Stimmungseintrübung belastet Kapitalmärkte
Von Carsten Lüdemann *)Die Stimmung an den Kapitalmärkten hat sich in den vergangenen Wochen merklich eingetrübt. Es gab keinen konkreten Anlass, doch in der Summe sind es wohl einfach zu viele Themen, die die Geduld der Investoren strapazieren. Einen großen Anteil haben die Handelsstreitigkeiten, die US-Präsident Trump mit wichtigen Handelspartnern angezettelt hat. Hinzu kommen diverse politische Störfaktoren, wie die Brexit-Debatte und Italiens Haushaltsstreit mit der EU. All diese Themen lasten auch zunehmend auf der konjunkturellen Stimmung, wie die jüngsten Einkaufsmanagerindizes belegen. Während der Rückgang der außergewöhnlich guten Stimmungsindikatoren in der ersten Jahreshälfte noch als lange erwarteter Normalisierungsprozess willkommen geheißen wurde, ist inzwischen ein neutrales Stimmungsbild erreicht worden. Eine Fortsetzung des Trends rückläufiger Indizes würde auf nachgebende Wachstumsraten in der weltweiten Konjunkturentwicklung hindeuten.Tatsächlich dürfte das dritte Quartal für Deutschland nur noch minimales oder gar stagnierendes Wirtschaftswachstum anzeigen. Bisher wird dies nur als Ausrutscher angesehen, der im laufenden Quartal ausgebügelt werden wird. Doch zuletzt haben die Kapitalmärkte zunehmend empfindlich auf negative Nachrichten reagiert. Insbesondere Gewinnwarnungen oder enttäuschende Quartalsberichte großer Unternehmen wurden mit teils heftigen Rückschlägen in den entsprechenden Aktienkursen quittiert. Die Sorge dahinter ist, dass der Konjunkturzyklus seinen Höhepunkt bereits überschritten haben könnte und es in den kommenden Quartalen abwärts geht. In der Folge würden auch Umsätze und Gewinne der Unternehmen sinken und damit die Bewertungen an den Märkten. Vorlaufcharakter verlorenIn der Vergangenheit hatte der Kreditmarkt oftmals einen Vorlauf in der Preisentwicklung gegenüber den Aktien ausgewiesen. Dies wurde zumeist von den Notenbanken unterstützt, indem sie frühzeitig im Konjunkturzyklus eine Zinswende vorbereiteten, um einer Fehlentwicklung bei den Inflationsraten vorzubeugen. Während beispielsweise in einer Boom-Phase Aktieninvestoren Leitzinssteigerungen als positives Signal aufgefasst haben, dass die Konjunktur aus Sicht der Notenbank weiterhin expandieren wird, also Umsätze und Gewinne zulegen sollten, werteten Kreditgeber dies mitunter als Warnsignal. Denn steigende Finanzierungskosten wirken sich negativ auf die Bewertung ausstehender Unternehmensanleihen aus. Neben dem erhöhten Marktzins verlangen Investoren in solchen Phasen zumeist auch höhere Risikoaufschläge, da die anziehenden Kosten das Geschäftsrisiko des Unternehmens erhöhen.An den Aktienmärkten ist diese Entwicklung natürlich sorgsam beobachtet worden. Sobald sich abzeichnete, dass die Dynamik der Gewinnsteigerungen nachlässt, folgten die Aktien den Anleihekursen gen Süden. Mit der Ausweitung der geldpolitischen Maßnahmen auf quantitative Eingriffe, insbesondere dem Ankauf von Unternehmensanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB), müssen diese Mechanismen neu bewertet werden. Denn die Notenbank hat als neuer, preisunempfindlicher Investor einige natürliche Marktmechanismen ausgesetzt. Infolge der Verknappung von Unternehmensanleihen sind die Risikoaufschläge schneller und stärker zurückgegangen, als es in früheren Zyklen üblich gewesen ist.Und bereits frühzeitig, als die Diskussion über ein mögliches Zurückfahren der Anleihekäufe Anfang dieses Jahres begann, ist dieser EZB-Faktor wieder ausgepreist worden. Während sich die Risikoaufschläge der Anleihen dann zum Sommerende wieder stabilisierten, begann sich an den Aktienmärkten die beschriebene Gemengelage immer belastender auf die Kurse auszuwirken. Die teilweise heftigen Kursverluste in jüngster Zeit wurden bei Unternehmensanleihen bisher jedoch nur teilweise nachvollzogen. Während der Euro Stoxx und der Dax seit Jahresbeginn einen Total Return von etwa minus 8 % bzw. -12 % ausweisen, steht beim iBoxx Index für Unternehmensanleihen immerhin nur ein minimaler Verlust beim Total Return zu Buche. Selbst bei deutlich riskanteren Werten aus dem Euro-High-Yield-Bereich ist die Performance nur wenig tiefer ins Minus gerutscht. Dies liegt einerseits an der freundlichen Entwicklung auf dem Zinsmarkt, andererseits an den etwas höheren Zinskupons, die Anleger bei Unternehmensbonds vereinnahmen können. EZB lässt Vorsicht waltenNeben den unkonventionellen Maßnahmen der EZB sind zurzeit aber auch die Erwartungen an die konventionelle Leitzinspolitik andere als in vorherigen Konjunkturzyklen. Die EZB geht bei der Vorbereitung künftiger Leitzinserhöhungen sehr vorsichtig vor. Angesichts der aktuellen Stimmungseintrübung ist davon auszugehen, dass sie die Aussicht auf künftige Zinserhöhungen nochmals vorsichtiger formulieren wird. Somit ist nur mit einem sehr langsamen Ansteigen der Bundrenditen zu rechnen. Für Unternehmensanleihen verringern sich die negativen Effekte steigender Leitzinsen entsprechend. Damit kann auch die relativ bessere Performance von Unternehmensanleihen im Vergleich zu Aktien teilweise erklärt werden.Ein anderer Grund für die vergleichsweise geringen Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen sind die in diesem Zyklus sehr niedrigen Ausfallquoten von Anleihen aus dem Hoch-Risikobereich. Die Ratingagentur Moody’s weist aktuell für europäische Unternehmen mit einem Non-Investment-Grade-Rating nachlassende Ausfallquoten aus. Diese sind im Jahresverlauf von 3,6 % im Februar auf aktuell nur noch 2,2 % gesunken. Moody’s prognostiziert für die kommenden Monate weiter auf 1,3 % fallende Ausfallquoten, bevor sie zum Ende nächsten Jahres wieder leicht auf knapp über 2 % ansteigen sollten. Daher kann ein Investor, der in seinem Portfolio mit nur niedrigen Verlusten aufgrund von Anleiheausfällen rechnen muss, auch Anlagen mit vergleichsweise niedrigen Renditen akzeptieren.Die zuletzt recht turbulenten Wochen haben Emittenten davor zurückschrecken lassen, mit neuen Anleihen an den Markt zu treten. Zudem wird die Neuemissionstätigkeit momentan noch von der sogenannten Blackout Period während der Quartalsberichtssaison ausgebremst. Im November dürften dann viele Firmen die letzte Gelegenheit vor der illiquiden Weihnachtszeit nutzen, am Kapitalmarkt Mittel aufzunehmen. Um eine erfolgreiche Marktaufnahme zu gewährleisten, werden bei neuen Anleihen zumeist attraktive Neuemissionsprämien im Vergleich zu ausstehenden Altanleihen am Sekundärmarkt gewährt. Und eine Häufung neuer Bonds lässt spürbar höhere Prämien erwarten. Selbst wenn die Konjunkturaussichten zuletzt etwas nachgelassen haben, können die meisten europäischen Unternehmen aber immer noch mit sehr guten Geschäftsaussichten rechnen. Somit eröffnen sich mit den aktuell zu erwartenden Neuemissionen attraktive Investmentmöglichkeiten auf den Kreditmärkten.—-*) Carsten Lüdemann ist im Makro-Research der DekaBank tätig.