Harris und Trump werben um Unternehmen

Steuerpläne von US-Kandidaten halten Kapitalmarkt im Bann

Die haushaltspolitischen Pläne der US-Präsidentschaftskandidaten zeichnen sich klarer ab. Kamala Harris' angepeilte Steuererhöhungen lösen dabei düstere Prognosen für den S&P 500 aus, während Donald Trumps geplante Geschenke an Unternehmen Sorgen um die Stabilität am Anleihemarkt verstärken.

Steuerpläne von US-Kandidaten halten Kapitalmarkt im Bann

US-Steuerpläne halten Kapitalmarkt im Bann

Harris peilt hohe Abgaben an und weckt Sorgen um Gewinnentwicklung im S&P 500 – Trump-Vorhaben lassen Strategen um Treasury-Stabilität fürchten

Die haushaltspolitischen Pläne der US-Präsidentschaftskandidaten zeichnen sich klarer ab. Kamala Harris angepeilte Steuererhöhungen lösen dabei düstere Prognosen für den S&P 500 aus, während Donald Trumps geplante Geschenke an Unternehmen Sorgen um die Stabilität am Anleihemarkt verstärken.

Von Alex Wehnert, New York

Die Pläne der US-Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump für die Besteuerung von Unternehmen halten die Anleger im Bann. Beide haben ihre Vorhaben in der abgelaufenen Woche deutlicher herausgestellt: Trump, der zuvor schon eine Senkung der Körperschaftsteuer auf 20% in Aussicht stellte, schlug in einer Rede vor dem Economic Club of New York am Donnerstag vor, den effektiven Satz für Inlandsproduzenten auf 15% zu kürzen. Harris peilt dagegen an, die Körperschaftsteuer von 21% auf 28% und die Abgabenquote auf Investmenterträge von 3,8% auf 5% zu erhöhen, wie sie am Mittwoch bei einem Wahlkampfauftritt in New Hampshire betonte.

Zusätzliche Bürden

Bei Goldman Sachs ruft dies allerdings Befürchtungen hinsichtlich die Profitentwicklung von Amerikas führenden Unternehmen hervor. Die Analysten des New Yorker Geldhauses gehen davon aus, dass jede Anhebung der Körperschaftsteuer die Gewinne im S&P 500 um etwas weniger als 1% drücken dürfte. Eine Erhöhung auf 28% werde den Überschuss innerhalb der marktbreiten US-Aktienbenchmark damit um 5% belasten.

Weitere vorgeschlagene Änderungen an einer im Rahmen des Inflation Reduction Act eingeführten Mindestbesteuerung auf Gewinne von Unternehmen mit angepassten Finanzberichten für 2022 und 2023 und durchschnittlichen Jahresüberschüssen von über 1 Mrd. Dollar sowie an der Besteuerung im Ausland erwirtschafteter Erträge könnten eine schwere zusätzliche Bürde darstellen. Resultierten die Pläne der Demokratin in einer eingetrübten ökonomischen Aktivität, seien Gewinneinbrüche von 10% möglich. Der Thinktank Tax Foundation, der sich für niedrige Abgaben einsetzt, rechnet damit, dass eine Anhebung der Körperschaftsteuer auf 28% das Bruttoinlandsprodukt langfristig um 0,6% drücken dürften.

U.S. Bancorp betont, dass die Gewinnentwicklung langfristig die entscheidende Grundlage für die Performance des S&P 500 bilde. Für das Gesamtjahr 2024 sei in der Benchmark mit einem aggregierten Überschuss von 240 Dollar je Aktie zu rechnen, gegenüber 2023 bedeute dies einen Anstieg um 10%. Bereits im zweiten Quartal lag die Wachstumsrate laut Factset bei 10,9%, wobei 79% der Unternehmen im S&P 500 mit ihrer Gewinnentwicklung positiv überrascht hätten.

Buybacks im Fokus

Harris nimmt indes einen weiteren zentralen Faktor des Shareholder Return in den Fokus: So unterstützt die Demokratin Pläne, die Steuer auf Aktienrückkäufe von 1% auf 4% anzuheben. Dies könnte laut der Wharton School der University of Pennsylvania über zehn Jahre 265 Mrd. Dollar in die Staatskassen spülen und die Steuervorteile von Buybacks im Vergleich zu Dividendenausschüttungen fast vollständig ausradieren.

Die hohen Volumina an Aktienrückkäufen von US-Konzernen, insbesondere aus der Ölindustrie, sind auch Präsident Joe Biden schon seit längerer Zeit ein Dorn im Auge. Der Amtsinhaber fordert, dass Unternehmen ihre liquiden Mittel in Zukunftsinvestitionen stecken sollten. Die bisher gültige Buyback-Steuer von 1% ist Teil von Bidens Inflation Reduction Act und gilt seit Januar 2023, hat sich laut den Analysten von S&P Dow Jones bisher aber als weitgehend wirkungslos erwiesen.

Eine Verschiebung von Rückkäufen hin zu Dividendenzahlungen sei erst ab einer Rate von 2,5% zu erwarten. Analysten mahnen allerdings an, dass ein stärkerer Fokus auf Ausschüttungen den Unternehmen, die ohnehin gezwungen seien, Cash an ihre Anteilseigner zurückzuführen, in Krisen Flexibilität rauben würde. Schließlich sei eine Kürzung der Dividende am Kapitalmarkt schwieriger zu vermitteln als die zeitweise Aussetzung eines Rückkaufprogramms.

Eine Erhöhung der Besteuerung auf 4% würde laut Goldman einen „schrittweise stärkeren Gegenwind für Buybacks“ verursachen und damit auf den Aktienbewertungen lasten. Schließlich hätten Rückkäufe in den vergangenen Jahren „die größte Quelle der Nachfrage“ nach Dividendentiteln dargestellt. Gerade Unternehmen wie General Motors, die auf Zukunftsfeldern wie der Elektromobilität auf Hürden stoßen, setzen Buybacks gezielt ein, um Aktionäre bei Laune zu halten.

Die von Harris avisierten Mehrbelastungen insbesondere bei der Körperschaft- und Kapitalertragsteuer bedeuten gegenüber ursprünglich von Präsident Biden lancierten Plänen allerdings schon ein deutliches Zugeständnis an Unternehmen. Der Amtsinhaber hatte zuletzt nahezu eine Verdopplung des aus Körperschaft- und Kapitalertragsteuer kombinierten Satzes auf 44,6% gefordert. Für Harris sind ihre Steuervorschläge der bisher klarste Versuch, sich von der Haushaltspolitik Bidens abzugrenzen.

Gemäß dem Penn Wharton Budget Model könnte eine Anhebung der Körperschaftsteuer auf 28% das US-Haushaltsdefizit über das kommende Jahrzehnt um 1 Bill. Dollar reduzieren. Die Pläne Trumps, den Satz für Inlandsproduzenten auf 15% zu senken, könnten die Gewinne im S&P 500 hingegen zwar um 4% ankurbeln, den Unterschuss im Bundesbudget aber um nahezu 600 Mrd. Dollar ausweiten.

Mit kumuliert mehr als 1,5 Bill. Dollar im bisherigen Jahresverlauf lag das Defizit zuletzt auf Niveaus, die sich vor der Finanzkrise 2008 nie auch nur in Reichweite befanden. Das Congressional Budget Office (CBO) geht davon aus, dass der Unterschuss in den kommenden drei Jahrzehnten auf 8,5% des BIP klettern dürfte. Die Staatsverschuldung lag im Verhältnis zum BIP in den vergangenen vier Jahren trotz hoher Steuereinnahmen auf Niveaus, die seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht gesehen wurden, und könnte nach CBO-Prognosen in der kommenden Dekade in die Richtung von 140% klettern.

Vertrauenskrisen drohen

Zwar sei die Toleranz der Märkte für die US-Finanzpolitik groß, betonte Jan Viebig, Chief Investment Officer von Oddo BHF, zuletzt gegenüber der Börsen-Zeitung. Dennoch: „Die Anfälligkeit für Vertrauenskrisen dürfte steigen und damit auch die Volatilität an den Anleihemärkten.“ Analysten warnen davor, dass eine Erosion des Status von Treasuries als sicherem Hafen auch starke Schwankungen bei Aktien zur Folge haben dürfte. Wie die US-Wahl also auch ausgeht: Die Steuerpolitik des Siegers dürfte Anleger noch länger im Bann halten.

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