch um eine Normalisierung nach Wegfall der Ausnahmebedingungen und den Ausdruck eines gewissen „Nachholbedarfs“. Im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie mit Spitzenwerten der Insolvenzstände von 105,8 Punkten im März 2018 und 108,2 Punkten im Juli 2019 liegt der Stand Ende Januar 2024 mit 90,8 Indexpunkten trotz des enormen Anstiegs noch deutlich darunter, wie auch unter dem Basisstand von 100 Indexpunkten im Referenzjahr 2015.

Eher Ertragshebel als Insolvenzverstärker

Die Studie „Unternehmensinsolvenzen in Europa“ von Creditreform zeigt, dass sich die Ertragslage der Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren über alle Kohorten hinweg kontinuierlich verbessert hat. Dabei sticht insbesondere das Pandemiejahr 2021 hervor. So erreichte der Anteil der hochprofitablen Unternehmen mit mehr als 25% Ebit-Marge einen neuen Höchststand von 19,6% (Vorjahr 18,0%). Auch die sehr profitablen Unternehmen mit einer Ebit-Marge zwischen 10% und 25% konnten ihren Anteil von 17,5% auf 19,4% deutlich ausbauen. Umgekehrt sank der Anteil der defizitären Unternehmen mit 21,3% auf den niedrigsten Stand in der betrachteten Dekade (Vorjahr 26,7% und Höchststand 2012 mit 27,9%). Der Mehrheit der Unternehmen ist es also im Rahmen des allgemeinen Preisauftriebs gelungen, ihre Kostensteigerungen überproportional über eigene Preiserhöhungen weiterzugeben und so ihre Profitabilität zu steigern. Der hinter uns liegende Inflationsanstieg wirkte sich für die meisten Unternehmen daher eher wie ein „Ertragshebel“ denn als „Insolvenzverstärker“ aus.

Dies war unter anderem deshalb möglich, weil Endkunden im Zuge der allgemeinen Teuerung die Preiserhöhungen akzeptierten. Zudem konnten sie aufgrund ihrer Ersparnis während der Pandemie diese Preise danach auch zahlen. Natürlich birgt aber ein Anteil von über einem Fünftel defizitärer Unternehmen immer noch ein großes Potenzial für zahlreiche Insolvenzen in der Zukunft, wenngleich diese Gefährdung in der Vergangenheit schon größer war.

Veränderte Rahmenbedingungen

Der Blick in die Zukunft zeigt zudem veränderte Rahmenbedingungen für die Unternehmen. So könnten Verbraucher aufgrund von Realeinkommensverlusten nicht mehr bereit oder imstande sein, die geforderten Preise zu bezahlen und nach günstigeren Ausweichmöglichkeiten suchen. Auch die Refinanzierungsbedingungen stellen sich für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) heute schwieriger dar als während der Pandemiejahre. Deutsche KMU sind bei ihrer Finanzierung in hohem Maße auf Bankkredite angewiesen. Die KfW hat ermittelt, dass rund 30% ihres Finanzierungsbedarfs mittels Bankkredit gedeckt werden. Laut der letzten EZB-Umfrage zur Kreditvergabe der Banken im Euroraum für das vierte Quartal 2023 wurden die Kreditstandards für Kredite oder Kreditlinien an Unternehmen im Berichtszeitraum weiter verschärft, wenn auch nur moderat. Eine erhöhte Risikowahrnehmung seitens der Banken war eine der Hauptursachen für die Verschärfung der Kreditstandards (Credit Tightening). Die Spanne reichte in der zweiten Jahreshälfte 2023 von fast keiner Nettoverschärfung im Dienstleistungssektor bis zu relativ starken Nettoverschärfungen in den Sektoren Gewerbeimmobilien, Baugewerbe und Wohnimmobilien. Für das erste Quartal 2024 erwarten die Banken im Euroraum eine weitere Verschärfung der Nettokreditstandards für Kredite an Unternehmen und an private Haushalte. Ebenso berichtete die Ratingagentur Fitch Mitte Januar, dass die Refinanzierungsrisiken für den deutschen Mittelstand 2024 weiter steigen werden. In jüngster Vergangenheit konnte die Agentur einen signifikanten Anstieg der Verzugsraten bei von ihr gerateten deutschen Mittelstands- oder KMU-Verbriefungen (SME ABS) beobachten, wenn auch von niedrigem Niveau aus.

Fitch geht davon aus, dass die bisherigen Leitzinserhöhungen erst mit Verzögerung in der Realwirtschaft ankommen, weshalb der beobachtete Verzugsanstieg im Wesentlichen auf die Rezession im vergangenen Jahr zurückgeführt wird. Perspektivisch dürfte das von Wirtschaftsminister Habeck avisierte schwache Wirtschaftswachstum von lediglich 0,2% für dieses Jahr in Kombination mit noch strengeren Kreditvergaberichtlinien zu einer weiteren Verschlechterung der Asset-Performance von deutschen SME ABS führen. Eine Leitzinssenkung der EZB, wie sie unsere Zinskollegen in drei Schritten bis Jahresende um 75 Basispunkte erwarten, dürfte nur bedingt und ebenfalls mit Zeitverzögerung für Entlastung sorgen. Zwar ist der Einfluss des Credit Tightening auf den Anstieg der Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zum Beitrag der Energiepreissteigerungen und der Erhöhung der Inputpreise im vergangenen Jahr unklar. Nach rückläufiger Inflation und gesunkenen Energiepreisen könnte eine Kreditklemme in diesem Jahr aber zum entscheidenden Faktor für die Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen werden. Zudem stellen laut Fitch die hohen Kosten und die begrenzten Möglichkeiten, diese an Kunden weiterzugeben, ein weiteres Problem für KMU dar.

Ratings sollten stabil bleiben

Mit Blick auf deutsche Mittelstandsverbriefungen geht Fitch allerdings davon aus, dass das Ausmaß der weiteren Performance-Verschlechterung von SME-ABS-Pools bereits in den Annahmen zu den aktuell vergebenen Ratings hinreichend reflektiert ist, so dass insoweit keine Ratinganpassungen vorgenommen werden müssen.

*) Ralf Raebel ist Senior ABS Analyst bei der DZ Bank.